Aufruf in Halle drei: "Liebe Besucher, bitte halten Sie die Gänge frei, damit die Teppichleger ihre Arbeit erledigen können." Das ist am Montag der blödeste Job. Zwar beginnt die Messer offiziell erst Dienstag, aber schon am Montagnachmittag tummelt sich massenweise Volk in den Messehallen und hindert die werktätige Bevölkerung am Arbeiten.
Buchsbaum für Stellvertretende Chefredakteurin
Bei Sbarro wird noch am Prototypen geklebt, bei Alfa der Boden gewienert, bei Bertone geflext. Die Barhocker wackeln, und was nicht passt, wird passend gemacht. Kräne zoomen sich mit langen Armen durch die Halle. Auf den Deckengerüsten klettern Akrobaten, um die Scheinwerfer richtig einzustellen. Der Mann, der die Pflanzen Richtung Halle sechs schiebt, weckt Begehrlichkeiten: "Diese Buchsbäumchen wären was für meinen Garten", meint unsere stellvertretende Chefredakteurin Birgit Priemer.
"Isch schpreche ´och kain Französisch"
Die coolste Truppe ist die von Mansory. Am Stand herrscht gähnende Leere auf grauem Linoleum. Aber am Horizont ist eine Bar erkennbar, an der bereits die ersten Biere perlen.
Allerorten wird geprobt. Ian Robertson kriegt beim Mini Cargovan die Hecktüren nicht gleich auf und lacht sich eins, weil er beim Ton plötzlich ein dreifaches Echo hört. Bei Dacia probt ein Ensemble mit E-Gitarre, Saxophon und Cello. Ein scheinbar wichtiger Mensch weist daraufhin, dass heute noch kein Pressetag und somit Fotografierverbot wäre. "Pardon, mon Francais est ne pas trés bien." Schon ist das Bild im Kasten.
Genau wegen rasender Reporter mit Frühstart haben alle Hersteller, die sich für bedeutend halten, nun schwarze Vorhänge aufgehängt. Für alle, die sich in Mittelerde ein bisschen auskennen: Es erinnert ein bisschen an die Tore von Mordor, nur dass das Auge Saurons nicht darüber thront. In Halle 1 bis 3 hat der VW-Konzern die Mauer wieder aufgebaut. Von Bentley bis Porsche, alles eine Wand. "Im Moment ist Vorstandsabnahme" raunt ein Mitarbeiter.
Bei Peugeot und Hyundai gelingt ein kurzer Blick durch den Vorhang, dahinter geht es aber wenig spektakulär zu. Kein Vergleich mit dem gänzlich unverhüllten GM-Stand, wo für die Kameraprobe ein Tänzer mehrmals rotierend auf dem Kopf steht. Das muss doch weh tun.
Angriff auf Mercedes über die Flanke
Bei Mercedes sorgt Pressechef Chris Horn an der einzigen Lücke im Vorhang höchst selbst mit seinen Riesenarmen dafür, dass die Null steht. "Wir hatten das ja früher nie. Aber wo jetzt alle das so machen, wollten wir nicht zurückstehen", lautet die maue Ausrede für den Verhüllungswahn. Ein Wachmann im olivgrünen Anzug steht in seinen Knobelbechern an der Ecke. "Pas des Photos!" mault er. Na warte, wir können auch anders. Flugs wird der Flügel rüber zu Mini gewechselt. Schießen wir eben aus der halbrechten Strafraumposition. Schon kommt er rübergeeilt, wild gestikulierend, um Bilder von Mercedes-Modellen zu verhindern, die sowieso jeder kennt, und die vor dem Vorhang stehen. Das Bild zeigt also nichts Besonderes, aber hier geht es ums Prinzip.
Rolls Royce hat drei dicke Limos in hautenge, schwarze Roben gesteckt. Der wuchtige und martialische Auftritt ist allenfalls noch durch das Lenin-Mausoleum am Roten Platz zu toppen.
Wenn wir über Ästhetik diskutieren dürfen auch die profunden Kommentare der ersten Zaungäste nicht unerwähnt bleiben. "Schau Dir den an. Der sieht doch scheiße aus mit diesen Felgen", poltert ein blonder Hüne am Aston-Martin-Stand. Na, vielleicht hängen die Briten den pietätvoll an den kommenden Tagen zu.
Heute nur für Stammgäste
Manche Autos muss man nicht verhüllen, bei manchen kann man es gar nicht, aber das hinderte die Schneider von Dodge nicht, dem Ram eine Maske überzuziehen. Das große Maul verrät ihn aber ebenso leicht wie die Silhouette den Jeep 100 Meter weiter.
Bei AC schaut uns der Türsteher mit großen Augen an. Ja, ja, wir wissen schon: Heute nur Stammgäste. Dabei hätte hinter der Barriere ein einladendes Sofa gelockt. Eine schicke Sitzgruppe findet sich aber auch bei Volvo. Na, geht doch. Sollen sich doch alle anderen an der Seeuferstraße in die Endlosschleife stellen, um zu ihren Hotels zu kommen. Die erste Pressekonferenz ist morgen um acht. Jetzt heißt es nur noch ein Versteck suchen, bis selbst die Teppichleger weg sind. Dann kann man sich ungestört die Kissen zurechtschubsen.