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Ansichtssache Cabrio
Gelebte Freiheit oder einfach nur peinlich?

Inhalt von

Für Peter Wolkenstein gibt es nichts Schöneres, als offen zu fahren. Jens Katemann hat dagegen lieber ein festes Dach über dem Kopf. Das Cabrio - die große automobile Freiheit oder eine unnötige Fahrzeug-Gattung?

Jens Katemann, Peter Wolkenstein
Foto: Dino Eisele

Peter Wolkenstein pro Cabrio

Ja, ich geb’s zu: Es gibt Tage, da macht mir das Offenfahren keinen Spaß. Wenn es regnet, mag ich auch zu Fuß nicht freiwillig vor die Tür gehen. Aber sonst jederzeit. Dazu muss weder der Himmel wolkenlos sein noch die Sonne scheinen oder das Thermometer 20 Grad Celsius überschreiten.

An der frischen Luft sein, Vögel zwitschern hören, meine Umwelt ungefiltert wahrnehmen – alles kleine Sinnesfreuden, die ich auch beim Autofahren nicht missen möchte. Offene Fenster oder ein Schiebedach sind mir zu wenig, dafür nehme ich Jacke, Schal und Mütze beim Cabriofahren gerne in Kauf. Und der kalte Fahrtwind? Lässt sich per Windschott und geschlossene Seitenscheiben nahezu aussperren. Oder minimieren, indem man schlicht Tempo rausnimmt. In keinem Auto fahre ich so gerne langsam wie in einem Cabrio. Hektik und Stress haben hier keinen Platz, Geschwindigkeit wird zur Nebensache, Leistung verliert an Bedeutung. Was zählt, ist der Erlebniswert, der sich mit dem Öffnen des Verdecks geradezu potenziert.

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Happiger Cabrio-Aufschlag muss nicht sein

Ob es sich dabei um einen teuren Mercedes SL oder ein günstiges Smart Cabrio handelt, spielt für mein Frischluftvergnügen eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Blickwinkel relativiert sich auch ein wenig der zugegeben meist happige Cabrio-Aufschlag. Um den finanziellen Einsatz in Grenzen zu halten, bieten sich mehrere Möglichkeiten an: Man kann auf die Basisausführung, ein anderes, günstigeres Modell oder einen Gebrauchtwagen ausweichen – Abstriche beim Open-Air-Erlebnis sind damit kaum verbunden. Nicht zu vergessen: Cabrios genießen häufig neben einer günstigen Kaskoeinstufung eine hohe Wertstabilität.

Doch rationale Gründe sprechen für viele eher gegen als für den Kauf eines offenen Autos. Bedauerlich, denn so bleibt es meist ein Traum, während vor der Tür der praktische Familienkombi parkt – ausgewählt nach dem maximalen Anforderungsprofil. Viele dieser vernünftigen Kombis sammeln jedoch die meisten ihrer Kilometer auf dem Weg zum Job und zurück, nur mit dem Fahrer am Steuer und leerem Gepäckraum. Viele Kilometer, die sich im Cabrio wie Urlaub anfühlen können – selbst wenn der Regen auf das Verdeck prasselt, denn die schönsten Cabrios tragen eine Stoffmütze.

Wer ohnehin einen Zweitwagen sein eigen nennt - Glückwunsch, das erleichtert einen Wechsel. Wenn Platz und Variabilität nebensächlich sind, ist der Schritt noch einfacher. Beispiel Mini: Die offene Version ist auch nicht unpraktischer, aber mit ihrer steilen Frontscheibe eines der intensivsten Cabrios auf dem Markt. Bitte mehr davon.

Jens Katemann contra Cabrio

Ich gehörte auch mal zu den Überzeugungstätern, die bei Wind und Wetter offen fahren. Bekleidet mit Mütze, Schal und Handschuhen, stand ich mit voll aufgedrehter Heizung an der Ampel, trug Pilotensonnenbrille, obwohl der Himmel über mir nicht trüber hätte dreinblicken können. Den Kollegen im Büro erzählte ich später hustend, wie gut die frische Stadtluft im täglichen Stau zur Arbeit getan hat. Ich fühlte mich total cool, aber eigentlich hat mir das Cabrio mehr Stress als Spaß bereitet.

Wenn ich nur ans Parken zurückdenke. Immer der bange Blick in den Schatten spendenden Baum über dem Auto. Wenn da jetzt ein Vogel drin sitzt, der mir auf mein Stoffdach scheißt. Das geht nie wieder richtig raus. Und egal welches Unwesen das Wetter auch trieb – das Wochenende verbrachte ich am liebsten offenfahrend. Während andere beim Sport, Spaziergang oder auf dem Fahrrad entspannten, suchte ich auf den Bundesstraßen meine Zufriedenheit. Ganz ehrlich, gefunden habe ich sie dort nur selten.

Doch noch weniger verstehe ich die zweite Sorte der Cabriofahrer, die diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdient hat. Denn sie fährt praktisch nie offen. Entweder ist es zu kalt, zu windig oder viel zu heiß, um ohne Klimaautomatik unterwegs zu sein. Diese Menschen haben Cabrios, weil es hipper ist als eine konventionelle Karosserieform. Das offene Fahrgefühl gibt ihnen aber eigentlich nichts. Besonders lustig ist der Anblick dieser Spezies, wenn sie auf dem Baumarkt-Parkplatz versucht, ihre Frühjahrsblüher in dem engen Kofferraum unterzubringen. Die bekannten Stammtischsprüche – von wegen große Freiheit und so – wirken in solchen Situationen immer besonders lächerlich.

Cabrio als Zweitwagen ist Luxus

Natürlich fahre ich auch heute noch gerne offen. Aber nur, wenn es nicht zu kalt, nicht zu heiß und nicht zu windig ist, ich nicht auf dem Weg zur Arbeit einen Stau erwarte, nicht zum Sport gehe, keine Frau oder Familie belustigen muss, sondern mal richtig Zeit für eine Tour habe. Dann fahre ich Cabrio. Das kommt etwa ein bis zwei Mal pro Jahr vor, und da leihe ich entweder eins aus – was übrigens viel billiger ist, als sich dafür eines anzuschaffen – oder fahre dann doch lieber Fahrrad oder Roller. Was ich damit sagen will: Ein Cabrio täglich zu bewegen ist nach meiner Erfahrung weitgehend sinnlos. Natürlich kann man sich für die wenigen Tage mit Cabrio-Wetter eines anschaffen, aber das verbuche ich unter Luxus.

Und kommen Sie mir jetzt nicht mit dem vielzitierten hellen, luftigen Gefühl. Die Natur erlebt der Besitzer eines Autos mit üppigem Panorama-Glasdach meist viel intensiver als der Cabrio-Fahrer durch die Mini-Scheiben der oft geschlossenen Stoffmütze.

Aber richtig, Cabriofahren ist halt cool. Ich pfeife auf das Laienspiel vor der Eisdiele, den Stress mit dem Geltungsbedürfnis. Wer ehrlich zu sich selbst ist, nimmt lieber ein bequemes, wohlklimatisiertes, schickes Auto mit einem Dach über dem Kopf – und überlässt peinlich anmutende Auftritte den anderen.

Die aktuelle Ausgabe
Auto Straßenverkehr 13 / 2021

Erscheinungsdatum 26.05.2021

76 Seiten