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Kurvenspaß in den Alpen
20 Pässe in 20 Stunden

Wer Fahrspaß pur sucht, findet ihn nicht auf der Autobahn, sondern eher auf verschlungenen Wegen. Die Alpen erscheinen da für Kurven-Süchtige wie das Paradies. René Olma erfuhr in 20 Stunden 20 Schweizer Pässe im Ford Fiesta ST. Nachahmer seien gewarnt: Es drohen Schwindelgefühle.

Passstraßen, René Olma, Kurvenfahrt
Foto: Dino Eisele

Wie sich die Zeiten doch ändern: Einst waren Bergpässe nur lästige Hindernisse. Möglichst einfach sollten Gebirge überwunden werden, um Personen und Güter auf die andere Seite der Felsmassive zu bringen. Heute bieten Autobahntrassen und Zugverbindungen komfortablere Transit-Routen, nicht selten per Tunnel durch den Fels. Befreit von der Last, nur ein Verkehrsweg zu sein, sind viele Pässe nun Lustzonen für Reisende, denen es nicht kurvig und steil genug sein kann – so wie uns Zugegeben: Ein Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen verheißt zunächst mal wenig Fahrspaß. Doch wer so denkt, verkennt den Charakter einer Pässetour. Im wilden Geschlängel bleibt nämlich wenig Zeit, lange auf dem Gas zu bleiben. Was hier zählt, ist eine gute Straßenlage. Der Ford Fiesta ST kann damit ebenso dienen wie mit kräftigen 182 PS, die sein Ecoboost-Vierzylinder entwickelt. Damit kann man nach einer Kehre wieder Tempo aufbauen – selbstverständlich nur im Rahmen des eidgenössischen Limits. Unser Plan: Wir wollen 20 Schweizer Pässe in 20 Stunden erfahren. 

Pässe sind mehr als schnöde Verkehrswege

Hinter Chur beginnt die Tour mit sanften Bergstraßen, doch der erste Pass lässt nicht lange auf sich warten. Oberhalb der Baumgrenze strebt die Straße ohne allzu viele Biegungen der Passhöhe des Flüela entgegen. Kurvenfans mögen da nörgeln, doch bei 20 Pässen muss ja noch eine Steigerung möglich sein. Gelangweilt blicken vom Straßenrand Kühe auf den Ford. Elektrozäune hindern sie an Ausflügen auf den Asphalt. Vor dem Passschild warten Reisende geduldig wie Milchvieh an der Melkmaschine auf ihre Chance für ein Beweisfoto. Es dürfte wenige Straßenschilder geben, die so oft geknipst werden. Im Hospiz kann man sich für die Weiterreise stärken oder an Ständen Schweizer Spezialitäten erwerben. Wir verzichten und steuern den Bernina an.

Auch wenn über die Route schon seit Jahrtausenden Menschen vom Schweizer Engadin ins italienische Veltlin reisen, stand der Bernina stets im Schatten der Nachbarn Maloja- und Ofenpass. Auch wir strafen ihn mit Missachtung, machen auf der Passhöhe kehrt und nähern uns dem westlich gelegenen Albula. Die Auffahrt ist nichts für Menschen mit schwachem Augenmaß. Auf den ersten Metern geht es so eng zu, dass Fahrzeugen über 2,30 Meter Breite die Durchfahrt verboten ist. Über mehrere Kehren schraubt sich die Straße rasch in die Höhe. Dann führt sie mehr oder weniger gerade durch eine Hochebene und über eine Brücke über den gleichnamigen, heute wasserarmen See. Im Winter gilt hier wie auf den meisten anderen Pässen ein Fahrverbot, allerdings mit Ausnahmen: Ein sechs Kilometer langer Abschnitt an der Nordseite zwischen den Orten Preda und Bergün mutiert dann zu einer Schlittenbahn. Bis zu 20 Minuten dauert die Abfahrt über rund 400 Höhenmeter.

Abstecher nach Italien

Auf einer schon von den Römern genutzten Route geht es nach Süden zum Julier. Die breite geschwungene Nordrampe erlaubt dem sportlichen Fiesta angesichts des geringen Verkehrsaufkommens ein wenig artgerechten Auslauf. Zügig erreichen wir die Passhöhe mit dem Marmora-Stausee. An der Südseite hat man den Eindruck, Obelix habe hier in antiker Zeit ein Zwischenlager für Hinkelsteine angelegt. Doch weit gefehlt: Die Felsblöcke wurden erst Ende der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts als Panzersperren aufgerichtet. Etwa fünf Meter oberhalb des Passes erkennt man im Fels Kavernen, in denen einst Geschütze und Maschinengewehre dem Wunsch des Bergvolkes nach Neutralität Nachdruck verleihen sollten.

Die Abfahrt verläuft unspektakulär, doch schon der wenig später folgende Maloja-Pass lässt keine Entzugserscheinungen aufkommen. In wilden Schwüngen schlängelt sich die Straße ins Tal. Bei Castasegna überschreiten wir die italienische Grenze.

Besonderes Gras am Splügen

Nur eine Stippvisite, denn schon wenige Kilometer später biegen wir in Chiavenna wieder rechts ab nach Norden Richtung Splügen, zurück in die Schweiz. Dessen Südseite hat es in sich, denn angesichts der sehr engen Kehren ist vorausschauendes Fahren angesagt. Selbst mit dem kleinen Fiesta braucht man in den Kurven die ganze Breite der Straße. Kaum vorstellbar, dass hier Anfang des 19. Jahrhunderts aus Pfaden eine bedeutende Handelsroute wurde.

Am Berghaus kurz hinter der Passhöhe hält Hans Grass Ausschau nach seinem Vieh. Drei Sommermonate verbringe er als Hirte in den Bergen, erzählt der 75-Jährige. Er kümmert sich hier oben um 48 Rinder und 45 Kälber, und das schon seit 29 Jahren. "Das Leben auf der Alpe bringt einige Lebensjahre", grinst er, "ich bin immer gesund geblieben." Auch den Tieren bekommt das Grün auf den Weiden: "Hier wächst spezielles Gras, das für schmackhaften Käse sorgt."

Der nächste Tag beginnt wie im Bilderbuch. Die Sonne scheint, am Himmel ist keine Wolke zu sehen. Jetzt ist einer der bekanntesten Alpenpässe dran, der San Bernardino. Quasi ein Pensionär, seit das Gros des Verkehrs tief unter ihm durch den Tunnel rauscht. Umso besser für uns, denn das garantiert eine leere Straße. Durch eine mit dicken Felsbrocken gespickte hochalpine Landschaft schlängelt sich das Asphaltband über den Berg vom deutsch- in den italienischsprachigen Teil des Landes.Dann steht eine echte Geduldsprobe an: Der Weg zur nächsten Berg- und Talbahn zieht sich fast zwei Stunden hin, und der Lukmanier entschädigt kaum für die lange Anfahrt. Der 1.920 Meter hohe Übergang ist kehrenarm. Erst beim Oberalp ändert sich das. Dafür passt hier oft nur ein Auto auf die Straße. Bei Gegenverkehr muss man nach Ausweichbuchten suchen. Das gelingt nicht jedem: Kurz vor der Passhöhe haben sich eine Mercedes M-Klasse und ein Reisebus nicht einigen können. Es dauert eine Weile, bis sich der Verkehr an den Unfallautos vorbeiquetschen kann.

Fahren im Kurvenrausch

Obwohl der folgende Susten bereits der zehnte Pass unserer Tour ist, raubt er den Atem. An der rechten Flanke eines breiten Tals kurvt der Fiesta durch eine Hochgebirgswelt wie aus dem Werbeprospekt, auf seiner Westseite garniert mit dem Stein-Gletscher. Noch berauscht von den Eindrücken hasten wir weiter zum Grimsel, der sich alle Mühe gibt, die eben aufgenommenen Eindrücke zu verdrängen. Beim Blick vom Hospiz auf den fjordartigen Stausee glaubt man sich nach Norwegen versetzt. Kurz darauf die erste Begegnung mit einem Murmeltier, das jedoch angeödet aus einem Gehege neben dem Hospiz lugt.

Die Hoffnung, bei der Talfahrt den majestätischen Rhonegletscher bewundern zu können, wird enttäuscht: Der Eisriese entzieht sich weitgehend dem Blick. Viel seiner einstigen Pracht ist dahingeschmolzen. Und für einen Trip direkt an den Gletscher fehlt die Zeit.

Historische Bergrennstrecke

Die in eine malerische Welt aus Wiesen und Wäldern gebetteten Pässe Jaun, Gurnigel, Brüning und Glaubenbielen haben es jetzt schwer zu begeistern, erst am Klausen kommt das Blut wieder in Wallung. Direkt an der meist ungesicherten Kante der Steilwand entlang wedelt der Ford auf historischem Boden. Einst wurde hier bei Bergrennen um den Sieg gekämpft. Noch heute treffen sich in unregelmäßigen Abständen klassische Rennwagen zum Sturm auf die Passhöhe, wenn auch mit geruhsamerem Tempo als einst. Unsere Tour läuft nun gemächlich aus. Ricken und Wasserfluh sind kaum als Pässe wahrnehmbar. Am Schwägalp-Pass scheinen sich die meisten Besucher vor allem für die Seilbahn auf den Gipfel des Säntis zu interessieren. Massen von Reisebussen spucken auf dem Parkplatz Besuchergruppen aus.

Dann endet die Reise schließlich auf dem Sankt Luzisteig, der nur 713 Meter hoch liegt, inmitten einer alten Festung. Zeit zur Heimfahrt. Oder doch nicht? Bis zum Flüela wäre es nur eine Stunde Fahrt. 

Ford Fiesta ST als Alpenstürmer

Klein und wendig: Der Ford Fiesta ST kann bei einer Pässetour sein Potenzial ausschöpfen. Das straffe Fahrwerk und die direkte Lenkung erlauben zügige Gangart in Kurven, der durchzugstarke 1,6-Liter-Turbo-Vierzylinder garantiert in Kombination mit dem exakt arbeitenden Sechsganggetriebe heftige Zwischenspurts. Und mit einem Preis von 20.000 Euro ist er zudem erschwinglich.

Da die Bergstrecken bei Urlaubern sehr beliebt sind, muss gerade bei den berühmtesten Vertretern wie Susten oder Grimsel in den Ferien und am Wochenende mit reichlich Verkehr gerechnet werden. Beim Überholen von langsamen Wohnmobilen oder Fahrradfahrern ist erhöhte Vorsicht angebracht, da viele Abschnitte schlecht einsehbar sind. Das Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen in der Schweiz sollte man peinlich genau beachten: Die Bußgelder sind deutlich höher als in Deutschland.

Mindestens drei Tage Zeit sollte man für die beschriebene Tour einplanen. Als Unterkünfte zu empfehlen sind das Romantik Hotel Stern in Chur (www.stern-chur.ch). Das 300 Jahre alte Hotel im Ortszentrum bietet gemütliche Zimmer und im Restaurant Bündner Spezialitäten. Das 1722 errichtete Hotel Bodenhaus in Splügen (www.hotel-bodenhaus.ch) diente einst als Unterkunft für Fuhrleute. Modernes Ambiente verströmt das Hotel Rischli in Sörenberg (www.hotel-rischli.ch). Ein Highlight sind die Wellness-Programme.

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