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Beste Autos aller Zeiten 1970-1979
Golf als GTI wird Volkssport

Glitzernde Discokugeln, siegreiche Fußballer, erste Computer – in den Siebzigern kam Schwung in die Gesellschaft. Und der VW Golf GTI hielt mit, meint Jens Dralle.


VW Golf GTI, Frontansicht
Foto: Karl-Heinz Augustin

Als VW 1975 den GTI auf der IAA hervorzaubert, arbeitet der Golf bereits
über ein Jahr daran, den Konzern vom angestaubten Käfer-Image zu befreien. Und jetzt das: 110 PS in einem 900 Kilogramm leichten Kompaktwagen, Bugspoiler und Kotflügelverbreiterungen, die Tester in den wilden Siebzigern als „selbstverständlich“, das Karomuster der Sitze als „fröhlich“ klassifizieren. Natürlich fegen schon der Ford Escort RS 2000 und der Opel Kadett GT/E um die Ecken, und das zum Teil sogar schneller als der VW. Für 13.850 Mark bietet der VW jedoch den besten Kompromiss aus Dynamik und Alltagstauglichkeit – und daran sollte sich bis heute nichts ändern, abgesehen von einem vergleichsweise kurzen Abschnitt in der Modellhistorie vielleicht.

VW Golf GTI ist zeitlos

Und selbst der Senior verteilt aktuell nicht ausschließlich Kamelle aus dem großen Charme-Beutel, die alte Autos gewöhnlich spazieren fahren. Noch immer passen die Sportsitze perfekt, selbst die Sitzposition stimmt, die Rundumsicht – ein für flottes Fahren nicht unerhebliches Detail – sowieso. Natürlich, das haben Sie längst richtig erkannt, stammt das VW Golf GTI-Fotofahrzeug nicht aus der ersten Serie, und so ganz original tritt es ebenfalls nicht auf, sondern mit den Rädern des Pirelli-Sondermodells.

Eine gute Modellpflege zeichnet sich allerdings dadurch aus, dass sie das Auto modernisiert, ohne den Charakter zu verschleiern – die VW Golf GTI-Modellpflege zählt definitiv zu den guten. Geschmacksfragen wie die nach dem Cockpit- und Rückleuchten-Design werden hier nicht beantwortet, nein, erst gar nicht gestellt. Denn auch im letzten Modelljahr der ersten Generation verquirlen ein leistungsstarker Einspritzmotor, jetzt mit 1,8 Liter Hubraum, sowie noch immer unter 900 kg Gewicht die Eigenschaften des Golf zu einer Art automobilem, eisgekühltem Tri-Top, diesem aus unerfindlichen Gründen beliebten Sirup-Zeugs.

Kompakter mit munteren Fahrleistungen

Der VW Golf GTI lieferte eine ganze Menge Gründe für seine Beliebtheit, die bekanntermaßen weit über die geplante 5.000er-Serie hinausging. Munter wie Flip aus der Zeichentrick-Serie Biene Maja hüpft der VW los, will noch immer unbedingt beweisen, dass er den Prestige-Sprint von null auf 100 km/h in 8,6 Sekunden schafft (der Ur-GTI benötigte 9,4 Sekunden, beides mit wilder Entschlossenheit ermittelte ams-Messwerte). Mit 10,0:1 ist der Vierzylinder hoch verdichtet, lechzt nach jedem Tapser Gas und setzt ihn drehfreudig um.

Jetzt kommt er ins Spiel, jenes Accessoire, um das der ganze Wagen scheinbar herumkonstruiert wurde: der Golfball-Schaltknauf. Zuerst rutschte er etwas knochig durch vier Gassen, später – ebenso knochig – durch fünf. Zuweilen rutschte er auch überhaupt nicht, weil vor allem der spätere 1.800er ordentlichen Durchzug bietet. Zwar bleibt der Langhuber von der Souveränität eines Peter Frankenfeld ein gutes Stück entfernt, doch er verhilft dem Golf zu einer gewissen Lässigkeit, obwohl sich dieser Begriff noch nicht so recht im Wortschatz verankert hat.

VW Golf GTI wurden gedreht und getrieben

Er kann auch anders, wenn es sein muss, und es musste oft sein. Egal, ob in gut situierter erster oder in stürmischer zweiter Hand: Ein VW Golf GTI wurde gefahren, weil er gefahren werden wollte. Gedreht bis über 6.000/min, trotz Tieferlegung um 20 Millimeter und Querstabilisatoren an der Hinterachse mit deftiger Seitenneigung durch Kurven getrieben, zuvor hart mittels der Scheibenbremsen zusammengestaucht, immer darauf aus, auch mal einen 02er- oder später 3er-BMW zu erlegen.

Im Lauf der Jahre fächert sich das Segment der dynamischen Kompaktwagen auf, etabliert sich zu einer festen Größe und mit ihr der VW Golf GTI. Die erste Generation begibt sich bald nach ihrer Glanzzeit in die Apocalypse Now des mittelmäßigen Tunings. Den Stairway to Heaven erklimmt sie viel zu spät, als kaum noch Vertreter von ihr übrig waren. Grün ist die Heide – und die Überreste einiger VW Golf GTI stecken sicher noch darin. Doch als fester Bestandteil der Golf-Familie erfüllte er seinen Auftrag mit Perfektion und Emotion: VW den Staub aus den Backsteinen der Fabriken zu klopfen.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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