Ligurien im Alfa Romeo Giulia Super 1.3: Ein Tag am Meer

Oldtimer-Reise-Spezial: Unterwegs im Alfa Romeo Giulia Super
Ein Tag am Meer - Probefahrt in Ligurien

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 01.09.2010
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Portofinos Flaniermeile ist ein exklusives Refugium: Sechs Euro fünfzig für einen Espresso - so mutig ist man nicht einmal in den Cafés rund um die Piazza del Campo in Siena. Doch dafür sitzen der Bonner Oldtimer-Händler Hartmut Stöppel und ich draußen vor einer schicken Bar, in der kürzlich auch Popstar Madonna zu Gast war, und blicken auf einen Mini- Hafen, der als Adonis unter den Fischerdörfern gilt.

Startpunkt der Ligurien-Reise: Der Nobelort Portofino

Das Bild von der bunten Häuserfront am Ende der von immergrünen Berghängen gesäumten Bucht dürfte in jeder Pizzeria zwischen Alaska und Australien hängen. Und natürlich haben die Amerikaner diesen Ort längst nachgebaut - als Attraktion für einen Vergnügungspark. Da nörgelt man besser nicht wegen ein paar Euro herum.

Im Herbst, sobald Portofino sein schrilles Partykleid abgelegt hat, entpuppt sich der weltbekannte Nobelort als überraschend charmante Enklave. Keine Spur mehr von den Reichen und Schönen, die diesem makellosen Flecken ihren exklusiven Stempel aufgedrückt haben. Für ein paar Monate gehört Portofino wieder seinen rund 500 Einwohnern, und Stöppel und ich ertappen uns dabei, dass wir den Moment der Abfahrt wieder und wieder aufschieben.

Schließlich können wir uns doch noch aufraffen, schlendern über die nette Via Roma zur Piazza della Libertá. Dort steht das Auto, mit dem wir entlang dieser grandiosen Küste hinunter bis Cinque Terre fahren wollen: eine Giulia Super 1.3, Baujahr 1973. Stöppel hat diesen Alfa soeben ganz in der Nähe gekauft, ein bildhübsches Fahrzeug aus erster Hand, das sich bis in die letzte Schraubenspitze offensichtlich in einem erstaunlich guten, unrestaurierten Originalzustand befindet. "Nach so einem Auto muss man schon eine ganze Weile Ausschau halten", erklärt der erfahrene Händler. Und strahlt, weil bei seinem Fund weder die Bedienungsanleitung noch das vollständig ausgefüllte Service-Heft fehlen. Schließlich zieht Stöppel noch die Krönung für jedes Jäger- und Sammlerherz aus dem Handschuhfach - eine vom Vorbesitzer sauber archivierte Gebrauchsanleitung für das gleich nach dem Kauf eingebaute Blaupunkt "Goslar".

Probefahrt mit der Neuerwerbung - Alfa Romeo Giulia Super 1.3

Übermorgen wird das Schmuckstück, das die letzten Jahre in einer trockenen Garage verbracht hat und dessen Kilometerzähler rund 88.900 anzeigt, auf einem Transporter die Reise nach Deutschland antreten. Die Ausfahrt jetzt soll zeigen, ob der Händler wirklich einen guten Fang gemacht hat. Der gibt sich zuversichtlich. Die Technik sei in Ordnung, nur das Öl, die Zündkerzen und den Luftfilter habe er gestern noch wechseln lassen.

Noch vor dem ersten gefahrenen Kilometer spüren wir, dass die Anziehungskraft einer Giulia bis heute ungebrochen scheint. Dort, wo sie parkt, verdirbt sie anderen die Schau, und in Portofino zählen rasch ein paar neuere Ferrari und Porsche zu ihren Opfern. Der Farbton "verde pino" steht der kantigen Limousine zudem außerordentlich gut. Stöppel hätte in der vergangenen Nacht am liebsten noch den tadellosen Lack von seiner feinen Staubschicht befreit und poliert.

Ein paar Minuten später sind wir endlich unterwegs. In ungezählten Kurven hangelt sich der schmale Weg entlang der zerklüfteten Geographie von Portofino nach Rapallo und lässt dabei nie das Meer außer Acht. Durch die leicht geöffneten Fenster weht ein Hauch von Frühling, obwohl der Winter erst noch bevorsteht. Rosafarbene, pistaziengrüne und zitronengelbe Häuser und Villen leuchten links zwischen Pinien hervor. Gleichermaßen abenteuerliche wie exklusive Wohnlagen im Hang, die wohl nur über Stege und Treppen zu erreichen sind. Der Blick von dort über die See muss umwerfend sein.

Traumhafte Kulisse für die attraktive Giulia

Die Straßenführung ist es auf jeden Fall, und es macht einen Heidenspaß, der Giulia zuzusehen, wenn sie an besonders schönen Stellen für den Fotografen eine weitere Runde dreht. Die eckige Front mit den markanten Doppelscheinwerfern, die bis zum Auftritt der Giulia Super 1.3 im Jahr 1972 den seit 1962 gebauten 1600er- Modellen vorbehalten waren, zählt klar zu den attraktivsten Gesichtern der 60er und 70er Jahre.

Innen unterscheidet sich die kleine Giulia nun ebenfalls nicht mehr von ihrer stärkeren Schwester: Sie erhielt endlich eine Uhr, einen Zigarettenanzünder und einen Teppich für den Fußraum. In Stöppels Auto wirkt die Auslegeware so, als sei sie vorgestern erst verlegt worden. Und auf dem Anzünder klebt seit Auslieferung des Autos noch immer die Marke für die entrichtete Leuchtmittelsteuer.

In Rapallo gleitet der Alfa entspannt über die palmengesäumte Uferpromenade, passiert im mondänen Seebad prächtige Villen und Hotels aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Das Fünfganggetriebe lässt sich butterweich schalten, und der Motor mit seinen klassischen, obenliegenden Nockenwellen zeigt selbst nach der langen Standzeit keinerlei Schwächen.

89 PS aus 1.300 Kubikzentimetern Hubraum genügen einer Giulia offensichtlich noch immer, um relativ entspannt in die Meute moderner Klein- und Mittelklassewagen einzutauchen. Die Mischung aus Drehfreude und dem Alfa-typischen, brummigen Klang macht an - man möchte sich am liebsten persönlich bei den Konstrukteuren bedanken, die es besser als andere verstanden haben, eine schlichte Limousine mit einem Hauch Sportwagen-Atmosphäre zu versehen. Ein dreispeichiges Holzlenkrad zählt ebenso dazu wie die beiden großzügigen Rundinstrumente für Geschwindigkeit und Drehzahl sowie die beiden Zusatzuhren für Wassertemperatur und Öldruck.

Grandiose Panoramastraße und UNESCO-Weltkulturerbe Cinque Terre

Sestri Levante mit seiner kleinen Traumbucht Baia del Silenzio rauscht vorbei, kurz darauf müssen wir fast 20 Minuten warten, bis uns die Ampel vor einem fünf Kilometer langen, einspurigen Tunnel die Durchfahrt in unsere Richtung gestattet. Ein paar Galerien erlauben den Blick aufs Meer und die Felsenküste, die keinen Platz für eine andere Straßenführung gestattet - ein kleiner Vorgeschmack auf die Cinque Terre-Region.

Denn erst als sich der Weg hinter Levanto steil bergan schlingt und gut 300 Meter über der See in eine der grandiosesten Panoramastraßen Europas übergeht, hat das an landschaftlichen Reizen sicherlich nicht arme Ligurien sämtliche Register gezogen. Über 15 Kilometer weit brandet das Meer an eine unwirklich schöne Steilküste, in deren Ritzen sich weit unten in der Gischt fünf verschachtelte Dörfer krallen: die "Cinque Terre" (fünf Welten). Jedes für sich ein architektonisches Kunstwerk und für jeglichen Verkehr gesperrt.

Man erreicht sie am besten zu Fuß oder per Bahn, deren Schienen direkt am Wasser entlang verlaufen. Diese einmalige Trasse am oberen Rand des Küstengebirges, über der die Giulia nun rollt, wurde erst in den sechziger Jahren verlegt. Und kommt über die gesamte Distanz in dieser von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Region ohne eine nennenswerte Gerade aus. Da darf sich sogar eine so anerkannte Größe wie der kalifornische Highway Number 1 hinten anstellen.

Giulia steht auf Kurven

Dort wäre dieser Giulia vermutlich sterbenslangweilig. Sie steht nun einmal auf Kurven und Kehren und lässt sich spielerisch hin und her dirigieren. Das Fahrwerk des 37 Jahre alten Wagens mit Einzelradaufhängung vorn und einer gutmütigen Starrachse hinten hinterlässt dabei einen erstaunlich frischen Eindruck. Mit neuen Reifen auf den Felgen wären Stöppel und ich diese Strecke vermutlich gleich ein Dutzend Mal abgefahren.

So bleibt es bei zwei herrlichen Turns zwischen Dorf Nummer eins (Monterosso) und Nummer fünf (Riomaggiore). Als unser Favorit entpuppt sich jedoch die Nummer zwei: Vernazza. Eine weit unten, verwegen auf einem Felsen im Meer errichtete Trutzburg, die sich sichelförmig um ihren kleinen Hafen schmiegt. Die Hänge zu unseren Füßen sind wie überall in Cinque Terre mit Wein bepflanzt, eine fast senkrechte, terrassierte Kulturlandschaft, die von uralten Steinmauern in Form gehalten wird.

Die Schönheit dieses Landstrichs macht für einen kurzen Moment sprachlos. Unser aus Mexiko stammender Fotograf Arturo Rivas redet seit einigen Stunden ohnehin nur noch das Nötigste. Wir ertappen uns ein weiteres Mal dabei, dass wir die Abfahrt, die genau genommen unsere Heimfahrt ist, wieder und wieder aufschieben

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