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Flugplatzblasen Aalen/Elchingen
Schwäbische Drag-Race-Action

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Seit 13 Jahren treffen sich die Vollgastreter auf einem schwäbischen Sportflugplatz zum Speed-Duell. An der Spitze des vielfältigen Starterfelds: Autos mit über 1.000 PS.

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Foto: Achim Hartmann

Trockeneis wabert über den Vorstart, ein Ami-V8 hämmert mit Höchstdrehzahl aufs Trommelfell ein, beim Burnout löst sich Reifengummi in beißendem Qualm auf, Männer mit stoischer Miene und Kopfhörern auf den Ohren geben Handzeichen. Getunte Kompakte duellieren sich mit hubraumstarken Muscle-Cars. Und der Christbaum blinkt. Wo bitte schön sind wir hier?

Auf einem Sportflugplatz in der Nähe von Aalen. Hier trifft sich die Viertelmeilenszene zum Infight. Zelebriert wird die Beschleunigung. Flugplatzblasen in Elchingen, immer geradeaus, einfach Vollgas. Die äußeren Bedingungen: eher schlecht, Nebel, sechs Grad, feuchte Bahn. "Der Grip is scheiße", sagt Benz-Fahrer Tom Zellner in feinstem niederbayerischen Dialekt. Trotzdem ist die Fahrzeugschlange mittlerweile richtig lange. "220 Teilnehmer haben gemeldet, 190 sind da. Das sind 30 mehr als im letzten Jahr. Aber da hatten wir Sonne und über 20 Grad", wundert sich Veranstalter Oliver Harsch, der das Flugplatzblasen seit 13 Jahren ausrichtet. Immerhin kommen über 4.000 Zuschauer zum Event auf die Ostalb. 2014 waren es knapp 7.000. Tja, das Wetter.

Flat-Rate-Heizen für 50 Euro

Die dick eingepackten Zuschauer können sich nicht so recht zwischen Red Bull (cool, aber zu kalt) und Kaffee (uncool, aber wärmt) entscheiden. Pommes Schranke mit Glühwein geht immer. Fabi, mit seiner Clique aus dem Münchener Raum im 3er BMW angereist: "Voll geil hier! Du kommst für nur zehn Euro richtig nah ran an die Karren!" Freundin Jessi: "Super spannend, die gehen so richtig ab! Nächstes Jahr will Fabi mit seinem GTI mitfahren!" Für 50 Euro Startgeld darf jeder so oft Gas geben, wie er will – oder wie die Technik mitmacht. Ein Reglement gibt’s nicht, ob mit oder ohne Straßenzulassung, ist egal. Die einzige Vorschrift lautet: Helm- und Gurtpflicht für den Fahrer.

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Achim Hartmann
190 Teilnehmer kommen zum Vollgas-Event. Das Starterfeld: Bunt gemischt.

Die Vielfalt auf der 402,34 Meter langen Quartermile ist enorm: 4-, 5-, 6-, 8- oder 10-Zylinder, Sauger, Turbos, Kompressormotoren. Altes Blech, Japan-Sportwagen, Youngtimer, neue Premium-Sportler, es röhrt, pfeift und sprotzelt an allen Ecken und Enden. Gut 30 Starter geben PS-Zahlen von über 800 an. Genug Gründe für viel Adrenalin, ob bei Fahrern oder Zuschauern: Gerade bügelt ein Kadett D einen 325i E36, und zwar deutlich.

Hot-Rod gegen Supersportler

Das Duell Tesla Model S gegen BMW M4 geht klar zugunsten des lautlosen Revoluzzers aus. Ein VW Käfer muss sich einem Ferrari 458 beugen – aber nicht beim Sound, da brüllt der getunte Boxer den V8 klar nieder. Jetzt donnert ein Ford Five Window Coupé von 1934 zum Vorstart. Der Lack ist ab, Rost ziert die Karosse. "Schau an, die Schrottkischt", so der Vater schwäbelnd zum Sohn, unwissend, dass Besitzer Josef Pfanzelt 750 PS aus dem frei liegenden Kompressor-V8 quetscht. Die Startbahn in Elchingen ist normalerweise für Cessnas und Ultraleichtflugzeuge reserviert, aber einmal im Jahr vermietet der Luftsportverein seinen Flugplatz. Aus dem fernen Holland stammt die Zeitnahmetruppe, die auch die Startampel im Gepäck hat. "Die heißt in der Szene Christbaum", grinst Veranstalter Oliver Harsch.

Die PS-Fans kommen aus ganz Deutschland, aus Österreich, der Schweiz, aus Liechtenstein. Auch Vorjahressieger Boba Kettler hat sich mit seinem Golf 1 per Trailer von Paderborn auf die Ostalb gemacht. Letztes Jahr brannte er eine 8,50 auf die Startbahn. Streckenrekord, 1.300 Euro Preisgeld. "Das schaffe ich heute nicht, zu feucht", so Kettler, der seinen 1.150 PS starken Turbo-Golf gar nicht an den Start bringt. Aber ein Blick unter die Haube ist gestattet. Hoppla, der Zweiliter-16V-Vierzylinder ist ja längs eingebaut. "Ich habe auf Quattro-Technik umgebaut, der 4Motion-Allrad war ausgereizt."

Über 1.000 PS im VW Golf

Also schaut er den Konkurrenten zu, zum Beispiel Daniel Kakoschke. Dessen Golf 2 leistet 1.085 PS. "Die Basis ist ein 2,9-Liter-VR6, also der Zweiventiler mit 190 PS aus dem Golf 3", lächelt der 29-jährige Leverkusener, der den ehemals 98 PS starken Golf Syncro komplett ausgebeint hat. Über 1.000 PS Leistung heißt: Turbolader aus dem Rennsport mit 2,7 bar Ladedruck. Lager, Innenleben, Ölpumpe, Kühlung, alles verstärkt. Der Allradantrieb stammt aus dem Golf 4, also 4Motion mit Haldex statt Syncro und Viscokupplung. Das Getriebe? "Ein sequenzielles Dogbox-Renngetriebe mit vier Gängen, kostet 6.000 Euro", so Kakoschke weiter. Bei seinem besten Run schafft er 9,451 Sekunden.

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Achim Hartmann
Die Gölfe als Sieganwärter: kein Wunder bei einem Leistungsgewicht von rund 1,0 kg pro PS.

In der Startbox macht sich der nächste Favorit warm: Markus Hegna sitzt im Golf 4, ein Helfer füllt Trockeneis auf den Ladeluftkühler. 1.129 PS nennt der Schwabe. Kurz vor dem Start noch ein zünftiger Burnout, der Reifen wegen. Der Vorstart hat was von einer Raketenabschussbasis – hier, wo rohe Kräfte walten und der Begriff Explosionsmotor eine ganz neue Bedeutung bekommt. Ampel grün, der VR6 donnert und knallt, die Beschleunigung ist überirdisch. An der Ziellinie stehen 260 km/h auf dem Tacho. "Das war eine 9,051, nicht schlecht!", freut sich der Golf-Fahrer über seinen dritten Versuch und die schnellste Zeit des Tages. Zumal Markus Hegna nach den ersten Starts zweimal die Motorhalterung gebrochen ist. "Die hat uns ein Bauer hier in der Nähe geschweißt!"

Eigenbau Bimotor-Kleinwagen verbläst BMW M6

Aber es müssen keine vierstelligen PS-Zahlen sein, um Spaß zu haben. Michael Hädickes Fiat Cinquecento leistet 280 PS. Optisch ist der Bimotor-Kleinwagen, nun ja, suboptimal. Dafür hocken unter den Hauben zwei turbogeladene Punto-Vierzylinder. "Auf dem Prüfstand war ich nie, aber 140 PS dürfte jeder Motor haben. Gewaschen habe ich den Fiat zuletzt vor 13 Jahren, seit dem Umbau zum Rennwagen sind 10.000 Kilometer zusammengekommen." Jetzt sollen Semislicks montiert werden, aber die Radschrauben sind zu lang. Eine Flex hat niemand im Gepäck, also geht’s den Bolzen mit einer Eisensäge an den Kragen. Der schweißtreibende Einsatz lohnt sich: Der kleine Italiener bleibt gegen einen fast doppelt so starken BMW M6 in Führung. Allrad, Grip und Fliegengewicht sei Dank.

Zehn Meter weiter checkt Tom Zellner seine Heckflosse. Der trockene Bass aus dem Auspuff macht stutzig, das ist kein 190er-Vergasermotor. "Chevy Small Block, 6,7 Liter, 500 PS", so der Bayer. Drei Jahre hat er an dem grauen Benz gearbeitet, rund 1.400 Stunden und so manche Euros investiert. "Die Flosse ist ein 63er, so wie ich", lacht Zellner, der schon seit über zehn Jahren begeisterter Dragracer ist. Im Fahrerlager können die Fans hautnah an die Boliden ran. Wie viel PS? Wie teuer? Welche Zeit? Berührungsängste Fehlanzeige, weder bei den Teilnehmern noch bei den Zuschauern. Absperrungen gibt’s nur an der Strecke.

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Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten