Erkundungstour im Jeep Wrangler Rubicon

Reise über eine Autobahn, die es nicht mehr gibt
Im Jeep Wrangler auf der Spur von Strecke 46

Veröffentlicht am 06.07.2025

So eine Autobahn, sollte man annehmen, liegt eigentlich zu groß und zu auffällig in der Gegend herum, um einfach so vergessen zu werden. Kann dennoch passieren. Mitten in Deutschland. Wobei es schon sehr einsam ist im Wald zwischen Rhön und Spessart. Da kann durchaus eine fast fertige Autobahn einfach so im Unterholz verschwinden.

Irgendwo hinter uns zwischen den Bäumen verläuft die Trasse. Sie ist nur zu sehen, wenn man weiß, dass sie da ist. Hier eine Schneise zwischen den Laubbäumen, da ein Mäuerchen über einem kleinen Wasserlauf. Oder, auffälliger schon, eine mit rotem Sandstein verkleidete Unterführung, bei der unklar scheint, warum hier überhaupt unterführt wird. Zu hören ist die Autobahn nicht, keine Lastzüge donnern über die Brücken, keine Außendienstler-Diesel eilen über die linken Spuren. Und auf dem Rastplatz weiter nördlich stehen keine Zapfsäulen, sondern junge Fichten.

Impresionen Jeep Wrangler Strecke 46
Dino Eisele

Auf unserem Parkplatz knistert sich der Jeep Wrangler Rubicon kühl, der rote Lack passt gut ins Herbstbunt. Sonst ist nichts zu hören – einer dieser Tage, die so kalt und sonnig sind, dass unklar bleibt, ob sie noch zum Herbst oder bereits zum Winter gehören. Dieter Stockmann kommt wenige Minuten später dazu. Er weiß mehr über die vergessene Autobahn, als auf den vielen Infotafeln entlang der Strecke steht, hat ein Buch darüber geschrieben und bietet während der Saison Autobahnführungen für verkehrshistorisch interessierte Wanderer an. Anfangs nicht ganz freiwillig.

Autobahn für Wanderer

Hauptberuflich ist er Sachgebietsleiter im Landratsamt Main-Spessart, zuständig für Naturschutz, Jagd und Fischerei, Land- und Forstwirtschaft, Verbraucherschutzrecht sowie Bestattungswesen. "Als man vor über 20 Jahren begann, sich für diese Autobahn zu interessieren, war ich der jüngste Kollege im Amt, also fiel mir die Aufgabe zu", erinnert er sich.

Aus der Pflichtaufgabe wurde ein Hobby, Dieter Stockmann hat im Laufe der Jahre Tausende Fotos und Unterlagen zum Autobahnbau gesammelt, mit Zeitzeugen aus den umliegenden Dörfern über den Autobahnbau gesprochen und unzählige Male die Strecke zwischen Gemünden im Süden und Bad Brückenau im Norden abgestapft. Die sogenannte Strecke 46 war als mittlere von drei Nord-Süd-Verbindungen im geplanten Reichsautobahnnetz vorgesehen. Sie sollte von Hannover nach Würzburg und als Strecke 40 über Stuttgart bis zum Bodensee führen. Es kam anders. Im Krieg gab es bald Wichtigeres zu tun, als eine militärisch nicht erforderliche Autobahn fertigzustellen.

Impresionen Jeep Wrangler Strecke 46
Dino Eisele

Vieles, was man heute über die Reichsautobahnen zu wissen glaube, habe mit historischen Tatsachen wenig bis nichts zu tun, weiß der kenntnisreiche Landesbeamte. Straßen des Führers? Aufmarschtrassen zur Kriegsvorbereitung? Lauter Legenden oder Propaganda-Erfindungen. Vorschläge zum Bau eines deutschlandweiten Fernstraßennetzes hat es bereits während der Weimarer Republik gegeben, einschließlich recht detaillierter Pläne. Nur so sei es möglich gewesen, dass bereits im Jahr der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten mit dem Autobahnbau begonnen werden konnte, weiß Stockmann.

Als schnelle Straßenverbindung sei gerade diese Autobahn eher nicht geplant worden, erläutert er. Durch die vielen engen Kurven und steilen Gefällstrecken wäre die Strecke 46 für Fern- und Schwerlastverkehr ohnehin nur bedingt tauglich. "Wenn Sie aus Süden gekommen sind, haben Sie es vielleicht gesehen." Haben wir, die geplante Autobahnroute geht direkt an der Ruine der Burg Homburg vorbei. Das sei kein Zufall. Wie auch andere Stellen im Reichsautobahnnetz, der Irschenberg in Bayern und die Lahn-Querung bei Limburg in Hessen zum Beispiel, wurde die Trasse so gewählt, dass sie an touristisch interessanten Punkten vorbeiführte, selbst wenn das teuer oder verkehrstechnisch ungünstig war. Das kann man heute leicht nachvollziehen, mit Kartenprogrammen im Internet zeigt sich der Streckenverlauf gut erkennbar. Der Beginn bei Gössenheim an der Burgruine ist rasch gefunden, da hilft das Navi des Wrangler. Der ist mit serienmäßigen Differenzialsperren, Allradantrieb mit Untersetzung, entkoppelbarem Stabi, grobstolligen Reifen und 277 Diesel-PS für diese Reise auch fahrtechnisch deutlich übertalentiert.

Impresionen Jeep Wrangler Strecke 46
Dino Eisele

Eine unscheinbare Tafel an einem Parkplatz an der B 27 gegenüber der Burgruine erinnert an die vergessene Autobahn. Hier kurvt die Trasse von der Bundesstraße über die Felder nach Norden. Wir sind der Route so nah wie möglich auf legalen Wegen durch den Wald bis zum Treffpunkt am Bauwerk 91 gefolgt. Die Kreisstraße 17 taucht unter der grün überwucherten Autobahn hindurch. Die mit rotem Sandstein aufwendig verkleidete Unterführung ist einer der auffälligsten Bauten der Strecke 46. Wir wandern durchs Unterholz zum Bauwerk, vom Wald aus betrachtet wirkt es deutlich unfertiger und verfallener als aus der Straßenperspektive. Und es erzählt von der Baugeschichte dieser Autobahn. Oder besser gesagt: Dieter Stockmann erzählt davon. Hier sollte ein Feldweg die Autobahn unterqueren, der Bau wurde fast fertiggestellt, einschließlich der 80 Jahre alten Sandsteinverkleidung, die heute noch so aussieht, als seien die Bautrupps erst vor wenigen Wochen abgezogen.

Die Erdfüllung fehlt, man kann von der Seite in den Bau reinspazieren, Stockmann weist auf weitere Einzelheiten hin, die dem Unkundigen sonst entgingen. Etwa die Durchführungen für die Kabel eines geplanten Streckentelefons zur Notfallkommunikation. Diese Idee wurde übrigens an den Autobahnen der Bundesrepublik erst ab 1971 wieder aufgegriffen. Verankerungen für Leitplanken waren ebenfalls vorgesehen, auch das damals ein Novum. Und es gibt noch mehr zu entdecken, wenn man weiß, wo man hinschauen soll. "Sehen Sie", erklärt Stockmann, "wenn man die Brücke von der Seite betrachtet, fällt auf, dass die westliche Fahrbahn etwas tiefer verlaufen sollte als die östliche." Und er erklärt gleich, weshalb: damit Autotouristen von beiden Richtungsfahrbahnen aus einen freien Blick über die Südrhön zum Spessart hin haben konnten. Auch das spricht für den eher touristischen und propagandistischen Aspekt dieses Autobahnbaus.

Autobahn mit Ausblick

Auf der Landstraße wandern wir die wenigen Meter bis zum Parkplatz zurück. Eine große Infotafel weist hier auf die Autobahnruine hin, sie ist neueren Datums. Bis vor wenigen Jahren sei man im Landkreis nicht überall begeistert gewesen, erinnert sich Hobbyhistoriker Stockmann. Man habe befürchtet, Wallfahrtsorte für Rechtsradikale zu schaffen. Das sei allerdings nicht passiert. Wanderer und Geocacher haben die Autobahnreste wiederentdeckt. Wir spazieren an der Trasse weiter nach Süden. Eine schmale Schotterstraße führt westlich an der Strecke entlang. Sie ist übrigens ganz legal befahrbar, eine normale Ortsverbindungsstraße durch den Forst.

Impresionen Jeep Wrangler Strecke 46
Dino Eisele

Etwas müsse er uns noch zeigen, sagt Stockmann, bevor er sich verabschiedet, und stapft durchs Unterholz. Die Trasse verläuft hier in einer Senke, junges Nadelgehölz markiert den geplanten Fahrbahnverlauf. Auch hier ein paar Mäuerchen, überwuchert und kaum zu erkennen. Aus einem Versteck holt unser Tour-Guide eine schwarze Knolle hervor. "Die zeige ich immer, wenn ich Führungen an der Strecke 46 mache", erzählt er. Das sei Koks, sogenannter Grudekoks, hergestellt aus Kohleresten, die bei der Verarbeitung von Braunkohle anfallen. Weil sie besonders langsam abbrennt, wurde sie verwendet, um die Glut unter den Dampfkesseln der Feldbahn-Loks über Nacht zu erhalten. Vermutlich sei hier ein Wartungs- und Abstellplatz für die Lokomotiven gewesen, sagt er. Dafür spreche auch der Wassertank oben am Hang.

Impresionen Jeep Wrangler Strecke 46
Dino Eisele

Wir steigen hoch zu dem Betonbau. Der ebenfalls Geschichten erzählt. Heute noch ragt das Wasserrohr, mit dem die Tender der Dampfloks befüllt wurden, aus der Betonwand. Als amerikanische Soldaten vor 75 Jahren die Baustelle erreichten, hielten sie den Wassertank mit dem Rohr wohl für einen Bunker samt Geschütz. Sie nahmen ihn unter Beschuss, die Einschläge in den Wänden sind immer noch gut zu erkennen.

Dann muss Stockmann weiter, der nächste Termin. Wir klettern in den Jeep, bleiben links der Autobahn. Nur ein paar Spaziergänger mit vorschriftsmäßig angeleinten Hunden kommen vorbei, dann der Revierförster im betagten Defender. Keiner wundert sich über den roten, inzwischen schlammbespritzten Wrangler.

Autobahn mit Büschen

Noch einmal lassen wir die Drohne steigen, sie blickt die Trasse entlang über Felder und Berge, hier ist der Verlauf besonders gut zu erkennen. Dort müsste Bad Brückenau liegen, dahinter lugt der Vulkankegel des Dreistelz ins Bild, nicht umsonst heißt die Gegend Kuppenrhön.

Impresionen Jeep Wrangler Strecke 46
Dino Eisele

Still ist es, nachdem die Drohne gelandet ist. Links und rechts der Büsche, die hier den Fahrbahnverlauf markieren, duften Felder nach frischer, feuchter Erde. Wahrscheinlich wäre es weniger ruhig, wenn die A7 der alten Strecke gefolgt wäre, durch den Wald, bei Gräfendorf über die Fränkische Saale und in abenteuerlichen Kurven weiter zum Main.

Bald rollen die Offroad-Reifen über Asphalt, es wird dunkel in der Rhön. Eine Unterführung noch, Bauwerk 26, wie wir nun wissen: Unterführung Rupboden-Weißenbach. Es gäbe noch viel zu erzählen, von den Arbeiterunterkünften in Wolfsmünster oder den Bierkellern an der fast vergessenen Autobahn. Wir schweigen im Jeep, als wir auf der A 7 nach Süden fahren.

Historie

Über Berg und Tal

Die Strecke 46 sollte Bad Hersfeld und Würzburg verbinden, heute erfüllt die weiter östlich verlaufende Bundesautobahn A7 diesen Zweck. 1937 begann der Bau, die geplante Trasse führte über Berge und Täler von Rhön und Spessart. Der touristische Aspekt war den Planern der Reichsautobahntrassen so wichtig wie der verkehrstechnische. Brückenbauwerke, Unterführungen, Drainagen und weitere Bauwerke waren größtenteils fertig, als die Bauarbeiten kriegsbedingt 1940 eingestellt wurden. Nach dem Krieg verfiel die unfertige Autobahn. Seit 2003 steht die Strecke unter Denkmalschutz. Viele weitere Infos unter: www.strecke46.de

Impressionen Jeep Wrangler Strecke 46, AMS Aktuelles, ams1020
Sammlung Dieter Stockmann