Dioramen-Bauer Michael Paul Smith: Heile Auto-Welt im Kleinformat

Dioramen-Bauer Michael Paul Smith
Heile Auto-Welt im Kleinformat

Veröffentlicht am 04.02.2010

Es ist Winter in der amerikanischen Vorstadt. Straße und Autodächer sind mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die Luft ist eisig. Ein anheimelnder Lichtschein aus dem kleinen Diner-Restaurant erhellt den Bürgersteig. Fast meint man, die Rock’n’roll-Musik aus der Jukebox zu hören und den Duft der saftigen Hamburger in der Nase zu haben.

US-Romantik im Maßstab 1:24

Chrombeladene Straßenkreuzer rollen durch die Stadt - dicke Mercurys und Plymouths mit ihren riesigen Heckflossen, Ford Pick-ups und schwere Chevrolet-Limousinen. Michael Paul Smith hat die ganze USA-Romantik der 50er Jahre eingefangen. Und wer es nicht weiß, würde kaum darauf kommen, dass seine Städte aus der guten alten Zeit auf dem Küchentisch Platz finden. Sie sind alle im Maßstab 1:24 entstanden, die Autos könnten fast in der Handfläche parken.
 
Die Idee dazu kam Michael, als er seine Modellauto-Sammlung betrachtete. "Ich hatte 300 Autos zusammengetragen, und alle standen da in Reih und Glied in ihren Glasvitrinen, ohne irgendeinen Kontext", erzählt Michael. "Nur so zum Spaß" habe er dann mit dem Bau einer maßstabsgetreuen Tankstelle begonnen, um seine Schätzchen in einer hübscheren Umgebung zu präsentieren. In einem Müllcontainer fand er ein halb zerstörtes Miniaturhäuschen für die Modelleisenbahn, das ihm als Basis für sein erstes Gebäude diente. Im Internet besorgte sich Michael Fotografien alter Tankstellen aus den 50er Jahren, und als gelerntem Handwerker fiel es dem Mann aus der Nähe von Boston in Massachusetts nicht schwer, mit diversen in Werkstatt und Haushalt zusammen gesuchten Materialien der heilen Welt im Kleinformat Leben einzuhauchen.

Seine Vorbilder sind Straßenszenen aus den 30er bis 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, denn er liebt die Automobile dieser Zeit: "All die Nashs, Kaisers, Hudsons und DeSotos – es war eine faszinierende Design-Epoche", schwärmt Michael.

Die Szenerien sind geradezu fotorealistisch
 
Nun sind Dioramen nichts Neues und auch für Modellautos immer beliebter – schwer angesagt auf dem Markt ist zum Beispiel gerade eine Kollektion, bei der sämtliche Autos aus den James Bond-Filmen als Nachbildung in einer Fensterbox samt einer der Filmszene entsprechenden Mini-Kulisse zu haben sind. Doch mit solchen industriell in China gefertigten Dioramen haben Michaels Kreationen nichts zu tun. Viele seiner Szenerien sehen geradezu fotorealistisch aus, und das ohne jede Bildmanipulation, wie Michael betont. Ferne Hintergründe wie Himmel, Wolken oder Telefonleitungen entstehen dadurch, dass er seine Städte im Freien fotografiert und sie dazu in einem genau berechneten Abstand zur echten Welt platziert.

Hohe Detailverliebtheit
 
Michaels Ministädte weisen einen Detaillierungsgrad auf, wie es ihn allenfalls früher beim Film gab, als aufwändige Miniatur-Kulissen für Trickaufnahmen noch nicht im Computer entstanden. "Ich war vor allem an diesen kleinen Dingen interessiert, die man immer übersieht. Gerade die sorgen aber dafür, dass etwas wirklich authentisch aussieht: Telefonmasten stehen nicht immer gerade, Autos sind nicht akkurat zum Bordstein geparkt", sagt der Modellbauer. Viele Straßenzüge sind mit einer feinen Patina aus Schmutz und Staub überzogen, und Michaels Schnee-Ersatz steht der echten Flockenpracht in nichts nach.
 
An jedem Gebäude arbeitet er mehrere Wochen, denn oft bleibt es nicht bei einer realistischen Fassade. "Die Bungalows sind komplett eingerichtet, im Schuhgeschäft stapeln sich 100 einzeln hergestellte Schuhkartons und in der TV-Reparaturwerkstatt findet man natürlich auseinander gebaute Fernseher", zählt Michael Beispiele für seine Detailversessenheit auf. Eine kunstvolle Beleuchtung macht die Dioramen perfekt.

Die eigene Autoliebe musste Smith aufgeben


Wie so viele Amerikaner hat Michael schon zahlreiche Berufe ausgeübt. "Ich war jahrelang in einem Architekturbüro beschäftigt, habe Textbücher illustriert, Plakate aufgehängt, Wohnungen renoviert, Museums-Exponate arrangiert und in Archiven gearbeitet", erzählt der 60-Jährige. Ob er nun in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vielleicht sein Hobby zum Beruf macht, darüber hat er noch nicht nachgedacht. Seine Begeisterung für klassische Automobile kann er zurzeit nur im Kleinformat ausleben: "Ein Auto zu unterhalten, ist einfach zu teuer geworden. Ich hatte einen 1950er Studebaker Champion, dieses Auto habe ich geliebt. Es war ein trauriger Tag, als ich es verkaufen musste", erzählt Michael. Nun fährt er mit dem Bus – den amerikanischen Auto-Traum aus der guten alten Zeit kann er ja zuhause jederzeit im Kleinformat betrachten.