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M-Chef Nitschke im Interview
"Der Saugmotor ist noch nicht tot"

Friedrich Nitschke, Geschäftsführer der M GmbH, gewährt Einblicke in die Unternehmens-Zukunft - und erklärt, welches Modell der letzten 40 Jahre er gerne entwickelt hätte.

Friedrich Nitschke, Portrait
Foto: Archiv
40 Jahre BMW M GmbH: Was sind Ihrer Meinung nach die Meilensteine dieser beeindruckenden Geschichte?

Nitschke: Auf jeden Fall unser erstes und bisher einziges eigenständiges Automobil, der M1. Mittlerweile haben wir fünf Generationen M5 und vier Generationen M3. Bereits in den siebziger Jahren haben wir mit dem 3.0 CSL unsere Kompetenz beim Leichtbau unter Beweis gestellt. Das Thema zieht sich durch die gesamte Geschichte M GmbH bis heute. Natürlich zählt auch der Vierzylinder-Turbomotor dazu, mit dem Nelson Piquet Formel 1-Weltmeister wurde.

Unsere Highlights
Auf welchen wirtschaftlichen Säulen ruht die M GmbH heute?

Nitschke: In erster Linie natürlich auf den M- und künftig auch auf den M Performance-Automobilen. Dazu kommen noch die Individualisierung, die M-Pakete, das Fahrertraining sowie die Sicherheitsfahrzeuge.

Können Sie das bitte in einige konkrete Zahlen fassen?

Nitschke: Für unsere Automobile haben sich 2010 rund 16.000, im vergangenen Jahr rund 19.000 Kunden entschieden. In diesem Jahr bin ich recht zuversichtlich, dass wir die 20.000-Hürde reißen werden - ohne die Performance-Fahrzeuge. Dafür kann ich derzeit keine konkreten Zahlen nennen, doch unsere Erwartungen wurden bisher übertroffen. Ebenso erfolgreich sind unsere Sportpakete, denn derzeit rüsten wir jedes siebte BMW-Fahrzeug damit aus. Darüber hinaus werden deutlich über 100.000 Fahrzeuge mit unserem Individual-Programm personalisiert. Die Angebote des Fahrertrainings nehmen rund 16.000 Interessierte pro Jahr wahr, die Hälfte davon fährt keinen BMW. Die Sicherheitsfahrzeuge, aufbauend vor allem auf dem 7er mit Hochsicherheitsausstattung und dem X5 mit leichterer Panzerung, sind dagegen eher ein taktisches Geschäftsfeld.

Womit erzielen Sie aktuell die attraktivsten Margen?

Nitschke: Absolut gesehen, sind das natürlich die Komplett-Fahrzeuge. Relativ betrachtet machen uns aber auch die Einzelkomponenten viel Freude.

Die Basisfahrzeuge, auf denen M- und M Performance-Modelle aufbauen, sind zum Teil deutlich schwerer als die der Wettbewerber. Wie oft müssen Sie noch darum bitten, Ihre Produkte endlich auf Basis leichterer Serienfahrzeuge entwickeln zu können?

Nitschke: Prinzipiell müssen wir mit der Basis leben. Bei M5 und M6 ist es uns immerhin gelungen, nicht schwerer zu werden als das Topmodell der AG, was in Anbetracht der mit der höheren Leistung verbundenen, oft schwereren Komponenten wie Fahrwerk und Getriebe durchaus bemerkenswert ist. Unser M3 ist ohnehin eher ein Leichtgewicht. Obwohl wir unsere Autos weltweit anbieten und somit allen Anforderungen gerecht werden, bin ich zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren die Gewichtsspirale umkehren können. Dazu trägt sicherlich die Kompetenz beim Werkstoff Carbon bei, die sich das Unternehmen in den letzten Jahren erarbeitet hat und stetig weiter ausbaut. Dabei hat die M GmbH doch nur einen begrenzten Handlungsspielraum.

Erkennen Sie solche Tendenzen auch bei BMW selbst?

Nitschke: Selbstverständlich. Die Gewichtszunahme der letzten Jahre begründet sich vor allem durch die weltweiten Sicherheitsanforderungen. Und nun arbeiten alle Hersteller daran, Gewicht zu reduzieren und dabei weiterhin allen Normen zu entsprechen. Dabei haben wir etwas mehr Freiheiten als die Kollegen der Serienfertigung, zumal unsere Kunden bereit sind, für dieses Mehr an Performance auch zu bezahlen.

Mit welchen Technologien neben dem Leichtbau muss die M GmbH künftig Akzente setzen?

Nitschke: Wir entwickeln natürlich unsere Antriebstechnologien kontinuierlich weiter. Mit dem V8 Biturbo haben wir gezeigt, dass sich die Vorteile eines aufgeladenen Triebwerks wie beispielsweise das hohe Drehmoment mit der Spontaneität und Drehfreude eines Saugers kombinieren lassen. Daher arbeiten wir an dieser Technologie intensiv weiter, und ich erwarte einen großen Sprung bei Effizienz und Ansprechverhalten. Zudem stellt sich natürlich die Frage, inwieweit wir den Antriebsstrang elektrifizieren können. Hier arbeiten wir eng mit den Kollegen von BMW i zusammen. Eines ist jedoch sicher: Eine Voll-Elektrifizierung wird es bei uns nicht geben, denn die für die Performance nötigen Komponenten wären schlicht zu schwer.

Aber ein M-Hybrid-Modell wäre möglich?

Nitschke: Das möchte ich nicht ausschließen, in den nächsten Jahren wird es das bei uns allerdings noch nicht zu kaufen geben.

Zählt – wie für BMW – der Saugmotor auch bei der M GmbH bereits zum Alteisen?

Nitschke: Bei der Fahrzeugentwicklung steht nicht von vornherein fest, ob das Modell einen Turbo- oder Saugmotor bekommt. So haben wir beispielsweise auch den V10-Sauger nochmals im Hubraum vergrößert und uns angesehen, was wir bei Leistung und Effizienz noch herausholen können. Am Ende erwies sich der Biturbo jedoch als das bessere Konzept. Und wenn wir den V8 des aktuellen M3 ablösen, dann müsste der Nachfolgemotor deutlich besser sein. Der Saugmotor ist allein aufgrund des Motorsport-Engagements noch nicht tot, doch die Fortschritte bei der Aufladung hinsichtlich des Wirkungsgrads sind beträchtlich. Derzeit spricht einfach viel für den Turbo.

Schicken Sie mit dem BMW 1er M Coupé bei den M-Modellen auch den Reihensechser in Rente?

Nitschke: Bei den Performance-Modellen sicher nicht, denn dort setzen wir derzeit ausschließlich Reihensechszylinder-Triebwerke ein. Für die Kernmodelle würde ich diese Bauweise ebenfalls nicht ausschließen, denn schließlich haben wir damit eine Ikone im Programm. Jedenfalls halte ich einen Reihensechszylinder für wahrscheinlicher als ein V6-Aggregat.

Was hält Sie derzeit davon ab, neben dem Dreiliter-Diesel auch einen Benziner dreifach aufzuladen?

Nitschke: Derzeit gelingt es noch, unsere Leistungsanforderungen mit zwei Ladern zu realisieren. Sollten wir dabei jedoch an Grenzen stoßen, wäre das eine Möglichkeit – so wie wir es eben auch beim Diesel getan haben. Beim Benziner sehen wir die Notwendigkeit noch nicht, beim BMW M135i kommen wir sogar mit nur einem Turbo aus. In jedem Fall wollen wir nicht über drei Liter Hubraum hinaus.

Müssen künftige M-Modelle überhaupt stärker werden?

Nitschke: Nicht notwendigerweise. Wenn es uns gelingt, die Fahrzeuge leichter zu konstruieren – wovon ich ausgehe –, können Sie beispielsweise beim M3 mit einer dem aktuellen Modell vergleichbaren Leistung deutlich bessere Fahrleistungen erzielen. Viel wichtiger ist es, die Kraft optimal auf die Straße zu bringen. Wir müssen nicht zehn PS mehr in ein Fahrzeug packen, nur weil es die Konkurrenz macht.

Stichwort M3: Inwiefern nützt der DTM-Einsatz aktuellen und künftigen Produkten?

Nitschke: Bei der Aerodynamik ergeben sich durchaus Synergien und eingeschränkt auch bei Fahrwerk und Reifen. Unsere Ingenieure tauschen sich beispielsweise darüber aus, wie Luftströme durch und um das Fahrzeug herum geführt werden können.

Weshalb zögert BMW so lange mit einem Supersportwagen?

Nitschke: Wir untersuchen dieses Segment derzeit besonders intensiv und überlegen, wie ein entsprechendes Fahrzeug von uns aussehen müsste. Eine Entscheidung dazu gibt es allerdings nicht.

Für welches M-Modell der letzten 40 Jahre wären Sie gerne verantwortlich gewesen?

Nitschke: Der M3 CSL E46 gilt für mich bei Handling und Feinfühligkeit als Benchmark. Ich wäre sicher stolz, für dieses Fahrzeug verantwortlich gewesen zu sein.

Und für welches M-Modell der Zukunft wären Sie gerne verantwortlich?

Nitschke: Für den neuen M3, denn dafür bin ich voll verantwortlich. Und ich hoffe, dass ich später stolz darauf sein kann. Es wird ein hervorragendes Auto und sicher leichter als das aktuelle Modell.

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