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3 legendäre aufgeladene Porsche 911
Die spektakulärsten Turbo-Elfer

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Der Saugmotor stirbt aus? Traurig, sicher. Aber durch die 911-Historie ziehen sich bereits seit den 70ern wilde aufgeladene Varianten als roter Faden – wie der 930 Turbo, der Ruf CTR und der GT2 RS.

Turbo-Elfer, Ruf-Porsche
Foto: Arturo Rivas

Als wäre es ein feister Imperator, rücksichtslos obendrein, so thront das massive Dampfrad auf dem Mitteltunnel zwischen den Schalensitzen des Ruf-Porsche CTR. In Größe und Form wirkt es gar ein wenig selbstgefällig, sofern sich dieser Charakterzug überhaupt einem mechanischen Bauteil zuordnen lässt. Wer es in Richtung "+" aufdreht, simuliert so dem Wastegate-Ventil einen zu geringen Ladedruck, weshalb es länger geschlossen bleibt und dem Sechszylindermotor noch mehr Luft in die Brennräume presst. Zwischen 0,6 und 1,1 bar variiert dadurch der Ladedruck der beiden KKK_Turbinen, was durchaus als Rücksichtslosigkeit zu verstehen ist, denn wenn es zum Äußersten kommt, leistet das auf 3,4 Liter vergrößerte Triebwerk 469 PS, die gerade einmal rund 1,2 Tonnen Porsche 911 zu beschleunigen haben.

Ahnungslose erschrecken

Und wenn es nicht zum Äußersten kommt? Dann reicht das Leistungsgewicht des CTR noch immer aus, Ahnungslose zu erschrecken – heute, nicht 1987, als Ruf den wilden Elfer erstmals zeigte. Damals muss das Erlebnis ähnlich überirdisch gewesen sein wie 1974, als Porsche den ersten 911 Turbo präsentierte. Ungeachtet aller wenigen weiteren Fahrzeuge mit diesem Motorenkonzept, programmierte wohl nur der Elfer den Turbo-Schriftzug in das kollektive Automobilgedächtnis. Den Hersteller ließ die Idee ebenfalls nicht los, denn in regelmäßigen Abständen poppen seit 41 Jahren immer wieder Turbovarianten in allerlei Ausprägungen auf. Jetzt drängt der aufgeladene Boxer sogar den wüst drehenden Saugmotor auf die Rennstrecke zurück, dorthin, wo eigentlich einst der Turbo in Gestalt des 917 herkam. Also wütet der Sauger künftig nur noch beim GT3 im Heck.

Dabei beschäftigt sich auch die Motorsporttruppe immer mal wieder mit dem Thema Aufladung, zuletzt 2010, als sie den GT2 RS ins Licht der Öffentlichkeit schob. Als Evolutionsstufe des GT2 leistet er mal eben 620 statt 530 PS, dafür drückt eine Diät mit dem Slim-Fast der Autoindustrie – Carbon – das Gewicht laut Werk von 1.515 auf 1.370 Kilogramm. Auf den Allradantrieb der Serienturbos (seit dem 993) verzichten die GT2 sowieso, um den jeweils richtigen der sechs Gänge müssen sich rechte Hand und linker Fuß bemühen.

Turbo-Elfer vernebeln den Verstand

Um den korrekten Ladedruck des 997 GT2 RS kümmert sich längst die Elektronik, maximal 1,6 bar sind möglich. Trotz in wahrem Wortsinn blendenden Wetters schwappt noch eine Restportion Respekt durch den angesichts des Trios leicht vernebelten Verstand, was beim GT2 RS vor allem auf den sehr schütter profilierten Michelin-Pilot-Sport-Cup-Reifen der ersten Generation zurückzuführen ist. Ja und? Ja und: Niedrige Luft- und Asphalttemperaturen sowie ein maximales Drehmoment von 700 Newtonmetern bei nur 2.000/min.

Bald allerdings verwirbelt der Respekt über den gewaltigen Heckflügel sowie die ersten sommermüden Blätter der umstehenden Bäume, das Vertrauen wächst, und außerdem ist hier ja Tempo 100 und nicht Rennstrecke. Wie kompakt doch ein 997er trotz wuchernder Turbokarosse wirkt, wie homogen sein Triebwerk doch die Leistung trotz irren Drehmoment- Kicks offenbart, wie ehrlich doch das Schaltgetriebe mit den ultrakurzen Wegen trotz herber Hakeligkeit mit dir kommuniziert – nein, nein, nicht falsch verstehen: Der RS taugt noch lange nicht zu Everybody's Darling, er ist jederzeit in der Lage, seinen Fahrer zu Everybody's Depp (frei nach E. Stoiber) zu küren.

Ein Tastendruck genügt, und die Regelelektronik verreist in den Urlaub. Dann wiederum genügt ein feuchter Flecken Asphalt, um dich blitzschnell die Fahrtrichtung wechseln zu lassen. Du musst einfach auf ihn hören,der GT2 redet mit dir, permanent, spricht durch die direkte Lenkung, die steife Karosserie, mit der dein Hintern über den perfekten Schalensitz unmittelbar verbunden ist, ebenso unmittelbar wie das Fahrwerk mit seiner herben, aber neutralen Abstimmung. Sicher, der rechte Fuß sollte sensibel agieren, ein wenig zumindest, vor allem in engen Ecken.

Das allerdings gilt eigentlich für alle drei, für den 930 Turbo etwas weniger, für den Ruf CTR dafür viel mehr. Während nun der GT2 RS mit seinem dumpfen, bärigen Klang wenn nicht ganze Völker, so doch zumindest einige Landstraßen unterwirft, bringt sich unruhig röchelnd der Senior des Trios ins Gespräch. Er erinnert trotz Vollausstattung bis hin zur Klimaanlage und weißbrotweichen, schottenkarierten Sitzen daran, dass ihm schließlich auch einmal das Image des Witwenmachers am Heckflügel klebte.

Hammer kracht auf Amboss

Nicht dass es hier darum ginge, dieses Image zu verifizieren. Obwohl: Wenn das erste Mal die kleine Ladedruckanzeige im Drehzahlmesser bei knapp über 4.000 Umdrehungen voll ausschlägt, die Turbine mit 90.000/min dreht und so 0,8 bar Ladedruck produziert, braucht es nicht viel Vorstellungskraft, um den Elfer unter bestimmten Bedingungen von der Bahn kreiseln zu sehen. Hier fällt der Hammer noch krachend auf den Amboss, der Turbo schoss den Leistungsbegriff aus der für die meisten ohnehin weit entfernten Galaxie Porsche in eine nochmals weiter entfernte Umlaufbahn. Mit seinen 260 PS ließ er sich schnell als König der Autobahn feiern, lief er doch echte 250 km/h und war nach 5,5 Sekunden bereits 100 km/h schnell, ein Basis-Elfer-2.7 jedoch erst 80 km/h.

Und heute? Heute beeindruckt weniger die absolute Leistung, sondern vorwiegend das bisschen Auto, das sie beschleunigen muss. Schnell freundest du dich mit dem Vierganggetriebe an, stocherst den langen, leicht gekröpften Schalthebel sicher durch die weit auseinander liegenden Gassen und freust dich über das wichtigste Sicherheitsextra des 77er-Modelljahrgangs: 16- statt 15-Zoll-Räder, an der gut belasteten Antriebsachse immerhin mit 225 Millimeter breiten Reifen.

Okay, gerade im Vergleich zum modernen GT2 RS ändert das natürlich nichts an der matschigen Bremse, die dem Turbo wohl ähnliche Verzögerungswerte beschert wie der Transsibirischen Eisenbahn. Das ist umso bedauerlicher, da der Senior ziemlich Alarm machen kann, nicht nur optisch und akustisch. Noch bevor die Orgie in Grün dich dazu animiert, den Jagdschein machen zu wollen, legst du dir alles und jeden vor dir zurecht, hast dich längst eingegroovt, mit der nach heutigen Maßstäben luschigen Lenkung und der lethargisch ansprechenden Bremse arrangiert, scheuchst den 930 (steht übrigens für den Motor), die Ladedrucknadel zuckt immer wieder. Dabei grollt das Dreiliter-Triebwerk heiser, verglichen mit dem damaligen Basis-Carrera aber dumpfer, als trage es einen Mundschutz. Darunter mischt sich leise das Pfeifen des Laders – kein Vergleich zu der schnaubenden, seufzenden, zwitschernden und grölenden Symphonie, die Ruf in seinen CTR hineinkomponiert hat.

930 Turbo: Galaktisch schnell

Nein, der Serienturbo war bereits in den 70ern, was auch ein moderner 991 noch heute ist: Ein galaktisch schneller, zugleich alltagstauglicher Sportwagen, eine real gewordene Machbarkeitsstudie zum besten Kompromiss aus Tempo und Komfort. Wer Kompromisse dagegen als überschätztes Gutmenschen-Gehabe erachtet, möge seinen Allerwertesten bitte in die wirklich schmalen Schalensitze des CTR quetschen. Übrigens: Auch wenn Fans des CTR-Nordschleifen- Videos das Gegenteil behaupten werden – der Ruf lässt sich auch ohne weiße Tennissocken fahren, wenngleich vielleicht nicht mit jener Mischung aus Können, Schlitzohrigkeit und Wahnsinn wie damals. Wir sind jedenfalls total von den Socken, als wir erkennen, wie schnell der Ruf-Porsche selbst nach heutigen Maßstäben noch ist.

Unfassbar schnell, eigentlich. Verbriefte 342 km/h erreichte er auf dem Hochgeschwindigkeitsoval in Nardò, in 4,1 Sekunden berserkert er von null auf 100 km/h. Die serienmäßige Launch Control sitzt zwischen den Ohren des Fahrers, er muss die Gänge des G50-Getriebes schneller durchreißen als sein Schatten, während die Fassungslosigkeit ob der Wucht der Beschleunigung schwer auf den Brustkorb drückt.

Dagegen verblasst sogar der GT2 RS ein wenig, degradiert ihn zu einem flotten Staubsauger – Subjektivität kann grausam sein. Und auch wenn die Bremsanlage 1987 zum Besten zählte, was die Industrie hergab, das Pedalgefühl steht in keinem Verhältnis zum Vorwärtsdrang. Die servolose Lenkung stört da weit weniger. Wer den CTR so tapfer durch Kurven prügelt, will sich erst gar nicht vorstellen, welche Auswirkungen es auf das Fahrverhalten hätte, wäre der vordere Zusatztank leer. Und erst recht eine nasse Fahrbahn. Dafür sei ja das Dampfrad da, sagt Ruf. Wobei es wohl nur die Anzahl der Kreisel reduzieren dürfte, wenn sich der CTR mit 0,6 statt 1,1 bar Druck von der Bahn wirft.

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Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten