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Audi Q3 Trans China Tour 2011, Tag 6
Bitte nach Ihnen, Herr Außenminister

Der sechste Tag der Audi-Q3-Trans-China-Tour war mit 640 Kilometern die längste Etappe der gesamten Reise. Sie wurde gar noch länger, weil ein hochrangiger Staatsgast für eine Autobahnvollsperrung sorgte.

10/2011, Audi Q3 Trans China Tour 2011, Tag 6
Foto: Markus Stier

China ist ein Land voller Mythen und Legenden, das stellen Einheimische und Besucher nicht nur beim Betrachten der staatlichen Fernsehnachrichten fest. Eine der beliebtesten Geschichten, die man sich aus Hanghzou erzählt ist die einer Schlange, die sich mit göttlicher Hilfe in ein schönes Mädchen verwandelt, sich verliebt und ein Kind gebärt. Weil sie aber verbotenerweise vom Zaubertrank eines Mönches getrunken hat, sperrt der sie in einem Turm ein und verkündet, sie nur freizulassen, wenn sie den Westlichen See ausgetrocknet und den Lei Feng-Turm zum Einsturz gebracht hat. Wie die jährlich Millionen Besucher sehen, ist im See noch Wasser, und auch der Turm steht noch. Das kommt daher, dass nach zwei Jahrzehnten der mittlerweile herangewachsene Sohn die Göttin Pu Sa so rührte, dass sie den Mönch überredete, die Gefangene freizulassen. Von da an lebten alle glücklich bis an ihr Lebensende.

Unsere Highlights

Voller positiver Energie machen wir uns auf nach Fuzhou, was kein Spaß ist, denn bis dahin ist die längste Etappe der Audi-Trans-China-Tour zu überwinden. Abgesehen von der Mittagsrast besteht die gesamte Strecke nur aus Autobahn, und das ist heute besonders schade. Die Route führt nämlich durch eine wunderschöne Gegend, in der steile Berge wie Drachenzähne aus dem Boden ragen, sich Terrassenfelder über enge Täler ergießen, auf denen goldgelbes Getreide steht, während es an den Hängen unablässig in sattem Grün wuchert. Was würden wir um einen Tag mehr und einen Streifzug durch diese Landschaft geben?

Europäer sollten sich ein Beispiel nehmen

Zudem hat sich auch das für einen Tag mit Hochnebel und Smog verhangene Wetter bis zum späten Vormittag berappelt. Die fahle Scheibe am Himmel kämpft sich durch und wird wieder zur Sonne. Die verdunkelt sich allerdings alle paar Kilometer, denn die zweispurige Autobahn führt andauernd über Stelzen und durch unzählige Tunnel. "Die sind aber top in Schuss. Da können sich die Europäer mal ne Scheibe von abschneiden", sagt Kompagnon Jörg Petersen, der im Dienste der Schweizer Auto-Illustrierten steht und mit dieser Aussage bei den eidgenössischen Behörden leichtfertig seinen Status als Grenzgänger riskiert.

Wer in einen chinesischen Autobahntunnel einfährt, erschrickt alsbald, weil plötzlich eine laute Stimme zu ihm spricht. Sie kommt nicht aus dem Radio, dem Navigationsgerät und auch nicht aus dem eigenen Kopf oder vom kleinen Mann auf der eigenen Schulter. Die Stimme ist weiblich und spricht aus dem Tunnel. Sie ist allerdings keine verwunschene Schlange und ein spukendes Mädchen, sondern schlicht eine Lautsprecheransage, die die Einfahrenden mit großem Schall zum Verharren auf ihrer Spur, zum Respektieren des Tempolimits mahnen und vom Anhalten abhalten soll.

Das tut sie selbstverständlich in Chinesisch, in ständiger Wiederholung, deren Monotonie zuweilen von einer eingespielten Polizeisirene unterbrochen wird. Du fühlst dich plötzlich wie in einem James-Bond-Film. Du bräuchtest eine Stunde, um am anderen Ende des Tunnels die Welt zu retten, aber du hast nur fünf Minuten, weil jemand Alarm ausgelöst hat. Und so heult die Sirene, und die teilnahmslose Computerstimme verkündet. Diese thermonukleare Weltvernichtungseinrichtung zerstört sich in 295 Sekunden selbst. Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.

Mark Knopfler im Ohr, die Schlucht vor uns

Abgesehen von der Tatsache, dass man als Autobahnreisender nicht mal eben anhalten und ein Foto dieser wunderschönen Schlucht da drüben rechts machen kann, die bei Tempo 100 nach acht Sekunden aus dem Sucher verschwindet, haben wir auch einen schönen Tag. In der Entertainment-Datenbank unseres Audi Q3 knarzt gerade Mark Knopfler auf der Gittarre, wir sind nach der Mittagspause gut gefüttert, und Stier lässt sich auf dem rechten Sitz in die wohlige Bewusstlosigkeit eines Verdauungsschläfchens sinken, da schreckt er plötzlich wieder hoch, weil das Auto steht und von lauter Chinesen umringt ist. "Da vorn geht nichts mehr", sagt Jörg lapidar.

Es ist einer dieser Staus, wo ohne Absprache alle wissen, dass es keine Hoffnung gibt. Einer macht den Anfang, steigt aus, geht eine rauchen, alle anderen richten sich ebenfalls häuslich ein. Das führt dazu, dass die Umgebung unseres Audi Q3 zum Eingang der Herrentoilette mutiert. Eine komplette Busladung streift am Heck vorbei und erleichtert sich jenseits der Leitplanke. In China müssen die Säfte fließen, Stau ist ungesund, nicht nur auf der Straße, daher ist langwieriges Einhalten verpönt. Anschließend lassen die Eingeborenen ihrer Neugier freien Lauf und wollen von Jörg wissen, was wir hier so treiben, denn im Schlepp auf der Standspur parkt in loser Abfolge noch ein weiteres Dutzend Q3 und Q5 aus dem Begleitfahrzeug-Tross.

Es war so knapp. Der Stauanfang liegt nur 200 Meter vor uns. Ursache ist nicht etwa ein schwerer Unfall oder ein liegengebliebener Lkw, sondern ein paar Gummipylonen, die von den daneben lungernden Polizisten aufgestellt wurden. Die Straße ist gesperrt – ja, aber warum?

Nachrichtendienst Gerüchteküche

Da China ein Land ist, das aus langer Erfahrung weiß, wie wenig den Medien und offiziellen Verlautbarungen zu trauen ist, bedient sich der Chinese der Methode xiao dao xiao xi, was übersetzt „Nachrichten des kleinen Weges“ bedeutet und auf Gutdeutsch Gerüchteküche meint. Die treibt im Mobilfunkzeitalter dank SMS gewaltige Blüten, und so will eine unserer einheimischen Begleiterinnen per Handy recherchiert und erfahren haben, dass der vietnamesische Außenminister zu Besuch ist, dem man Staus oder den normalen alltäglichen Wahnsinn auf Chinas Schnellstraßen nicht zumuten kann. Und so stehen wir jetzt im Stau.

In Deutschland müssten sich die Polizisten zügig eines zunehmend aufgebrachten Mobs erwehren, der sie mit Fragen wie "Wissen Sie eigentlich, wer ich bin", oder "Haben Sie eine Ahnung wie viel Geld mich diese Verzögerung kostet", bombardiert. In China steht man herum oder hält ein Schwätzchen oder macht ein Schläfchen. Neben den Führerhäusern der Lastwagen häufen sich in kurzer Zeit kleine Abfallhügel aus Obstschalen und Verpackungsresten, man hat mit dem Vespern begonnen.

Zwei offensichtlich einer staatlichen Einrichtung für Verbesserungen in Medaillenspiegeln entlaufene Versuchskaninchen posieren fürs Foto und präsentieren einen mächtigen Trapezius und ihren aufgepumpten Bizeps. "Ich bin ein Kämpfer", sagt der eine und geht in boxerische Rechtsauslage. Sein Kumpel in Muscle-Shirt und Tarnjogginghose lässt lieber andere kämpfen. Er hat eine dicke Heuschrecke gefangen und wirft sie ins Netz einer langbeinigen Spinne, die mit ihrem Schwarzgelben-Muster entweder für die Sicherung von scharfkantigen Industrieeinrichtungen zuständig ist oder schlicht gefährlich. Jedenfalls trauen sich auch die Muskelmänner nicht näher heran, außer, um eine weitere Heuschrecke herunterplumpsen zu lassen.

Mit Tierschutz hat in China weiterhin allenfalls eine Minderheit etwas am Hut, und so wundert es nur kurz, dass in den sich ständig ruckartig bewegenden Säcken auf der Ladefläche eines Kleinlasters lebende Kaninchen stecken, die verzweifelt versuchen, in der schwülen Wärme und schlechten Luft etwas Sauerstoff zu bekommen. "Ich glaube, in China bin ich Vegetarier", verkündet Fotograf Thomas.

Stau, Startplatz, Safetycar

Die dreispurig eingesperrten Menschen werden erst nach knapp anderthalb Stunden wieder in die Freiheit entlassen. Sofort springt alles in die Autos. Wir haben den zweitbesten Startplatz im Audi-Rennen. Die führende Nummer 19 haben wir noch vor dem Tunnel abgeklemmt, dabei schlüpft zwar auf dem Standstreifen der Fotografen-Q5 vorbei, aber der fährt außer Konkurrenz.

So biegen wir also 15 Kilometer weiter nach der Safetycar-Phase in Führung liegend zum einzigen Tankstopp in die Boxengasse ein. Nach fünf Minuten Stillstand geht es weiter, der nächste wird allenfalls drei Minuten später die Verfolgung aufnehmen können. Vor uns liegt eine gähnend leere Autobahn. Vor dem Superstau ist die australisch-amerikanische Paarung und das Team Slowakei glücklich durchgeschlüpft. Die Slowaken konnten mitten auf der Autobahn anhalten, spazieren gehen und fotografieren. Beide Autos sind längst im Ziel.
 
Uns winkt immerhin noch der letzte Platz auf dem Podium, und wie sich später herausstellt, hat niemand eine Chance, ihn uns streitig zu machen. Das liegt nicht nur daran, dass wir in einem Anflug von Erleuchtung die zugestaute Haupteinflugschneise nach Fuzhou mit einem geschickten Segelmanöver umschiffen, in dem wir gegen die Empfehlung des Navisystems zügig nach Steuerbord halsen, um mit einem langen Schlag nach Westen erst einmal ordentlich Höhe zu machen, um dann in Richtung Hotel mit erhöhtem Tempo auf Steuerbordbug und Südkurs einen Bombenendspurt zur Zieltonne hinzulegen. Wir haben vielmehr deshalb den Rücken frei, weil kurz nach unserem Tankstopp ,zwei Tunnel weiter, erneut die Autobahn gesperrt wurde. Vielleicht hat der Staatsgast an der Raststätte beim Erwerb gekochter Hühnerfüße an der Raststätte seinen Blackberry vergessen und musste umkehren.

Während sich Petersen und Stier schon zuprosten, hat die Mehrheit noch 120 Kilometer vor sich. Das Abendessen wird um eine Stunde auf halb neun verschoben. Immerhin sind gegen neun alle da. Es hätte schlimmer kommen können, wie das Gerücht beweist, das Anfang Oktober die Runde machte, als Wladimir Putin Peking besuchte. Die Polizei sperrte weiträumig die Straßen, und sperrte so Zehntausende von Bewohnern ein oder aus. Angeblich vergaß die Staatsgewalt, ergriffen vom hohen Besuch aus Moskau, die Sperren anschließend wieder zu entfernen. Das jüngste Gerücht besagt übrigens, dass der Vietnamesische Außenminister im gleichen Hotel logiert wie wir. Daher muss die Geschichte hier enden, denn wir müssen jetzt los, wir haben mit dem Herrn noch ein Hühnchen zu rupfen.

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