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Land Rover Rallye-Defender
Zarte Drifts auf schlammigen Pfaden

Spritztour im Drew-Bowler-Defender: Land Rover hat eine Serie von professionell präparierten Rallye-Offroadern aufgelegt, um Liebhabern des Langstreckensports ein perfektes Einsteigergerät zu bieten. Wir haben eine Probefahrt im Rallye-Dakar-Anwärter mit 172 PS gemacht.

Land Rover Rallye-Defender, Frontansicht
Foto: Land Rover

Der Kopfsprung des Defender in das dunkel spiegelnde Wasserloch verlangt von seinem Piloten herzhafte Selbstüberwindung. Spiegelnde Wasserlöcher können nämlich ungeahnte Tiefen offenbaren, gerne auch garniert mit einem unsichtbaren Betonbrocken oder einem Baumstamm unter der Oberfläche.

Wer sich da schon mal ein Vorderrad abgerissen hat, fährt nie wieder mit meterhoch spritzenden Schlammfontänen und Heidewitzka in eine unbekannte Tiefe. Aber David hat gesagt: "Zweiter Gang voll."

Scheibenbremse verzögert mit klarem Druckpunkt erfreulich kräftig

Der stoische Engländer ist auf dem Kopilotensitz fest verzurrt, steht im Dienst von Land Rover, kennt das Gelände wie seine Westentasche und soll durch seine pure Gegenwart die Testfahrer daran hindern, den hübschen Defender vorzeitig in das Unterholz neben dem Offroad-Track zu feuern. Dazu gibt er gut gemeinte Ratschläge zur Wahl des geeigneten Gangs, zu Bremspunkten, Gegenlenkwinkeln und der Position des Gaspedals. Für letzteres ist die Auswahl an Kommandos beschränkt. David empfiehlt meistens "voll".

Der Antrieb von Vorder- und Hinterachse ist kurz übersetzt. Trotz der Kraftverteilung von 50:50 zeigt der Land Rover Rallye-Defender schon beim Gaswegnehmen vor einer Lehm-und-Schotter-Kurve eine unübersehbare Tendenz, mit dem Heck auszubrechen. Doch mit der ziemlich direkt übersetzten Lenkung lässt sich das Auskeilen manierlich parieren. Gegenlenken, und bloß nicht auf die Bremse. Alle vier Antriebsräder auf Zug halten, auch im schlammigen Gras neben der Strecke. Glatt ist die wie Schmierseife, und wenn die Bäume von der Seite her direkt auf das Auto zuzumarschieren scheinen, bloß nicht auf die Bremse. "Bleib auf dem Gas", sagt David, "und am besten voll, denn dann macht das am meisten Spaß."

Der Land Rover Defender tänzelt mit vier nach Kräften durchdrehenden Rädern immer noch seitlich auf das Gehölz hinter der Grasnarbe zu, aber langsam wird der Winkel flacher, und knapp vor dem ersten dicken Ast schnürt er parallel zu den Baumreihen wieder in Richtung festes Geläuf. David wirkt vergnügt. "In der nächsten Runde", lässt er mich wissen, "probieren wir das mal im vierten Gang." Ich winke dankend ab, froh, nach dem kleinen ungewollten Ausritt wieder zurück auf dem Handlingskurs zu sein. Im Gelände geht ungeübten Offroad-Artisten das Talent oft schneller aus als gedacht.

Der Land Rover Defender im Trimm des Bowler-Motorsport-Teams benimmt sich glücklicherweise nicht kapriziös, sondern kreuzbrav. Das Sechsganggetriebe ist mit dem gelochten, knochigen Knüppel exakt und auf kurzem Weg zu schalten. Die Scheibenbremse verzögert mit klarem Druckpunkt erfreulich kräftig – das heißt, sobald die Reifen den glitschigen, klebrigen Ton-schlamm aus den Kanälen zwischen den Stollen wieder abgeschleudert haben und sich kein Gleitmittel mehr zwischen Gummi und Asphaltdecke befindet. Wer direkt aus dem Testparcours auf die normale Straße wechselt und nach ein paar Metern plötzlich bremsen muss, erlebt nicht selten das Gefühl, plötzlich Hauptperson zu sein in einer Revue namens Holiday on Ice.

Land-Rover-Schule für Dakar

Der Brite Drew Bowler, 50, Chef eines Motorsport-Teams mit 13 Mitarbeitern, ist bis vor ein paar Jahren selbst noch Langstrecken-Rallyes – etwa im Nahen Osten – gefahren. "Das Interesse an den langen Offroad-Veranstaltungen nimmt in England und auch auf dem Kontinent stetig zu", erläutert er. "Und jeder Rallye-Liebhaber träumt davon, mindestens einmal im Leben die berühmte Rallye Dakar zu fahren. Doch dafür muss man trainieren können, und genau das bieten wir an mit der Land Rover Defender Challenge."

Diese 2014 in Großbritannien neu eingeführte Serie bildet sozusagen eine eigene Klasse im Feld der Starter bei nationalen Rallyes. Für etwa 50.000 Pfund ohne Mehrwertsteuer gibt es einen fabrikneuen Land Rover Defender 90, der vom Bowler-Team zu einem erfolgversprechenden Rallye-Auto umgebaut wurde. Zu den Modifikationen des in Deutschland brutto rund 72.000 Euro teuren Sportgeräts gehören etwa ein leicht getunter Motor mit 172 PS und 450 Newtonmetern Drehmoment, ein solider Überrollkäfig, Feuerlöschanlage, Schalensitze, Tripmaster und das übrige Equipment – von speziellen, erleichterten 18-Zoll-Felgen bis zu den obligatorischen Abschleppösen.

Die Land Rover Geländewagen bleiben für die Straße zugelassen; theoretisch könnte der Motorsportler damit auf Achse zur Rallye fahren, den Wettbewerb absolvieren und dann wieder nach Hause rollen, vorausgesetzt, es ist alles heil geblieben. Exklusiv über das Bowler-Team ausgeliefert und von ihm gewartet, kommen für den Einsatz jedes Defender in der Challenge noch einmal bis zu 15.000 Pfund hinzu. Geht etwas kaputt, addieren sich die Reparaturkosten.

Das Ende einer Legende

Land Rover will die Challenge so lange unterstützen, wie es den knorrigen Geländegänger noch gibt. Ende 2015 soll die normale Serienproduktion des Defender nach 67 Jahren auslaufen; doch der Nachfolger wird erst ein Jahr später präsentiert. Im Jahr 2016 will Land Rover alle noch bei Händlern und in Depots vorhandenen Defender verkaufen und so der vermutlich sinkenden Nachfrage gerecht werden.

Bis dahin werden pro Jahr bei Bowler mindestens 15 neue Hardtop-Versionen der Serie 90 im Rallye-Trimm aufgebaut. Für Bowler sind diese Challenge-Autos ideale Trainingsgeräte für die höheren Weihen des Sports: "Zu einem wirklich akzeptablen Preis bekommen Einsteiger hier nicht nur ein wettbewerbsfähiges Auto für Langstrecken-Rallyes, sondern dazu noch eine Lizenz, Trainingsmöglichkeiten, die ganze technische Weiterentwicklung und – last but not least – Wettbewerbserfahrung."

Haben die Rallye-Novizen in England erst mal ein bisschen Erfahrung gesammelt, bietet Bowler seinen Schützlingen auch die Möglichkeit, sich international zu profilieren, etwa auf Langstrecken-Rallyes im Nahen Osten. Die Wettbewerbe im Wüstensand kommen dem Ideal schon nahe. "Mit dieser Erfahrung", ist sich Bowler sicher, "steigen die Chancen bei der Dakar."

Land Rover Einsteiger-Training für Rallye-Novizen

Die Defender-Challenge umfasst sieben nationale Rallyes (Mid Wales Stages, Somerset Stages, Dukeries Rally, Welsh Hill Rally, Woodpecker Stages Rally, Sunseeker Rally und Scottish Hill Rally) und ist für maximal 15 technisch identische Land Rover Defender 90 ausgeschrieben. Die Allradler sind nach den Regeln des britischen Motorsportverbands MSA homologiert und weisen u. a. Überrollschutz, Feuerlöschsystem sowie ein Bowler-Rally-Fahrwerk auf. Ein Auto kostet netto 50.000 Pfund, die laufenden Kosten pro Saison werden auf 15.000 Pfund geschätzt.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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