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Nürburgring-Zukunft
Kauft die Autoindustrie den Ring?

Wilde Gerüchte wabern um die altehrwürdige Nürburg und die berühmteste Rennstrecke der Welt. Kommt nach der Insolvenz jetzt ein reicher Oligarch oder Ölscheich zum Zug? Viel wahrscheinlicher ist ein anderes Szenario: Eine von ADAC und deutscher Autoindustrie unterstützte Stiftung könnte den Zuschlag bekommen.

Nürburgring
Foto: Archiv

Professor Dr. Dr. Schmidt ist die fleischgewordene Diskretion. Das gehört sich auch so. Denn der Jurist aus Trier ist Spezialist für Insolvenzen. "Erfahrung. Kompetenz. Erfolg." Das hat sich Schmidt auf die Fahnen geschrieben. Auf ihrer Homepage wirbt die Kanzlei Schmidt mit allerlei Statistiken. So erfährt man beispielsweise, dass bei den von den Trierern abgewickelten Insolvenzen 82 Prozent der Arbeitsplätze erhalten wurden. Und dass die durchschnittliche Verfahrensdauer 1,9 Jahre beträgt.

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Im Fall des Nürburgrings, der im Juli 2012 Insolvenz anmelden musste, und zwar wegen wettbewerbsrechtlicher Vorschriften der EU, könnte dieser Zeitrahmen ziemlich exakt passen. "Bis Spätherbst oder zu Anfang des Winters sollten die Bieter verbindliche Angebote abgeben", sagt Schmidt. Er rechnet damit, dass sich die anschließenden Vertragsverhandlungen bis über das Jahresende hinziehen werden: "Der Investorenprozess wird voraussichtlich bis zum Frühjahr 2014 dauern."Eisernes SchweigenIn rund einem halben Jahr wird also feststehen, wer künftig Herr am Ring ist. Anzahl der Interessenten? Mögliche Kaufsumme? Professor Schmidt schweigt eisern. Eines lässt er sich aber dann doch entlocken: "Bei den bisher abgegebenen Interessensbekundungen haben wir keinerlei Anzeichen dafür, dass ein Investor den Nürburgring als private Rennstrecke nutzen will."

Für all jene am Ring, die wüste Untergangs-Szenarien beschworen hatten, könnte das eine Beruhigungspille sein. Was, wenn ein steinreicher russischer Oligarch oder ein Ölprinz aus dem Morgenland auftauchen sollte, sich den Nürburgring gewissermaßen als Hobby zulegt und die Öffentlichkeit aussperrt? Wenn Touristen und Testfahrer ausblieben, was würde dann aus den Pensionen und Gaststätten werden, die bislang vom Ring leben?

Problem ist die Nürburgring-Erlebniswelt

Mit diesen Problemen hat sich die rheinland-pfälzische Landesregierung sehr ernsthaft befasst. Anfang Juli drückte die rot-grüne Mainzer Koalition – gegen den Widerstand der CDU – im Schnelldurchgang das aus vier dürren Paragrafen bestehende Nürburgring-Gesetz durch. Kernpunkt: Der Betreiber des Nürburgrings wird verpflichtet, die "diskriminierungsfreie Benutzung zum Zwecke des Sports, von Touristenfahrten und von Testfahrten gegen angemessenes Entgelt zu gewähren."

Dies sollte eigentlich genügen, einen unliebsamen Investor abzuschrecken. Doch die Region hat noch ein Druckmittel, erzählt man sich in der Eifel hinter vorgehaltener Hand. Notfalls könne der Landkreis Bad Neuenahr anordnen, dass die Polizei die Einhaltung der Verkehrsregeln auf der Nordschleife ganz besonders pingelig überwacht. Denn eigentlich handele es sich – trotz Rennstreckenlizenz – im weitesten Sinne um eine öffentliche Straße. Dies würde einem unerwünschten Neubesitzer den Spaß am Ring sicherlich schnell vergällen.

"Ich wünsche mir einen Investor, der über Finanzinteressen hinaus auch Interesse an dem hat, was wir hier tun", sagt Dr. Karl-Josef Schmidt, seit zwei Jahren Geschäftsführer am Ring. Der 65-Jährige, der zuvor fünf Jahre die Rennstrecke in Hockenheim geführt hat, verweist auf eine erfreuliche Bilanz. "Die Rennstrecken sind zu 100 Prozent ausgelastet." Rund 60 Millionen Euro Umsatz mache der Nürburgring in diesem Jahr. Der Gewinn werde voraussichtlich bei acht Millionen Euro liegen.

Traumhafte Zahlen, doch Geschäftsführer Schmidt hat auch ein Problem. "Das liegt auf der anderen Straßenseite", sagt er und deutet vage in Richtung Grüne Hölle. Nicht weniger als sieben Restaurants buhlen dort um die spärliche Kundschaft. Menschenleerer Ring-BoulevardAber auch auf der diesseitigen Seite der B 258, dort wo sich Schmidts Büro im Hauptgebäude befindet, ist der Besucheransturm überschaubar. Die Woche über ist der mächtige, 350 Meter lange und bis zu 65 Meter breite Ring-Boulevard fast menschenleer. "Auch hier liegen noch Ertragspotenziale", meint Schmidt. Das Problem: Diese Gebäude, mit denen der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck unter dem Stichwort "Nürburgring 2009" eine Vergnügungsmeile rund um die Rennstrecke in die Landschaft pflanzte, sollen jährliche Betriebs- und Instandhaltungskosten von sage und schreibe drei Millionen Euro verursachen. Schmidt glaubt immerhin, dass der Ringracer, diese Achterbahn der Superlative, nach jahrelangen Querelen mit der Technik nun doch bald in Betrieb gehen wird. "Der Ringracer ist längst betriebsbereit und vom TÜV abgenommen." Bis die Betriebsgenehmigung durch den zuständigen Landkreis Bad Neuenahr-Ahrweiler erteilt wird, dauert es voraussichtlich nicht mehr lange. Angeblich zankt man nur noch um Details bei Evakuierungsplänen. Insider lachen über diese Ankündigung: "Schon jetzt sind die Heizkosten des Boulevard enorm hoch. Wenn der Ringracer im Herbst nur ein Mal da durchfegt, ist es drinnen sofort eiskalt. Am besten, sie bauen das Ding gleich wieder ab und woanders wieder auf", sagt eine mit dem Verkaufsprozess vertraute Person.

Doch der Sturm um das größenwahnsinnige Pseudo-Disneyland hat sich etwas gelegt. "Heilfroh" ist Geschäftsführer Schmidt, ein bedächtig wirkender Hesse aus Frankfurt, dass man jetzt in einer befriedeten Atmosphäre lebe und in Ruhe arbeiten könne. Das war vor einem Jahr noch anders. In ihrer Widerborstigkeit erinnerten die Eifel-Bewohner ein bisschen an die Bewohner jenes kleinen gallischen Dorfes, das bei Asterix und Obelix den Römern das Leben schwer machte. Reinhold Schüssler, der Bürgermeister von Nürburg beispielweise, pflegte Klartext zu reden: "Diese Brüder haben alles an die Wand gefahren", sagte er vor einem Jahr und meinte den früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck samt Gefolge. "Das sind Orgelpfeifen, mit dem Unterschied, dass eine Orgel ja noch wohlklingende Töne produziert."

Hoffen auf den ADAC

Dem streitbaren Bürgermeister jedoch kommt eine Schlüsselrolle zu. Denn die Entscheidung des Sanierungsgeschäftsführers Schmidt muss durch den Gläubigerausschuss bestätigt werden, und hier ist Schüss-ler eines von fünf Mitgliedern, ebenso wie der Bürgermeister der Gemeinde Müllenbach und ein Arbeitnehmervertreter. Schüssler hat inzwischen rhetorisch zurückgeschaltet. Beim Frühstück im "Hotel am Tiergarten" in seiner Gemeinde seufzt er: "Wenn das in die falschen Hände kommt, ist der Ofen hier aus. Meine Hoffnung ist, dass der ADAC einspringt."

Eine Hoffnung, die berechtigt ist. Nicht nur in der Zentrale des Autofahrer-Vereins gilt es als offenes Geheimnis, dass der ADAC beim Insolvenzverwalter Schmidt eine Interessensbekundung abgegeben hat. Warum? Der ADAC hat als größter Veranstalter von Motorsportveranstaltungen am Ring – er richtet unter anderem das 24-Stunden-Rennen aus – ein fundamentales Interesse, dort weiterhin zum Zuge zu kommen.

Doch die Sache ist politisch. Schließlich zählt der Betrieb einer Rennstrecke wahrlich nicht zum Kerngeschäft eines Automobilclubs. Mit dem Kauf des Nürburgrings wären dem ADAC bei den Motorsportfans zwar große Sympathien sicher, doch Nicht-Motorsport-Interessierte könnten fragen: Warum werden meine Beiträge für den Kauf einer Rennstrecke verwendet? Deshalb setzt man auf eine von der deutschen Autoindustrie – sie will weiterhin auf der Nordschleife testen – unterstützte Stiftung. So bliebe der Club selbst außen vor. Der ADAC spielt quasi nur den Vermittler, den Organisator der Rettung eines deutschen Kulturgutes. Vorteil einer solchen Lösung: Die Einnahmen aus den zahlreichen ADAC-Veranstaltungen könnte die Stiftung fest einplanen. Einnahmen, mit denen ein anderer Bieter nicht rechnen kann, denn der ADAC hat sich in seiner Vereinbarung mit dem Ring für die Rennsaison 2014 vorbehalten, seine Veranstaltungen abzuziehen, sollte ihm der neue Investor nicht passen.Meilenwerk für Rennfahrzeuge

Doch ein Konsortium aus Autoindustrie und möglichen weiteren Gönnern in eine Gesellschaftsform wie eine Stiftung zu gießen, sei nicht so einfach, heißt es aus ADAC-Kreisen, "der Prozess ist noch nicht abgeschlossen". So wollen die Geldgeber noch einige Fragen geklärt haben. Beispielsweise: Welche bislang nicht rentablen Gebäudekomplexe müssen weiterbetrieben werden? Was passiert mit der Ring-Arena? Für die soll ein Konzept nach dem Vorbild des Meilenwerks existieren. Die Idee: Besitzer von Rennfahrzeugen können diese dort gegen eine Gebühr in gläsernen Garagen einlagern, die dann von Besuchern bestaunt werden können. Auch für einige Restaurants soll es vielversprechendere Konzepte als bisher geben. "Die Vielfalt der Gastronomie wird aber kaum so bleiben können", sagt ein mit dem Projekt Befasster, "Teile des Eifeldorfs müssten eigentlich abgerissen werden."Finanziert werden soll der Kauf aus Mitteln der Autobauer und weiterer Geldgeber, wobei der aktuell in der Diskussion genannte Preis noch deutlich zu hoch zu sein scheint. Als realistischer Kurs gilt eine Summe von rund 40 bis 75 Millionen Euro. "Nach knallharten wirtschaftlichen Rechnungen ist ein Preis von über 50 Millionen Euro eigentlich schon zu hoch", sagt ein mit den Unternehmenskennzahlen Vertrauter. Jetzt müssen die Gläubiger über ihren Schatten springen, denn für Fehler der Vorgänger wird kein neuer Investor gerade stehen – sei er auch noch so finanzstark und am Gemeinwohl interessiert.Die Gesprächspartner aus der Industrie, so heißt es aus ADAC-Kreisen, seien jedenfalls "entschlossen, eine Lösung zu finden". Anders drückt es ein hochrangiger Manager eines deutschen Autoherstellers aus: "Wir wollen nicht, das der Ring in die falschen Hände gelangt."

So kam es zum Nürburgring-Desaster

Die Debatte um den Investor ist emotional aufgeladen. Schließlich ist der Nürburgring ja nicht irgendeine Strecke, wie etwa der Lausitzring, der 2002 Pleite ging, was aber jenseits der brandenburgischen Landesgrenzen km jemanden wirklich interessierte. Der Nürburgring ist kein seelenloser Retortenkurs, sondern eine Legende. Der Eifelkurs blickt auf eine unvergleichliche Tradition (seit 1927) zurück, Tausende Geschichten wurden hier geschrieben, kaum irgendwo lagen (und liegen) Triumph und Tragödie näher beieinander als auf der rund 20 Kilometer langen, archaischen Nordschleife.

Ex-Geschäftsführer Walter Kafitz definierte den "Nürburgring 2009" als "Freizeit- und Business-Zentrum", das für ein jährliches Umsatzplus von 50 Millionen Euro sorgen sollte. Zum dem gigantischen Projekt gehören unter anderem sieben Restaurants, eine Disco, eine Mehrzweckhalle und 3.100 Zuschauerplätze, ein Kino, zwei Hotels, ein Dorf mit 100 Ferienhäusern sowie der 350 Meter lange Ring-Boulevard.Die Angaben schwanken zwischen 330 Millionen Euro (Land Rheinland-Pfalz) und 450 Millionen Euro (Schätzung der EU).

Die Koblenzer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr. Dornbach schätzte 2012 den Verkehrswert der Ring-Immobilien auf 98 bis 126 Millionen Euro. 90 Prozent der Nürburgring GmbH gehören dem Land Rheinland Pfalz. Hauptkreditgeber beim "Nürburgring 2009" war die landeseigene ISB-Bank. Diese Struktur wurde von der Wettbewerbskommission der EU als unzulässige Investition – und somit als illegal – eingestuft.

Kurt Beck, von 1994 bis Januar 2013 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, trägt die politische Verantwortung für den Größenwahn am Ring. Er entschuldigte sich vor dem Landtag mit den Worten: "Es tut mir mehr als nur leid."

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