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Mercedes 220 SE im Fahrbericht
Guter Rutsch mit dem Monte Carlo Sieger

Die Mercedes-Historie ist reich an großen Siegen. Vor 50 Jahren gelang den Stuttgartern ein besonderer Coup: ein Dreifach-Erfolg bei der Rallye Monte Carlo, der vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof gefeiert wurde. Fahrbericht des Mercedes 220 SE.

Mercedes 220 CE
Foto: Wolfgang Wilhelm

Über Nacht hat es geschneit. Ideale Bedingungen für eine Tour mit einem Rallyesieger. Der Mercedes 220 SE hat zwar 50 Jahre auf dem Buckel, präsentiert sich aber herausgeputzt wie am ersten Tag. Rallyeautos waren 1960 noch sehr seriennah. Äußerlich erkennt man den Sieger-Typen auch an einem Hauptschalter für die Elektrik auf dem linken Kotflügel. Ist es schwäbische Sparsamkeit, oder wurde wirklich extrem aufs Gewicht geachtet?

In der Kühlermitte sitzt ein einziger zentraler Zusatzscheinwerfer. Im Innern dominiert der Überrollkäfig aus Stahl. Die SE-Besatzung bekam für die lange Monte-Reise zwei Schalensitze spendiert. Sie sind bequem, geben guten Seitenhalt, auch wenn man die Lehnen allenfalls als Lehnchen bezeichnen kann: Sie enden in der Rückenmitte. Kopfstützen? Natürlich Fehlanzeige. Dafür gibt es sogar Vierpunkt-Sicherheitsgurte, die aber erst nach der eigentlichen Rallye-Karriere montiert wurden. Mit seinen 145 PS war der Mercedes 220 SE nicht gerade üppig motorisiert.

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Im Cockpit des Mercedes 220 SE bleibt ein Hauch von Luxus

Deshalb wurde alles, was laut Reglement nicht vorgeschrieben war, weggelassen. Beispielsweise die hintere Sitzbank sowie sämtliche Dämm- und Fußmatten. Sogar die Türverkleidungen mussten draußen bleiben. Trotzdem macht sich im Rallye-Cockpit ein Hauch von Luxus breit. Die Original-Holzeinlagen blieben ebenso erhalten wie die Uhr in der Armaturenbrett-Mitte. Auch das stehende Kombi-Instrument mit der aufsteigenden Tachosäule ist am gewohnten Platz. Zusätzlich wurden ein kleiner Drehzahl- und ein Öldruckmesser installiert. Mit dem Zündschlüssel wird wirklich nur die Zündung aktiviert, gestartet wird mit einem separaten Knopf. Der Zigarettenanzünder fehlt.

Dafür gibt es mittig, von Fahrer und Beifahrer zu bedienen, einen Kippschalter: Nach links ertönt eine schrille Fanfare, nach rechts ein Horn. Die dazugehörenden Klangtüten sitzen ganz vorn vor dem Kühler. Dort ist auch ein kleiner Zusatz-Ölkühler platziert. Der Motorraum präsentiert sich fast serienmäßig. Einzige Ausnahme: sechs Zündkerzen, die sauber aufgereiht neben dem Sechszylinder in einer Halterung sitzen. Ersatzteile und Werkzeug führte man früher im Rallyeauto mit. Es war noch nicht die Zeit der großen Service-Parks – der kleine Kundendienst oder der Räderwechsel wurde von der Crew selbst besorgt. Gern nahmen die Mercedes-Piloten auch ein zweites Reserverad mit.

Mühevolles Vorankommen mit dem Mercedes 220 SE

Das zusätzliche Gewicht drückte zwar etwas auf die Spritzigkeit, sorgte – im Kofferraum verstaut – aber für zusätzlichen Ballast auf der ohnehin „sehr leichten Hinterachse“, wie der Werkstattmeister jetzt bei der Fahrzeugübergabe verrät. Die Mechaniker haben dem Mercedes eigens einen Satz Winterreifen spendiert. Es sind nicht die Dunlop B7 von einst, sie dürften aber ähnlich lange gereift sein. Selbst auf ebener Strecke hat der Oldie Mühe, in die Gänge zu kommen. Das Bremspedal sollte man auf Schnee mit einer ordentlichen Portion Voraussicht bedienen. Die Verzögerung ist nämlich lausig.

Trotzdem: 1960 gewannen Walter Schock und Rolf Moll im Mercedes 220 SE die Rallye Monte Carlo. Und was die Konkurrenz besonders schockte: Platz zwei und drei ging an die Teamkollegen Eugen Böhringer und Hermann Socher sowie Eberhard Mahle und Roland Ott. Natürlich handelte es sich bei den drei Limousinen aus Stuttgart um reinrassige Werkswagen. Aber nach der Monte-Blamage im Jahr 1951, als die großen Mercedes-Grand-Prix-Stars Rudolf Caracciola, Hermann Lang und Karl Kling gerade mal den Mannschafts-Preis einfuhren, wollten die Schwaben den Ball flach halten. Das Trio startete unter der Bewerbung des Motorsportclubs Stuttgart. Es war die Zeit, als Winterreifen mit Spikes in Mode kamen. Bereits ein Drittel der 298 Starter setzte auf genagelte Pneus. Nicht so die Mercedes-Teams. Sie fuhren auf Dunlop-Winterreifen - und montierten im Notfall Schneeketten. So am Col du Granier, wo sie sich bei heftigem Glatteis auf der Anreise nach Monaco die ersten Strafpunkte einhandelten.

Monte-Mission wurde auch ohne Werksauftrag ernst genommen

Entschieden wurde die Monte 1960 aber weder auf der über 3.000 Kilometer langen Anfahrt aus neun verschiedenen Startorten nach Chambéry noch auf den 570 Kilometern gemeinsamer Strecke Richtung Monaco. Die Entscheidung sollte auf dem 285 Kilometer langen Rundkurs um Monte Carlo fallen. Es wurden zwei identische Runden gefahren, eine bei Nacht, die zweite bei Tag. Dabei ging es zwei Mal über die Königsetappe der Monte: den Col de Turini. 80 Prozent der Strecke waren feucht, aber schneefrei. Nur die Passkuppen waren mit Schnee überzuckert. Dass man die Monte-Mission auch ohne offiziellen Werksauftrag ernst nahm, zeigt die Tatsache, dass die Teams zumindest die wichtige Schlussetappe ausgiebig inspiziert hatten. Überlegener Mann der beiden Monaco-Runden war dann der Europameister von 1956 und 1960: Walter Schock.

Der Südfrüchteimporteur aus Stuttgart war nur als 19. in die Final-Runde gestartet und schlug alle - auch den aufstrebenden Rallye-Star Eugen Böhringer. Der Schwabe, dessen große Zeit noch kommen sollte, machte bei der Monte 1960 durch eine eigene Kreation auf sich aufmerksam: Um bergab beim Bremsen auf der sicheren Seite zu sein und beim Einlenken mehr Grip zu haben, montierte er die Schneeketten nicht an der angetriebenen Hinter-, sondern an der Vorderachse. Ansonsten aber war sein Devise: „Wir hatten nicht so viel PS, also mussten wir die Autos in Schwung halten.“ Dies fällt ausgesprochen leicht. Die 145 PS haben mit der 1.200 Kilogramm schweren Limousine erstaunlich wenig Mühe. Dies liegt nicht zuletzt an der kurzen Hinterachs-Übersetzung. Normalerweise lag die Höchstgeschwindigkeit des 220 SE bei über 170 km/h. Der Rallyewagen ist dagegen schon bei Tempo 125 ausgedreht.

Im Mercedes 220 SE ist Beinarbeit gefragt

Entsprechend flink will der lang und filigran aus dem Mitteltunnel aufragende Schalthebel bewegt werden. Apropos filigran: Das Lenkrad ist nach heutigen Maßstäben riesig - und ausgesprochen dünn. Noch dünner erscheint der feine Hupenkranz. Alles nichts für Grobmotoriker. Aber gehupt wird im Rallye-Mercedes ohnehin nicht: Dafür gibt es ja den Fanfare und Horn-Schalter. Zumindest in brenzligen Situationen kann das große Lenkrad nicht schaden, denn der Grenzbereich ist schnell erreicht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Mercedes 220 SE für den Monte-Einsatz mit Sportdämpfern ausgerüstet und die Karosserie tiefergelegt wurde. Der Grenzbereich kündigt sich früh an, doch der SE zeigt keine Tücken. Wer ihn aber im Böhringer-Stil „in Schwung halten“ will, der hat alle Hände voll zu tun. Auch Beinarbeit ist vom Piloten gefragt.

Mit dem linken Fuß wird beispielsweise nicht allein gekuppelt oder das Fernlicht bedient. Ist die Frontscheibe vom Spritzwasser eingedreckt, dann kann damit auch über eine Art Blasebalg Wasser auf die Scheibe gepumpt werden. Die französischen Medien feierten den Mercedes-Dreifachsieg vor 50 Jahren als totalen Triumph, in den englischen Gazetten dagegen mokierte man sich über den verkappten Werkseinsatz und das angebliche Riesenbudget. Egal. Zurück in Stuttgart, gab es für das siegreiche Trio einen großen Bahnhof: Die Rallye-Crews posierten mit ihren Pokalen und ihren Autos vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Für Karl Kling, den ehemaligen Grand-Prix-Piloten und damaligen Mercedes-Rennleiter, war es eine späte Genugtuung. Was das Werksteam 1951 nicht erreicht hatte, war dem Privatteam 1960 überzeugend gelungen: der Monte-Triumph.

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