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Egger-Lohner-Elektromobil
Der erste Porsche

Seit über 100 Jahren gab es nur schriftliche Hinweise auf das Elektroauto P1, jetzt enthüllt Porsche die Sensation: Die erste Konstruktion vom Firmengründer existiert noch.

Egger-Lohner-Elektromobil, Porsche P1, Heckansicht
Foto: Arturo Rivas

Nervös tritt Porsche-Archivleiter Dieter Landenberger von einem Fuß auf den anderen. Seit September des vergangenen Jahres zieht sich ein Thema wie ein roter Faden durch seinen Terminkalender. Gespräche, Recherchen, Reisen: Alles drehte sich um ein Gefährt aus dem Jahr 1898, das wie eine behäbige Kutsche wirkt. Für Landenberger, der sich seit 2005 als Hüter der Firmenhistorie mit den leistungsstarken Renn- und Sportwagen der Marke befasst, ist dieser Tag Ende Januar ein außergewöhnliches Datum. "Ich bin immer noch aufgeregt", gesteht er.

Erster Porsche wieder im Licht der Öffentlichkeit

Endlich fällt im Werksmuseum das silberne Tuch von dem hochbeinigen Gefährt: Der erste Porsche steht nach mindestens 111 Jahren erstmals wieder im Licht der Öffentlichkeit. "Keiner wusste, dass es den Wagen noch gibt", bemerkt Landenberger. Eine echte Sensation: Seit wenigen Wochen gehört dieser Familienschatz dem Enkel Wolfgang Porsche, der dem Museum das Premierenstück seines Großvaters als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt. Künftig fahren alle Museumsbesucher mit der langen Rolltreppe aus dem Eingangsgeschoss direkt auf diesen ersten Porsche zu.

"Besser hätte es nicht kommen können", befindet Museumsleiter Achim Stejskal stolz. Pünktlich zum fünften Museumsgeburtstag kann er das sensationelle neue Exponat enthüllen. Seit 1902 war der erste Porsche, ein Egger-Lohner Elektromobil vom Typ C2, trocken und versteckt vor neugierigen Blicken untergestellt. Ferdinand Porsche selbst hatte damals schriftlich verfügt: "Abstellen in Wagenversuchsremise."

Viele Jahrzehnte lang wurde der Prototyp P1 im Depositorium eines Kutschenmuseums in Österreich aufbewahrt. "Das Auto stand vergessen in einer Ecke", erzählt Porsche-Archivleiter Landenberger. "Aus Diskretion dem Verkäufer gegenüber können wir den genauen Fundort allerdings nicht preisgeben."

Vom Elektromotor überzeugt

Aber ist dieser sensationelle Überraschungsfund echt? Das ist zum Glück leicht festzustellen: Ferdinand Porsche hatte das Elektromobil an allen wichtigen Bauteilen durch das Einschlagen der Marke "P1" gekennzeichnet, die für "Porsche 1" steht. Der junge Techniker konstruierte den Wagen für die Wiener Firma Vereinigte Elektrizitäts-AG, aus der später der Konzern Brown, Boveri & Cie. entstand. Das E-Auto war eine Bestellung des K.-u.-k.-Kutschenbauers Lohner.

Firmenchef Ludwig Lohner hatte um 1895 erkannt, dass die Zeit für Pferdekutschen schnell ablief: Die Zukunft gehörte dem Automobil. Der Wiener bereiste Europa und die USA, um aus dem Angebot der vielen Antriebsquellen die beste auszuwählen. Zwischen Benzin, Gas, Dampf und Elektrizität tobte ein Kampf um die Durchsetzung als Energiequelle für Automobilmotoren.

Lohner sprach zum Beispiel mit Daimler in Stuttgart, ließ sich in München von Rudolf Diesel die Pläne seines neuen Selbstzünders zeigen. Aber Lohner war von den Elektromotoren absolut überzeugt. Sie hätten "die volle Sympathie des Publikums, welches für alles Electrische schwärmt", schrieb er im Februar 1898. Darin bestärkte ihn übrigens auch Sigmund Freud, dessen Praxis an der Berggasse 19 nur wenige Schritte entfernt von Lohners Firma an der Porzellangasse lag.

Porsches große Stunde

Lohner beauftragte die Firma Egger. Als ein erster Prototyp mit vorn installiertem Elektromotor und Hinterradlenkung nicht funktionierte, bekam der damals erst 22 Jahre alte Ferdinand Porsche den Auftrag zur Weiterentwicklung. Er interessierte sich seit seiner Jugend für Elektrik und konstruierte einen 3 PS starken, kompakten Elektromotor, der mit einem Kegelraddifferenzial und den Zahnrädern zum Antrieb der Räder auf die Hinterachse passte. Um den Motor vor den Erschütterungen der unebenen Straßen zu schützen, lagerte er das Aggregat an drei Stoßdämpfern und federte die Hinterachse mit vier Blattfederpaketen ab.

Die Vorderräder wurden über eine Zahnstangenlenkung dirigiert, und mit einem "Controller" konnte der Fahrer zwischen insgesamt zwölf Gangstufen wählen. Verzögert wurde das rund 1.350 Kilogramm schwere Elektromobil über eine auf die Hinterräder wirkende Bandbremse sowie einen Stromflussunterbrecher am Lenkrad: eine Form der Zweikreisbremse. Am 26. Juni 1898 rollte das Egger-Lohner-Elektromobil zum ersten Mal über die Straßen Wiens. Sogar die zehnprozentige Steigung in der Berggasse bewältigte der junge Konstrukteur und Testfahrer in Personalunion.

Doch Porsche tüftelte nicht nur die Technik aus. Als Rennfahrer erprobte er auch die Tauglichkeit seiner Konstruktionen in der Praxis: Am 28. September 1899 gewann er mit dem 35 km/h schnellen E-Auto in Berlin die "Preiswettfahrt für Elektromobile" im Rahmen der Internationalen Motorwagen-Ausstellung. Sein P1, mit dem er die Mitstreiter auf der 8,6 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsetappe zwischen Steglitz und Zehlendorf mit 18 Minuten Vorsprung schlug, bekam die Goldmedaille: der erste Porsche-Rennsieg.

Heftiger Streit um den Porsche-Motor

Um den erfolgreichen, nur 130 Kilogramm schweren Porsche-Elektromotor in Form eines Oktagons gab es daheim in Wien heftigen Streit. Firmenbesitzer Werner Egger, der zugleich die deutsche Vertretung der Firma von US-Erfinder Edison innehatte, wollte den Motor in die USA verkaufen. Porsches spätere Frau Aloisia Kaes, die auch in der Firma arbeitete, berichtete sogar von aus dessen Büro gestohlenen Konstruktionszeichnungen. Doch der Konstrukteur reagierte gelassen: "Lass doch, ich habe längst etwas Besseres!" So schildert es der Porsche-Biograf Reinhard Osteroth.

Porsche wechselte noch 1899 in die Firma des fortschrittlichen Ludwig Lohner. Mit dem Kutschenbauer, der für Neuerungen aufgeschlossen war, baute er zunächst einen Wagen mit Radnabenmotoren, wenig später sogar das erste Auto mit Hybridantrieb. Das System Lohner-Porsche gilt als Urahn der aktuellen Porsche-Hybridautos mit dem 918 Spyder an der Spitze. Durch den Sensations-Fund ist jetzt klar: Der Vorläufer der Radnaben- und Hybridautos existiert noch und hat in einem recht guten Zustand überlebt.

Und der soll auch nur erhalten bleiben. Schnell steht fest, dass Porsches erste Konstruktion nicht restauriert wird. Die Spezialistin Gundula Tutt beschränkt sich auf das Konservieren der historischen Lackschicht und das Reinigen des P1. Die Karosserielinie des verschollenen viersitzigen Phaetonaufbaus simuliert jetzt ein abnehmbarer Plexiglasaufbau. Das Auto hatte ursprünglich noch eine geschlossene Coupékarosserie zum Wechseln, die aber ebenfalls nicht erhalten ist.

Porsches Elektromobil mit Reichweite von 80 Kilometern

Ferdinand Porsches Elektromobil, das bei einer Betriebsdauer von drei bis sechs Stunden eine Reichweite von bis zu 80 Kilometern schaffen konnte, ist jetzt das älteste Exponat des Museums in Zuffenhausen. Es steht nicht nur für den frühen Erfindungsreichtum des Tüftelgenies aus Maffersdorf in Nordböhmen. Der P1 zeigt auch, wie Porsche sich schon 50 Jahre vor der Gründung seiner Autofirma schlagartig einen Namen als findiger Konstrukteur machte. In nur fünf Jahren war ihm der Aufstieg vom Feinmechaniker aus der Provinz zum umworbenen Kopf in der rasant wachsenden Autobranche gelungen.

An dessen Anfänge erinnert nun der Zufallsfund. Durch das Aufspüren und den Kauf von wichtigen Exponaten pflegt Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche persönlich das Erbe seines Großvaters. Dessen P1 sorgt jetzt nach 1898 zum zweiten Mal für eine Sensation: der würdige Auftritt für Porsches fast vergessene Pionierleistung.

Steckbrief Ferdinand Porsche: Sein Aufstieg bis zur Gründung des eigenen Konstruktionsbüros

1875 Geburt in Maffersdorf (Österreich-Ungarn), drittes Kind des Spenglermeisters Anton Porsche

1893 Mechaniker bei Béla Egger (Wien), später Leiter des Prüfraums und 1. Assistent des Berechnungsbüros

1898 Erste Testfahrt mit dem Egger-Lohner P1, 1899 Rennerfolg in Berlin

1899 Wechsel zu Jacob Lohner & Söhne

1906 Entwicklungs- und Produktionsleiter bei Austro Daimler (Wiener Neustadt), ab 1917 Generaldirektor

1923 Leiter des Konstruktionsbüros und Vorstandsmitglied der Daimler-Motoren-Gesellschaft (Stuttgart)

1929 Technischer Vorstand bei Steyr

1930 Konstruktionsbüro in Stuttgart

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