Halle eins, Stand eins. Einfach mal neu durchmischen, sagt man sich bei Ford. Der Mini-SUV Ecosport könnte auch ein Isuzu sein, der neue Kuga ein Subaru, dafür kommt der Mondeo jetzt von Aston Martin. So wird’s wenigstens nicht langweilig. Richtig spannend ist der Formel Ford mit Einliter-Motörchen aber Turbo. Die Nürburgring-Nordschleife umrundete er bereits in rekordverdächtigen 7:22 Minuten, und das Beste: Es gibt ihn mit Straßenzulassung. Jetzt die schlechte Nachricht: Nicht zu kaufen.
Auf dem Konzernabend hatte Martin Winterkorn noch zum feucht fröhlichen Ausklang geladen. "Keine Sorge, morgen auf der Pressekonferenz haben wir Sitzplätze." Von wegen. Wer nicht nüchtern und zeitig auf den Beinen war, stand bei der Präsentation des neuen Golf in der 20. Reihe. Aus lauter Verzweiflung lichtete mancher Fotograf einfach das Geschehen von einem Flachbildschirm ab.
Rauchbombe am VW-Stand
Vorn stehen Rennlegende Jacky Ickx und die künftige Rallye-Legende Sébastien Ogier. Sie sollen was über ihre Beziehung zum GTI sagen. Dumm nur, das Ickx zur Geburtsstunde des ersten GTI schon längst Porsche fuhr, und Ogier träumt nicht vom Golf, sondern vom Polo, den er in der Rallye-Version zwar schon das ganze Jahr testet, aber vor Monte Carlo 2013 wird er ihn nicht ernsthaft benutzen dürfen.
Etwas wirklich Nettes weiß aber dann der Entwicklungschef zu berichten: Den Golf GTI gibt es künftig in einer noch verschärften Version mit 10 Extra-PS, größerer Bremse und Differenzialsperre. Auf der Nordschleife soll er den Vorgänger schon um 13 Sekunden unterboten haben.
Keine 13 Sekunden dauert der Auftritt einiger Umweltaktivisten, die eine Rauchbombe am VW-Stand zünden und gelbe Schilder mit der Aufschrift "Volkswagen – Klimaziel verfehlt" hochhalten, bis die Sicherheitskräfte sie niederdrücken.
Cinquecento als passendes Handtäschchen
Nebenan bei Porsche trägt Porsche-Chef Matthias Müller mit Sorgenmiene vor, dass die Welt schwierigen Zeiten entgegensehe, denen man aber mit einer Modelloffensive begegne. In der Krise muss man antizyklisch handeln. Wer weiß, was der Euro morgen noch wert ist. Also besser noch schnell einen Panamera kaufen, oder den Elfer. Den gibt es jetzt mit Allradantrieb, "passend zur Jahreszeit", wie Müller sagt.
Modebewusst geht es auch bei Fiat zu. Den 500 gibt es für im Sommer etwas aus dem Leim Gegangene ja längst auch in Größe L, neu aber ist, dass man jetzt zum perlmuttfarbenen Cocktailkleid auch den kriegt. Es gibt nämlich jetzt eine Gucci-Version.
Bei Bentley indes ist man auf die Krise längst vorbereitet. So bietet der Continental nun im Fond gleich zwei Computerarbeitsplätze. Der Trend geht also auch in der Luxus-Klasse zum mobilen Großraumbüro. Ebenso gut aufgestellt ist BMW. In unsicheren Zeiten zieht sich der Mensch seit jeher in seine Höhle zurück. Cocoocning nennt sich das dann, und der i3concept ist mit seinen vollverglasten Türen quasi ein Loft auf Rädern.
Das aggressivste Blaumetallic aller Zeiten
Was allerdings noch spannender ist als das verglaste Auto: Wo kriegt man die 20 Meter-Tapete mit der Stadtansicht von Paris, die am Stand hängt? Nebenan bei Mini freut sich der Heimwerker. Dort darf man sein Auto mit virtueller Sprühpistole selbst tapezieren.
Ansonsten hat man den Paceman, der eigentlich ein ganz pfiffiges Gerät wäre, hätte er nicht die Bulldoggenschnauze vom Countryman verpasst gekriegt.
Bei Mercedes hängt ein SLS an der Rampe, bei dessen Farbgebung man sich möglicherweise an Microbikinis aus Table Dance Bars inspirieren ließ. Das aggressivste Blaumetallic aller Zeiten, mit dem man die Electric Drive-Palette gestrichen hat, sieht auf der Straße verboten aus, wirkt aber als Skulptur an der Wand ziemlich cool.
Warten auf Ehepaar Piech
In Halle vier dominiert Volkswagen mit all seinen Marken das Geschehen. Gegenüber dem ausladend weißen Messestand von Audi und VW, der wie ein gelandetes Raumschiff anmutet, steht gegenüber - farblich abgestimmt ebenfalls in Weiß und geschwungenen Formen - Toyota. Und so wird hinter den Kulissen schon gemunkelt: Wird Toyota jetzt die 14. Marke?
Bei Audi wankt der Zeitplan. Statt 10:15 Uhr geht die Pressekonferenz erst zehn Minuten später los. Wie schon in Genf wollte man auf Ehepaar Piech warten. Die kriegen jetzt nur noch Stehplätze, weil man Ihnen offenbar keine Plätze reserviert hat. Der rasende ams-Reporter ist nach dem ernüchternden VW-Erlebnis schon seit einer halben Stunde da und sitzt schön mittendrin.
Audi-Chef Rupert Stadler schwingt sich gewohnt dynamisch auf die Bühne, verkündet, der neue A3 Sportback sehe in "Misano-Rot einfach hinreißend aus." Die Leichtigkeit seines Vortrags spiegelt sich auch in der Karosserie wider, die 90 Kilo an Gewicht verloren hat.
Die Zukunft der Kuh-Familie
"Weniger CO2-Verbrauch" verspricht Stadler. Und wenn der Vorsprung durch Technik neuerdings darin besteht, Kohlendioxid zu verbrauchen statt auszustoßen, wird langsam klar wie der VW-Konzern bis 2018 die Weltherrschaft übernehmen will.
Rupert Stadler legt aber noch einen drauf: "Halten Sie sich fest. Wir zeigen Ihnen, wie das aussieht." Das interessiert einen als Stier natürlich besonders. Auf die Bühne rollt ein kompaktes SUV-Coupé. Es war dann wohl eher die Q-Familie gemeint.
Chef-Designer Wolfgang Egger präsentiert das Crosslane-Coupé, ein SUV "mit urbanem Schick". Leichtbau dank Spaceframe und Karbon-Hardtop, das sich im Kofferraum verstauen lässt. Nur 26 Gramm CO2 soll das Konzeptauto ausstoßen. Das ist mal ein Aufschlag mit wild entschlossenem LED-Blick. Auf der Autobahn soll der Vordermann im Spiegel gleich wissen, mit wem er es zu tun hat.
Das Drei-Meter-Radstand-Monster
Es geht eilig rüber in Halle eins zu den französischen Gastgebern, wo der König Hof hält. Sébastien Loeb ist vermutlich der beste Autofahrer aller Zeiten, eine Citroën-Ikone, die gerade verkündet, dass er eigentlich immer noch nicht so recht verkünden kann, was er eigentlich 2013 genau tun wird. Immerhin – die Grande Nation atmet auf – wird er in Monte Carlo zum Rallye-Saisonbeginn starten. Welche Bedeutung die Personalie Loeb hat, wird dadurch deutlich, dass die Vorführung des Rallye-Stars ebenso lange dauert wie die Vorstellung der wichtigsten Neuheit DS3 Cabrio und der Stufenheck-Limosine C4L zusammen.
Ein echter Hingucker ist der Numero 9. Die Studie, die künftige DS-Elemente trägt, ist mit ihren knapp fünf Metern Länge, 1,94 Metern Breite und drei Meter Radstand ein echt Ehrfurcht gebietendes Monstrum. Leider wird das vom chinesischen Markt inspirierte Gerät so nie verkauft werden, dabei ließe sich vor dem Mao-Mausoleum auf der Straße des ewigen Friedens jeder A8 mit langem Radstand alt aussehen lassen.
Falls der PSA-Konzern es dennoch nicht schaffen sollte, die Absatzkrise in den Griff zu bekommen, präsentiert man jetzt schon einen möglichen Plan B. Citroen zeigt eine stylische Slotcar-Piste, Peugeot hat einen Designer-Piano entwickelt. Ansonsten ist der 208 ganz in Ordnung, aber nicht wirklich spektakulär, es sei denn in der R5-Rallye-Version mit Allradantrieb und 280 PS.
Opel steht Kopf
Bei Renault ist der Clio auch ganz gefällig geworden, aber auch dort spielt die gastgebende Fraktion eher verhalten auf. Und es wird nicht eindrucksvoller, wenn man gleich 20 Clio hinstellt und mit Masse statt Klasse die Konkurrenz überwältigen will. Immerhin ist man dort in Punkto Messebau ganz vorn, oder besser: ganz weit oben. Renault hat in Halle fünf einen Feldherrenhügel errichten lassen, von dem sich prima auf die Gegner herunterblicken lässt. Aber seien wir ehrlich: Am Ende hat so ein Hügel auch Kaiser Napoleon nichts mehr genutzt.
Zum Schluss gilt es, eine Lanze zu brechen: Der Opel Adam ist schön geworden. Anfangs vom rasenden Reporter als billiger Abklatsch eines Fiat 500 mit den Scheinwerfern eines Opel GT verunglimpft, wirkt der knuffige Rüsselsheimer in natura viel besser, cooler, schicker und pfiffiger. Und in Halle fünf kann man sehen, dass er sogar an der Decke fahren kann. Beim Betrachten des der Schwerkraft trotzenden Flohs bieten die Symbolik zwei Alternativen. Die einen sagen: Seht, Opel steht schon auf dem Kopf, die anderen werden anmerken: Jetzt setzen sie zum Höhenflug an.