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Honeckers Dienstwagen
Die Extravaganz des Vorsitzenden

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Erich Honecker, Staatsratsvorsitzende der DDR, war kein Charismatiker. Dennoch war er voll des Lobes über seine luxuriösen Citroën -Limousinen, die stets von gestretchten Volvo begleitet wurden. Wir machten uns in zwei dieser Staatskarossen auf Spurensuche.

Citroën CX Prestige, Volvo 760 GLE, Front
Foto: Werner Popp

Es war wohl, wie es auch heute ist: Geht es ums große Geschäft, sind Geschenke – kleine oder große – hilfreich. So wirken die zwei CX Prestige, die Citroën-Generaldirektor Raymond Ravenel der DDR-Staatsführung – konkret: Erich Honecker und Günter Mittag – Mitte Juli 1978 schenkte, nur so lange wie eine unschuldige Gabe, bis der 8. Juli 1978 in den Blick gerät. An diesem Tag hatten der französische Autohersteller und die DDR ihr bis dahin größtes Joint-Venture unterzeichnet. Es ging um ein Gelenkwellenwerk in Mosel. Kaum drei Wochen später bedankte sich Honecker bei den großzügigen Geschäftspartnern für dieses "Spitzenerzeugnis der französischen Industrie".

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Citroën CX war auch repräsentativ

Der Staatsratsvorsitzende, darf man vermuten, war angefixt, weil angetan vom wiegenden Komfort des hydropneumatisch gefederten CX, der in Prestige-Ausführung sogar noch 25 Zentimeter mehr Radstand aufwies und dadurch ein wahrlich – hätte Honecker dieses Wort gebilligt? – fürstliches Platzangebot. Nein, dieses elegante Auto hatte so gar nichts gemein mit den ungeschlachten ZIL-Limousinen oder den starrachsigen Volvo 264 TE ("Top Executive"), die die DDR-Staatsführung wie andere Kunden bei Bertone in Turin mit um 70 Zentimeter gestrecktem Radstand erworben hatte. Der flache, futuristische Franzose verlieh repräsentativen Auftritten oder auch nur der Eilfahrt von Berlin ins lauschige Wandlitz eine ganz neue Qualität.

Den Volvo 264 löste 1982 der Volvo 760 ab. Und da Bertone nicht mehr stretchte, bestellte die DDR-Führung ihre langen 760 GLE 2.7 V6 Automatik von da an in Schweden bei dem renommierten Karosseriebauer Nilsson in Langholm. Offenbar hatte Honecker aber tatsächlich großen Gefallen an den französischen Limousinen gefunden, was nach einer Probefahrt in dem großen Volvo verständlich erscheint. Das Raumgefühl ist natürlich gigantisch und wegen der höheren, kantigeren Form sitzt es sich auch kommoder auf der plüschigen Fondbank, der drei unwürdige Klappstühlchen für subalterne Begleiter visàvis gegenüber liegen. Doch die Hinterräder teilen eben so manchen derben Knuff aus, wenn die Straße nicht wirklich eben ist. Und welche Straße der DDR war das schon Mitte der 1980er Jahre, abgesehen mal von den Prachtalleen der Hauptstadt?

Zudem war Länge ja auch eine Sache der Ehre. Der fast fünf Meter messende CX Prestige sähe ja doch ein wenig dürr aus neben einem Mercedes 600, wie ihn der westdeutsche Klassenfeind bei offiziellen Anlässen neben den vielen S-Klassen der Baureihe 126 auffahren konnte.

Überlange CX blieben im Zoll stecken

Also ließ Honecker, so erzählt es der Eigner der hier gezeigten DDR-Staatslimousinen, Gerrit Crummenerl, Mitte der 1980er Jahre bei Nilsson zwei auf 5,50 Meter verlängerte CX bestellen. Sie sollten den an Citroën reichen Fuhrpark der Staatsspitze komplettieren. Doch es muss etwas schief gegangen sein. Die Auslieferung der XXL-CX verzögerte sich, wohl wegen Zoll-Streitigkeiten, die erst nach Jahren geklärt werden konnten. Das wird Honecker verärgert haben. Denn so musste er, als er im September 1987 als erstes DDR-Staatsoberhaupt der Bundesrepublik einen Besuch abstattete, am Flughafen Köln-Bonn in den langen Mercedes 600 steigen.

Sein 136 PS starker CX 25 hätte da einen perfekten Auftritt haben können, doch der hing ja bis 1989 in Schweden fest. Dann war er nur kurz im Einsatz, denn das Volk schaffte ja bald die Mauer und die DDR gleich mit ab. Nur 7.000 Kilometer lief dieses mit Klimaanlage, zusätzlicher Respekts-Fanfare, abnehmbarem Blaulicht, einer zweiten Fondsitzreihe und auffallend vielen Aschenbechern ausgestattete Fahrzeug, ehe es in Ruhestand gehen durfte. Der Gast-Passagier plumpst in daunenweiches Velours, die Beine strecken sich automatisch, und das sündteure Cassettenradio RFT Greifenstein, ein Lizenzbau des Blaupunkt Heilbronn, wirft Fragen auf. Was weiß man über Honeckers Musikgeschmack? Welche Musik hörte er im Auto, falls er welche hörte?

Schon vor seiner Wahl zum Staatsratsvorsitzenden im Jahr 1976 hatte er die Musiklandschaft liberalisiert, DDR-Rock sogar gefördert. Westlichem Beat aber stand der biedere Mann skeptisch gegenüber, denn (O-Ton) "der schädliche Einfluss solcher Musik auf das Denken und Handeln der Jugendlichen wurde grob unterschätzt".

Umweht der Hauch der Geschichte dich hinten rechts, wohin Honecker erst bei Einfahrt in die Stadt aus einer gepanzerten Limousine wechselte, da deren dicke, starr montierte Seitenscheiben das volksnahe Winken nicht zuließen? Ganz ehrlich? Nein. Dieser CX wirkt unschuldig wie ein gepflegtes, wenig genutztes altes Auto. Er lässt sich mit Chauffeur und Standarten mieten, für Hochzeiten etwa. Ein sehr guter Verwendungszweck.

Der Westen fuhr Mercedes

Während sich die DDR-Führung mangels Alternativen in Importlimousinen zeigte, fuhr die BRD-Spitze über Jahrzehnte nur Mercedes S-Klasse. Konrad Adenauer begründete diese Tradition mit dem später nach ihm benannten 300 W 186/189. Willy Brandt nutzte die Baureihe W 108, Helmut Schmidt den W 116 und W 126  – gepanzert und mit schusssicheren Reifen versehen. In dem ließ sich auch Helmut Kohl fahren, später im wuchtigen W 140. Bei Staatsbesuchen kamen meist von Mercedes gestellte 600er W 100 (Bauzeit von 1964 bis 1981) zum Einsatz.

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