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Audi Q3 Trans China Tour 2011, Tag 7
Die verlorene Welt

Der siebte Tag führt die Audi-Q3-Trans-China-Tour in eine Gegend, die es in Kürze nicht mehr geben wird. Der Tross reist durch die Provinz Fujian, die trotz ihrer Schönheit bei vielen Einheimischen nicht allzu beliebt ist.

10/2011, Audi Q3 Trans China Tour 2011, Tag 7
Foto: Markus Stier

Die zerklüfteten Berge und sattgrünen Hügel der Provinzen Fujian und Zhejiang, im südöstlichen Zipfel des Reiches der Mitte, gelten unter China-Besuchern als eine der landschaftlich schönsten Ecken, dabei wollen die Einheimischen meist nur weg. Die Bewohner sind unter anderem wegen fehlender beruflicher Perspektive für ihre Auswanderungsgelüste berühmt; im Ausland finden sich reihenweise Köche und Kellnerinnen aus dieser Gegend. Die Landflucht hat eine Jahrhunderte alte Tradition, und so erließ der Kaiserhof in Peking schon im 18. Jahrhundert ein striktes Ausreiseverbot.

Unsere Highlights

Die orangefarbene Audi-Karawane hat die Autobahn nach rund 200 Kilometern verlassen, und fährt über Land. Einspurig windet sich eine staubige Betonpiste in Serpentinen in die Berge durch ein Spalier von Tausenden von Bananenbäumen. Autofahrer müssen bei Gegenverkehr aufpassen, nicht in die tiefe, gemauerte  Wasserablaufrinne zu rutschen. Die Gegend ist subtropisch und in den Sommermonaten wirft der Monsun regelmäßig schwere, nasse Frachten ab.

Endlich keine Autobahn mehr

Bisher waren wir fahrerisch vor allem Stadtverkehrsgewühl und Spurenspringen auf der Autobahn gewöhnt. Le-Mans-Sieger André Lotterer, der in Shanghai zur Gruppe stieß, musste sich erst justieren, kommt aber wie die meisten Mitreisenden zu dem Schluss: Das macht Spaß. Lotterer lebt sonst in Japan und meint: "Beide Länder haben eben das Problem, zu wenig Platz zu haben." Während aber der Japaner im Allgemeinen still und geduldig sein tägliches Stauwerk verrichtet, geht der Chinese eben forsch und heftig hupend zur Sache. Lotterer nennt diese Fahrweise: "Freestyle".

Doch heute gibt es endlich mal richtig enge Kurven und nicht nur Ampelabzweige, endlich richtige Steigung, endlich Natur. Wer Fujian beschreiben soll greift im Normalfall zur altbekannten Formel: acht Teile Berge, ein Teil Felder und ein Teil Wasser.

Letzterer wird sich in dem Tal, in das wir nach dem Höhenzug rollen bald drastisch vergrößern. Die Siedlungen entlang des kleinen Flusses sind zum Teil schon halb verlassen, was in diesem Fall nicht mit Abwanderungsgelüsten ihrer Bewohner zu erklären ist. Die für unsere Augen so idyllische Welt ist eine verlorene, denn am unteren Ende des Tals stehen zwei Dämme. Einer davon soll bald drastisch erhöht werden, um den See erheblich zu vergrößern, dann taugt unsere heutige Reiseroute in weiten Teilen nur noch als Tauchparadies.

Darmspülung mal anders

Unseren rund 50 Kilometer währenden Ausflug ins ländliche Südchina empfinden die meisten als zu kurz. Alle paar hundert Meter steht ein Audi Q3 , während seine Insassen mit ausgehungerten Kameras und gierigen Objektiven ausschwärmen, um Fotos zu machen, egal ob badende Gänse im Dorfbach oder die alte Dame mit dem silbern blinkenden Gebiss, die mit ihrem Sohn neben der Straße an einem gekachelten Becken steht und Hühnerinnereien reinigt. Schüchtern versteckt sie sich zunächst hinter dem Becken, kapituliert aber alsbald grinsend vor der Übermacht der Linsen und kramt wieder im Gekröse des Vogels. Da bekommt der Begriff Darmspülung eine ganz neue Dimension.

Viele Audi Q3 kommen erst am fortgeschrittenen Nachmittag am für die Mittagsrast ausersehenen Restaurant in Xiamen an.

Seit jeher als Handelshafen geschätzt, rissen sich im 16. Jahrhundert die Europäer die Stadt unter den Nagel, um von hier aus Tee zu exportieren. In unseren Breiten nahm man von der für Kleinstadt  (heute mit einer Millionen Einwohner vergleichsweise mickrig) erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts Notiz, als das Kaiserreich der Qing-Dynastie im ersten Opiumkrieg gegen britische Invasoren den Kürzeren zog.

Opiumhandel der Engländer

Die Engländer wollten den Drogenhandel dabei in keinster Weise unterbinden. Sie selbst führten in großem Stil Opium in China ein, um im Gegenzug gute Geschäfte zu machen, im gleichen Stil, wie man in Nordamerika Indianer betrunken machte, um ihnen ihr Gebiet abzuschwatzen. Nach einer Seeblockade musste der Kaiser nachgeben und sein Reich zwangsweise öffnen, die Kolonialmächte übernahmen mehr und mehr das Kommando. Das heute oft martialische Auftreten, das demonstrative Zurschautragen von Selbstbewusstsein chinesischer Politiker im Ausland rührt nicht nur von der erheblichen Wirtschaftsmacht des Landes her, es ist auch eine späte Trotzreaktion auf die Zeit der "ungleichen Verträge", als das einst so mächtige China eine Demütigung nach der anderen ertragen musste.

Und so befasst man sich in der langen Tradition gewaltsamer Episoden in der Geschichte von Xiamen lieber mit Zhengg Chenggong, den wir der Einfachheit halber im Folgenden mit seinem zweiten Namen Koxinga erwähnen wollen. In Japan geboren, war Koxinga der Stolz seines Vaters, erwies er sich doch schnell als talentiert im Erlernen des Familiengewerbes, das aus Handel, Schmuggel, Seeräuberei und Schutzgelderpressung bestand.

Koxinga war so etwas wie der Francis Drake der Ming-Dynastie, der er gegen die aus der Mandschurei eingedrungenen Qing mit erheblichem Truppen- und Flottenaufgebot zur Seite stand. Bei der Eroberung seines Wohnortes Quanzhou nahm sich seine Mutter das Leben, im Gegenzug eroberte er fast Nanjing. Der Feldzug scheiterte aber, weil der Feind in seine Geburtstagsfeierlichkeiten platzte.

Beschimpfungen per Lautsprecher

Koxinga zog sich zunächst nach Xiamen zurück, aber die Qing ließen die gesamte umliegende Küstenregion entvölkern und dem heerführenden Piraten blieb nur die Reise ins Exil. Auf der nahe gelegenen "Schönen Insel" Taiwan gründete er ein eigenes Königreich, wo er auch 1662 starb. Heute steht er in Xiamen in martialischer Pose auf der Insel Gulang Yu, 16 Meter hoch aus dem Granit gehauen.

Das alles sei hier mit dieser Ausführlichkeit erwähnt, weil der Ausflug über die ostchinesische See nach Osten bis heute den Anspruch Chinas auf Taiwan begründet. Der wachsende Nationalismus der Chinesen fordert die Wiedereingliederung, die Trennlinie verläuft wenige Kilometer vor der chinesischen Küste. Vor Jahrzehnten warf man sich hier mit Flugblättern und Lautsprechern regelmäßige Beschimpfungen an den Kopf.

Erst mit der Ernennung zur Wirtschaftssonderzone 1981 gab es für beide Seiten etwas Entspannung. Xiamen wurde zum Vorreiter des Kapitalismus chinesischer Prägung und legte einen rasanten Aufschwung hin, der heute dazu führt, dass der Klassenfeind von der abtrünnigen Insel in großen Scharen einfällt, denn viele Taiwaner schätzen Xiamen als Urlaubsziel und Einkaufsparadies.

Hühnerfüße für Le-Mans-Sieger André Lotterer

Die frühe Ankunft nützen auch einige Audi-Reisende zum Shoppen, und so sitzt mancher beim Abendessen mit einer schwarzen Parteimütze samt rotem Stern. Zudem werden, wie am Vortag, frisch erstandene Köstlichkeiten aus unter dem Tisch versteckten Plastiktüten gekramt und Kellnerinnen in verschwörerischem Ton aufgefordert, gekochte Hühnerfüße und manch Undefinierbares mit ein bisschen Garnitur auf Porzellanplatten drapiert am Nachbartisch als nächsten Gang zu servieren. Die wichtigste Regel heißt also neuerdings beim Essen: Kommt etwas Unbekanntes mit leicht ekligem Aussehen an den Tisch, zunächst in der Umgebung Ausschau nach Kameras und gereckten Hälsen halten.

Letzter Schrei am vergangenen Abend war das primäre Geschlechtsteil eines Stieres, das knochenhart getrocknet und wegen seiner beachtlichen Länge geknickt auf dem Teller liegend auch als Ziegenbein durchgehen könnte. Selbst der von Audi mitgereiste Arzt vermochte den verdorrten Bullenpenis nicht zu identifizieren. Der Tapferste unter den Genarrten ist bisher ausgerechnet Renn-Profi Lotterer, der schon am Freitag mutig in einen Hühnerfuß biss und dann allerorten die Frage beantworten musste, wie es denn war. Die Antwort fiel etwas kurz aus: "Irgendwie knochig."

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