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Audi Quattro und RS5
Ur-Quattro trifft auf seinen Urenkel

Herzlichen Glückwunsch, Quattro. Vor 30 Jahren realisierte Audi eine Idee, die fortan zum Synonym der Marke werden würde: Allradantrieb in einem sportlichen Straßenmodell. Was aus drei Jahrzehnten Technikentwicklung wurde, zeigt ein Treffen des Quattro mit seinem Urenkel RS5.

Audi Quattro, Audi RS5
Foto: Hans-Dieter Seufert

Die Helden der eigenen Jugend als Oldies kennen zu lernen kann aufregend oder ernüchternd sein. Schließlich scheinen sie in der Erinnerung nie zu altern. Speziell, wenn sich imponierende Bilder wie diese vor drei Jahrzehnten eingebrannt haben: Ein pausbackiger Audi Quattro durchpflügt die Wiese des örtlichen Audi-Händlers (damals noch VAG) – sozusagen als spektakuläres Rahmenprogramm zur Eröffnungsfeier. Der Vortrieb muss gewaltig sein, so sehr reckt der Audi Quattro seine Scheinwerfer in die Höhe. Und erst das Fünfzylinder-Trommeln ...

Audi Ur-Quattro kostete fast 50.000 Mark

Jetzt steht das damalige Traumauto ganz real auf einem Parkplatz am Fuße der Schwäbischen Alb. Ein Audi Ur-Quattro, wie man das erste Modell heute griffig nennt. Während der elfjährigen Bauzeit wurden nur 11.452 Exemplare ausgeliefert. Dieses hier stammt aus dem Audi-Museum, ist perfekt in Schuss. Sind die Zeichen der Zeit tatsächlich spurlos an ihm vorübergegangen? Blechern fällt die Tür des Audi Quattro ins Schloss, als fehlte die dämmende Innenverkleidung – wie in einem ausgeräumten Rallye-Gerät. Dabei haben wir doch in der Straßenversion Platz genommen. Fast 50.000 Mark hat der Audi Quattro damals gekostet; für diesen Batzen Geld gab es auch einen Porsche 911 SC. Während dieser Überlegung fällt der Blick auf das Kunststoff-Cockpit. So würde man heute keine Brotkästen designen: kärgliches Audi 80-Ambiente mit ein paar Leder-Feigenblättern, aber nicht ein einziger Hinweis darauf, dass Audi einmal der Leitstern aller Auto-Innenarchitekten werden würde.

Audi RS5 trifft auf den Gründer der Allrad-Linie

Wer Anfang der Achtziger ein kleines Vermögen hinblätterte, musste die Qualitätsanmutung weit hinter der Technik-Faszination zurückstellen. Kaufgrund war die Einzigartigkeit: Nur dieser Sportwagen trieb alle vier Räder an. Ob die Audi Quattro-Käufer wirklich ahnten, dass sie damals die Zukunft von Audis Kernkompetenz – Allradantrieb und Turbo-Aufladung – fahren durften? Der Audi Ur-Quattro hat viele Enkel; alle starken Audi haben diesen Antrieb. Doch der jüngste erzeugt die Kraft per Saugmotor, ein Achtzylinder mit 4,2 Liter Hubraum: der Audi RS5. Er hat sich mit dem Gründer der Allrad-Linie verabredet, um zu zeigen, was er aus den vererbten Talenten gemacht hat. Kraft seiner 450 PS könnte der Audi RS5 den Ur-Quattro jederzeit ausbeschleunigen. Dessen Turbo-Druck von 0,85 bar kann der Leistungsvormacht nichts entgegensetzen, zumal der 2,1-Liter seine 200 PS zögerlich aufbaut. Und statt des erhofften Schlags in den Nacken ist höchstens ein Tätscheln zu spüren.

Reihen-Fünfzylinder galt schon immer als der V8 des kleinen Mannes

Da geht der Audi RS5 anders zur Sache, dreht aus jeder Lage enthusiastisch gegen den Begrenzer und schiebt die deutlich schwerere Karosserie vehement vorwärts. Statt zu brodeln, blubbert der Neue, eine akustische Ähnlichkeit zwischen beiden Triebwerken ist dennoch auszumachen – schließlich galt der Reihen-Fünfzylinder schon immer als der V8 des kleinen Mannes. Die Kraftverteilung folgt beim Audi Ur-Quattro noch der Technik des Iltis-Geländewagens, das Differenzial schickt das Drehmoment prinzipiell hälftig nach vorn und hinten. Mitten- und Hinterachsdifferenzial sind getrennt sperrbar, dazu muss man je einen Knopf in der Mittelkonsole betätigen. Dann leuchten die Kontrolllampen auf, und den Audi Quattro drängt es beharrlich geradeaus – auch in Kurven. Die Sperren sind nur auf rutschigem Untergrund zu gebrauchen.

Allradantrieb des Audi RS5 ist hecklastig ausgelegt

Da ist der Allradantrieb des Audi RS5 weiter: Die Grundverteilung seines Mittendifferenzials ist hecklastig (60 zu 40 Prozent) und damit agilitätsfördernd ausgelegt. Bei Lastwechseln dreht das Coupé spürbar in die Kurve ein, verhält sich fast wie ein Hecktriebler. Erst beim Einlenken in Spitzkehren zeigt sich eine Halsstarrigkeit. Hier gilt noch immer die alte 4x4-Regel: langsamer rein, schneller raus. So gibt es einige Geschichten zeitgenössischer Quattro-Treiber, die ihre neu gewonnenen Traktions-Möglichkeiten überschätzt haben. Vor allem auf schneebedeckter Straße: So unerbittlich es auch vorwärts geht, beim Bremsen nützt der Allradantrieb nicht.

Die Wertungsprüfungen gewann der Audi Quattro zwischen den Kurven

Die Rallye-Fahrer behalfen sich durch Linksbremsen und gleichzeitiges Anstellen mittels Pendeln beim Anbremsen. Selbst die Profis hatten mit der prinzipiellen Neutralität zu kämpfen; vor allem mit dem Bestreben, den Grenzbereich über alle vier Räder rutschend zu verlassen. Der Audi Quattro gibt keine eindeutige Rückmeldung, wohin er will. Mal meint man, es schiebt vorn, dann wiederum scheint er mit dem Heck zu drücken. Die Wertungsprüfungen gewann der Audi zwischen den Kurven – er beschleunigte auf rutschigem Terrain allen davon. Heute kann der Audi-Allrad auch Kurven, im Audi RS5 vor allem dank dem optionalen Sportdifferenzial samt zweier Überlagerungsgetriebe. Beim Anlenken oder Beschleunigen in einer Biegung dirigiert es das Moment gezielt zum kurvenäußeren Hinterrad, was Untersteuern entgegenwirkt und dem Audi RS5 zu sportwagenähnlicher Querdynamik verhilft. Wer hätte gedacht, welche High-Tech-Entwicklung der schlichte Iltis-Antrieb anstoßen würde?

Ohne Allradantrieb wäre der heutige Erfolg von Audi nicht denkbar

Die Kraft eines Turbomotors auf alle vier Räder loszulassen, das Ganze in der Hülle eines Sportwagens – dieses Konzept war ähnlich revolutionär wie zuvor der Frontantrieb und traf den Zeitgeist der technikverliebten Achtziger. Ohne Allradantrieb wäre der heutige Erfolg der vier Ringe nicht denkbar. Statt zum Verkaufsschlager wurde der Ur-Quattro zur Grundlage für Audis heutigen Wertekanon und verhalf dem Allradantrieb zum dauerhaften Durchbruch jenseits des Geländes. Zu Recht hat sich der Oldie als Held im Gedächtnis festgesetzt und wird immer schlicht „der Quattro“ bleiben. Dass er aus heutiger Sicht längs- wie querdynamisch eher ernüchtert, kratzt kein bisschen an seinem Status. Noch immer sorgt er für Gänsehaut – wenn ihn Walter Röhrl auf Youtube um die Kurven drischt und dabei sein unnachahmliches Pedal-Ballett aufführt.

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