Es ist keine eigene Halle, geschweige denn ein fußballfeldgroßer Pavillon, an dem eine Messebaufirma ein Jahr lang gearbeitet hat. Er ist nicht ausgefallen, er bietet keinen Aha-Effekt, der Architektur- und Innendesign-Studenten zur Ekstase triebe. Groß ist er dennoch, der Messe-Stand von Hyundai auf der Seoul-Motorshow. Vor dem Besucher, der die Messehalle zwei auf dem Kintex-Ausstellungsgelände eine Autostunde von Koreas Hauptstadt Seoul betritt, tut sich ein dunkler Schlund von der Größe eines Flugzeughangars auf. Spärliche Ausleuchtung, dunkler Teppich, was auf den ersten Blick anmutet wie eine Werbeinsel der dunklen Seite der Macht, ist reiner Pragmatismus. Man will Geld verdienen, nicht ausgeben.
Wie das Gelände in Genf besteht die Seoul Motor Show im Wesentlichen aus zwei großen Hallen, die sich alle Aussteller teilen müssen, und der schmucklose Hyundai-Stand wirkt mit seiner schieren Größe dennoch so mächtig, dass BMW und Lexus gegenüber sich an die Zwischenwand gedrängt fühlen. Dahinter kauern Mercedes und in einer Nische um die Ecke versteckt sich verschüchtert der französische PSA-Konzern.
Hyundai beherrscht Markt und Messe
Auch dem Laien wird beim Schlendern durch die Hallen schnell klar, wer hier das Sagen hat. Hyundai beherrscht in Korea allein rund ein Drittel des Marktes, zusammen mit der vor anderthalb Jahrzehnten übernommenen Schwester Kia sind es zwei Drittel. Der Kia-Stand beherrscht das Zentrum von Halle zwei, die über ein 300 Meter langes Transportband erreichbar ist. VW hat einen schicken, bläulich leuchtenden Pavillon aufgestellt, aber das ist auch nötig, denn die Wolfsburger hocken in der hintersten dunklen Ecke der Messe. Immerhin hat man versucht, den Gegner zu umzingeln. Audi und Porsche stehen Schulter an Schulter, Bentley ist auch da mit einem edel anmutenden Reihenhäuschen-Bunker.
Viel Neues hat der Konzern aus Niedersachsen nicht mitgebracht. Bentley zeigt den Continental-GT-Renner, VW fährt die GTI-Studie auf, die man schon im Vorjahr am Wörthersee ausgestellt hat. Für die Europäer hat die Messe in Korea keine Priorität, aber es ist wichtig, Präsenz zu zeigen, und der dortigen Industrie, die mit Macht auf die eigenen Märkte in China, USA und auch Europa drängt, auf eigenem Boden anzugreifen. Das geht vor allem im hochpreisigen Segment, und so ist der Mercedes-Auftritt eigentlich eher eine AMG-Show.
Seoul Motor Show ohne Gedränge
Toyota, der Riese aus dem benachbarten Japan will angesichts von Hyundais Öko-Show mit dem neuen, wasserstoff-betriebenen Tucson und dem Sonata, den es jetzt auch als Plug-in-Hybriden gibt, gar nicht groß mit Prius und Co nerven, man hat stattdessen die knallig rote Sportwagenstudie FT1 als Hingucker ausersehen.
Kia hat gegenüber als Schmuckstück die Limousinen-Studie Novo aufgebaut, die zwar nur von einem 1,6-Liter-Motor angetrieben wird, aber mit einladend geöffneten Selbstmördertüren und einem schlichten, aber klaren Design aufzeigt, mit wem man es bei künftigen Modellen zu tun hat.
Gegenüber den europäischen Messen in Frankfurt, Paris oder Genf fällt auf, dass sich erstens der Andrang am Pressetag in Grenzen hält und die Wandelgänge trotz der räumlichen Enge des Kintex-Geländes wie in mauen Zeiten der Motorshow Essen zu Prachtboulevards gerieten. Zudem übt sich die Öffentlichkeit in höflicher Zurückhaltung. Die Ausstellungsstücke lassen sich auch aus der Distanz betrachten, niemand überrennt die Messestände, um als Erster in einem neuen Auto zu sitzen, man sammelt Eindrücke eher aus der Distanz.
Die Japaner sind bis auf Mazda alle vertreten, und na ja, ohne Nissan. Denn während wir uns eines Tages damit abfinden mussten, dass Raider jetzt Twix heißt, ist Renault und Nissan in Korea Samsung. Richtig gehört, der Smartphone- und Tablet-Gigant macht mit eigenem Logo in der Heimat auch in Autos, und so heißt der zum Mini-SUV aufgepumpte Stadtflitzer Capture auf der asiatischen Halbinsel Samsung QM3.
Die Messe zeigt sehr klar, womit Korea zu begeistern ist. Große Limousinen, Sportwagen, und wenn es dafür nicht reicht, kompakte SUV. Dementsprechend stellt VW den schon 2014 präsentierten T-Roc aus. In dieser Klasse gibt es einen unerwarteten Mitspieler. Während man den früheren Großserien-Hersteller Daewoo vergebens sucht, weil er von General Motors geschluckt wurde und die meisten Modelle das Chevrolet-Logo tragen, ist Ssangyong derartig lebendig, dass man mit dem bulligen Offroader XAV und dem kompakten City Cruiser Tivoli gleich zwei SUV-Studien an den Start gebracht hat. Letzteren auch gleich als Plug-in-Hybriden.
Hyundai mit deutschen Stars
Da wollten sich auch die Platzhirsche nicht den Schneid abkaufen lassen. Zwar hatte man bei Hyundai mit angetäuschtem Understatement die großen Limousinen der Tochter Genesis und die Luxuskarossen der Marke Equus gar nicht erst präsentiert, bei allen umweltfreundlichen und vernünftigen Automobilen, zog man dann unter großem Andrang der heimischen Medien aber doch ein hübsches weißes Kaninchen aus dem Hut. Der hochbeinige Enduro ist ein bisschen Geländewagen, ein bisschen Sportcoupé, ein bisschen Freizeitmobil, aber vor allem ein Hingucker.
Und um klarzumachen, wer hier die Stars im Team hat, posieren für die Fotografen nach der Präsentation neben zwei hochrangigen Managern des Konzerns zwei Deutsche: Peter Schreyer, der nach seinen Erfolgen bei Kia nun auch das Kommando über das Hyundai-Design ausübt und ein schnauzbärtiger Herr mit Brille, der uns irgendwie bekannt vorkommt, aber eher auf grünem Gras als auf anthrazitfarbenem Teppich. Richtig gesehen, der Mann im grauen Anzug ist Uli Stielike, Europameister 1980, Vize-Weltmeister und seit vorigem September Trainer der südkoreanischen Fußball-Nationalmannschaft.