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Mit der Corvette nachts durch New York
Die Schöne und das Biest

Für echte Autofans gibt es nur ein einziges Zeitfenster in New York City – die Nacht. Erst wenn sie sich über die Stadt legt, werden die Straßen der Metropole genießbar. Ein Selbstversuch mit zwei Jokern.

Chevrolet Corvette, New York, Impression
Foto: Dani Heyne

Der erste Joker tritt aus einer dunklen Ecke in Greenpoint hervor. Ein befreundeter Fotograf hat ihn als autoverrückten Guide empfohlen – wenn einer die Straßen von New York City kenne, dann Jeff. Er trägt Boots, Lederjacke, Dreitagebart und beachtliche Augenringe. Seine knappe Begrüßung – "Hey man!" – ist ein verlässliches Zeichen, dass er tatsächlich schon länger in NYC. lebt. Nordamerikas angesagteste Stadt verlangt hohes Tempo, da kann sich keiner ein langes How-are-you-Vorspiel leisten. Auch Jeff nicht. "Wenn du wie ich seit 15 Jahren mit dieser Stadt ringst, musst du dich aufs Wesentliche konzentrieren. Sonst gehst du unter." Dann zeigt er mit einer Kopfbewegung Richtung Hudson River und die funkelnden Türme von Manhattan: "Bereit für das Biest?"

Höchste Zeit für den zweiten Joker – er wartet in einer Nebenstraße unter der gelblichen Lichtglocke einer Straßenlampe. Jeff begrüßt die schneeweiße Corvette kurz und knapp: "Hi Baby". In dem Baby steckt ein handgerissener Smallblock-V8 mit 466 PS. Benzin-Direkteinspritzung, variabler Ventilsteuerung, Zylinderabschaltung – die modernste Version des amerikanischen Traumwagens. Unser Guide ist begeistert und schnell beim Verstauen des Targadachs, das haargenau unter die Heckscheibe passt. "Brauchen wir heute Nacht nicht!"

Mit Smallblock-V8 fernab der Rushhour

Warum wir die Nacht für ein Date mit New York City wählen? Ganz einfach: Das Straßennetz der Metropole mag mit 10.000 Kilometern das größte seiner Art sein – bei Tag ist es dennoch unbrauchbar. Die Rushhour setzt morgens kurz nach sechs ein und lähmt allen Verkehr bis Sonnenuntergang. In der Zwischenzeit kämpfen Scharen gelber und grüner Taxen gegen verschrammte Lieferwagen. Polierte SUV versuchen, teure Sportwagen auf einer Ampellänge abzukochen. Dazwischen? Ein paar kühne Motorradfahrer und zig private Limousinen, die ihre Fahrdienste via Uber anbieten – und am Ende ihre Gäste wie alle anderen dem zähen Stop-and-go aussetzen.

Chevrolet Corvette, New York, Impression
Dani Heyne
Kostbare Ruhe auf zwei Spuren, der Beat des V8 trägt uns ins Herz von New York City - nach Manhattan.

"Wenn sich die Sonne verzieht und die meisten Besucher ausgelaugt das Feld räumen, dann kannst du New York City mit dem Auto entdecken. Dann finden wir Autofans Frieden und Freude", sagt Jeff langsam und klar, als würde er es in Stein meißeln. Und tatsächlich, kurz nach 22 Uhr ist es bereits ruhiger geworden. Die Corvette schlüpft leichtfüßig an ein paar Touristenbussen vorbei, die ebenfalls auf die Brooklyn Bridge zuhalten – deren gekrümmter Rücken eine wunderbare Sicht auf Manhattan bietet. Dann breitet sich in der Windschutzscheibe ein Wald voller strahlender Glastürme aus, gerahmt von 1.000 Lichtern. Wir haben Glück: Vor uns ist kein anderes Auto. Kostbare Ruhe auf zwei Spuren, nur der Beat des V8 trägt uns ins Herz von New York City. Ein weiterer Vorteil der Nacht: Je näher du Manhattan entgegenrollst, desto bunter und schriller wird es; da braucht es kein Speed, um in Ekstase zu verfallen. Einzig die Schlaglöcher stören die Show, teilweise sind sie gefährlich groß und tief.

466 PS gegen 789 Quadratkilometer

Wir parken die Corvette in der Mott Street, im Stadtteil Little Italy. Einst lebten hier ausschließlich italienische Einwanderer. Wer auf leckere Pasta und starken Espresso steht, ist hier richtig. Jeff bringt zwei einfache Shots, wir lehnen an der weißen Corvette und inhalieren die Muntermacher. "Die bekannten Fakten der Stadt weiß jeder", brummt Jeff und spult sie ungefragt ab: "Sie ist 789 Quadratkilometer groß, wird von 8,5 Millionen Menschen bewohnt. Ihre berühmteste Lady trägt eine steinerne Fackel, ihr bekanntester Mann einen Cowboyhut und ein weißes Höschen." Er muss lachen – das muss er immer, wenn es um den singenden Cowboy geht. "Der heißt eigentlich Robert Burck, hat Politik studiert und ist durch seine halblaute Straßenshow Multimillionär geworden. Sieben Cowboys und -girls hat er heute im Einsatz, die rund 10.000 Mal fotografiert werden – pro Stunde."

Chevrolet Corvette, New York, Impression
Dani Heyne
Alles ist monumental in NYC, jede Aussicht, jedes Erlebnis.

Wieder ist es für einen Moment still in der Corvette. Sie huscht kraftvoll durch die Schluchten von Manhattan – die Straßen sind nun leer. Fast wie im Film "I am Legend", in dem Will Smith durch das verlassene New York heizt. Der dunkle Himmel legt sich wie ein Filter über die Wunden und den Trubel der Metropole. Was bleibt, ist eine Art großer Parcours aus beleuchteten stählernen Riesen. Endlich lassen sich die Straßen nach Belieben erkunden. Da ihr Netz einer einfachen Matrix mit simpler Nummerierung folgt, fällt die Orientierung auch ohne Navi denkbar leicht. Nur die undurchsichtigen Ampelphasen versuchen die Harmonie zu stören. Schaffen sie aber nicht. Denn die kurzen Stopps sind perfekte Atempausen, um die Aussicht zu genießen. Und eine neue Richtung anzupeilen.

Endlose Straßen und endlose Möglichkeiten

Jeff beweist Talent am Steuer, gekonnt dirigiert er uns durch das Herz von New York City. Am Tag ist er hier übrigens nur noch mit dem Bike unterwegs. Und obwohl die Stadt keine amerikatypischen Highlights für Autofahrer parat hält, ist die Tour bei Nacht besonders. Nicht nur, weil der Verkehr sich gelegt hat. Sondern auch, weil es diesen Dschungel sonst nicht gibt. In allen anderen Metropolen der USA landet man nach kurzer Zeit auf einem fetten Highway – und verliert sich im monotonen Tempo. In New York dagegen scheinen die Straßen – und damit die Möglichkeiten – endlos. Die Stadt ist ständig im Wandel. Selbst Jeff entdeckt hier und da Neues. Fast immer handelt es sich dabei um gläserne Hochhäuser, die die alten Blocks verdrängen. "Die Stadt wächst wie ein Monster", sagt er mit tiefer Stimme, "und mit ihr die Tarife. 1942 kostete eine Taxilizenz noch 2.500 Dollar. Mittlerweile wird eine Million Dollar fällig."

Irgendwann sitzen wir auf einem toten Gleis einer hochgelegten Bahnlinie, hier macht sich seit ein paar Jahren New Yorks coolster Park breit – der High Line Park. Eine grüne Oase mit Bänken, Liegen, Bars und einer Aussicht, die unbezahlbar ist. Wortlos schauen wir auf die Corvette, die in einer der leeren Straßenfluchten wartet. "Ein wunderschönes Ticket für ein paar Minuten Freiheit", sagt Jeff und will weiter. "Wir sollten die Nacht auskosten."

Recht hat er. Nachts mit dem Auto durch Manhattan, das hat einen ganz eigenen Reiz. Hier geht’s nicht um den schnellen Kick von A nach B. Hier surfst du ganz allein durch eine Millionenmetropole, ein Meer aus Stahl, Glas und Licht. Und lässt dir eine wohltuende Prise Freiheit um die Nase wehen, die es hier normal nicht gibt. Ein kostbares Erlebnis für jeden Autofan.

Technische Daten
Chevrolet Corvette Stingray Coupé 6.2 V8 Stingray 3LT
Grundpreis84.050 €
Außenmaße4492 x 1872 x 1239 mm
Kofferraumvolumen287 l
Hubraum / Motor6162 cm³ / 8-Zylinder
Leistung343 kW / 466 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit290 km/h
Verbrauch12,3 l/100 km
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten