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Ansichtssache Saab-Pleite
Kulturgut oder One-Hit-Wonder?

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Saab hat Insolvenz angemeldet und wird wohl vom Markt verschwinden. Damit geht ein Stück Automobilkultur verloren, findet Jens Dralle. Jens Katemann weint der Marke dagegen keine Träne nach.

Saab, Jens Dralle, Jens Katemann
Foto: Dino Eisele

Für Jens Dralle geht ein Stück Automobilkultur verloren

Ob ich meine erste Liebe in einem Saab geküsst habe? Nein, das passierte erschütternderweise in einem 86er Ford Fiesta Diesel. Wie viele Kinder ich in einem Saab gezeugt habe? Kein einziges, in überhaupt keinem Auto. Lag vielleicht am 86er Ford Fiesta Diesel. Ich habe auch noch nie einen Saab besessen. Warum also für die schwedische Außenseiter-Marke eine Lanze brechen? Weil sie zum automobilen Kulturgut gehört. Weil sie sich zudem Design-Trends schon verschloss, als andere Hersteller noch danach suchten – und es zum Teil bis heute tun. Damit bewahrt sich Saab jene Individualität, die anderswo mühsam das Marketing kreieren muss.

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Wars das etwa schon? Noch lange nicht. Weil Saab außerdem den Turbomotor kultivierte. Und weil die Schweden es schafften, auf Basis der Tipo-Plattform ein ordentliches Auto zu bauen, während Fiat einen Croma, Lancia einen Thema und Alfa Romeo ein 164 daraus zimmerten. Aber kein Auto. Der Saab 9000 war eines – edel, geräumig und komfortabel, mit größtenteils kräftigen Antrieben. Ein stimmiges, perfekt mit den Markenwerten harmonierendes Konzept also.

Saab weiß, wie man Premium-Modelle baut

Erstaunlicherweise schaffte es selbst GM nicht, das zu ruinieren – um nur wenig später den merkwürdigen 9-2X zu basteln, da hat er recht, der Kollege Jens Katemann. Nicht zu vergessen: der brunftige 9-7X. Doch aufgemerkt: Der auf Opel Insignia-Basis entstandene 9-5 geriet respektabel, und zwar nach dem allseits bekannten Rezept für Premiummarken: Hinter einer individuellen Fassade arbeiten millionenfach günstig eingekaufte Komponenten, die fähige Ingenieure zum einem hochwertigen Ganzen zusammenmischen. Sicher, Audi, BMW, Mercedes müssen vor dem 9-5 mindestens ebenso zittern wie vor dem neuen Lancia Thema, eine reizvolle Alternative ist er jedoch allemal. Außerdem investierte der US-Konzern einige hundert Millionen Euro in die Modernisierung des Stammwerks Trollhättan und brachte die Entwicklungsabteilung auf Vordermann, da deren Turbo-Knowhow auf einmal konzernweit gefragt war. Stichwort: Downsizing.

Doch auf Druck der Aktionäre verscherbelten die Amerikaner in Krisenzeiten Saab an die Sportwagen-Bastelbude Spyker und deren Besitzer Victor Muller, dessen Eloquenz seine finanziellen Mittel bei weitem übersteigt. Bis heute konnte der Jurist aus den Niederlanden nicht das erforderliche Geld für eine glückliche Reanimation herbeiquasseln. Den Einstieg chinesischer Investoren blockieren derweil die Angsthasen von GM, um den Wissenabfluss nach Asien zu verhindern. Ford störte das beim Volvo-Verkauf offenbar nicht.

Jetzt kreist der Pleitegeier über Trollhättan, über einem Hersteller, dessen Image noch immer stärker ist als das der gesamten asiatischen Autoindustrie. Und der weiß, wie die derzeit so angesagten Premium-Fahrzeuge entwickelt und gebaut werden können. Und der über eine hübsche Tradition verfügt, sogar mit ein paar Motorsport-Erfolgen gewürzt. Also: Wo bleibt der starke Partner, den die Schweden brauchen? Dann könnten wenigstens meine Kinder irgendwann ihre erste Liebe in einem Saab küssen.

Für Jens Katemann ist Saab schon seit Jahren entbehrlich

Bei autoscout24, dem großen Online-Marktplatz für Gebrauchtwagen, stehen derzeit rund 1,9 Millionen Autos zum Verkauf. Darunter befinden sich lediglich 1.356 Saab. Doch die schwedische Marke ist nicht nur statistisch bedeutungslos, sondern auch schon seit vielen Jahren entbehrlich. Die glorreichen Zeiten des Turbomotoren-Pioniers sind doch eine halbe Ewigkeit vorbei. Welches Saab-Modell hat sich denn in den vergangenen 20 Jahren mit technischen Highlights oder derart unverwechselbarem Design von der Masse abgehoben, dass sich Autokenner die Nase an den Scheiben der Ausstellungsräume platt drückten?

Stattdessen gab es Einheitsbrei zum Premiumpreis: Mit Grausen erinnere ich mich an den wenig inspirierten Saab 9000, der sich Komponenten mit den Modellen Fiat Croma, Lancia Thema und Alfa Romeo 164 teilen musste. Als Messias stieg 1989 der US-Gigant General Motors bei Saab ein, die Strategie blieb beim 9-3 jedoch die alte: Viele Gleichteile mit dem Opel Vectra sollten die angespannte Kostensituation schon damals hatten sich die Kunden von Saab abgewendet verbessern und die Marke wieder wettbewerbsfähig machen. Doch die Saab-Ingenieure konstruierten einen Großteil der Komponenten neu und stellten so zwar ein eigenständigeres, aber deutlich teureres und keineswegs besseres Auto auf die Räder als die Rüsselsheimer. Das konnte doch nicht klappen.

Saab 9-2X war der Tiefpunkt

Tiefpunkt war aber der 9-2X, der lediglich ein leicht retuschierter Subaru Impreza war und wirklich überhaupt nichts mehr mit dem avantgardistischen Anspruch der schwedischen Marke gemein hatte. Gott sei Dank ist er den deutschen Kunden erspart geblieben. Nach den jüngsten, mal wieder erfolglosen Rettungsversuchen mit chinesischen Investoren soll der niederländische Saab-Eigner Victor Muller nun bei der türkischen Regierung und dem indischen Autobauer Mahindra anklopfen. Das kommt mir wie das Verhalten eines alternden Musikers vor, der vor 30 Jahren einmal einen Hit gelandet hat und nun nach unzähligen Flops unverdrossen versucht, einen neuen Plattenvertrag zu bekommen. In einem solchen Fall finde ich es besser, Schluss zu machen und sich stattdessen ab und zu den alten Hit anzuhören.

Mir macht es Spaß, im Sommer den gepflegten Saab 900 Cabrios nachzuschauen. Und da ist die Marke doch in guter Gesellschaft. Autofans aus aller Welt bewundern puristische englische Roadster von Austin-Healey oder Triumph, obwohl keine dieser beiden Traditionsmarken heute noch neue Autos baut. Liebe Saab-Fans, ergattert Euch lieber schnell noch einen gut erhaltenen Saab 900, statt Eurer Marke hinterherzutrauern. Aber Ihr müsst Euch beeilen: Bei autoscout24 sind keine 200 Exemplare inseriert.

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Auto Straßenverkehr 13 / 2021

Erscheinungsdatum 26.05.2021

76 Seiten