Ob und wie der Alfa Romeo fährt, ob er konkurrenz- und gar siegfähig war oder ist und mit welcher Technik er dies bewerkstelligt, ist für das Schönheitsempfinden völlig unerheblich. Er ist schön, dieser Stradale, der an einen blutroten Farbtropfen im Windkanal erinnert – so wunderschön, dass selbst nüchterne Techniker, die lieber über Nockenprofile als über den Goldenen Schnitt diskutieren, andächtig vor ihm in die Knie gehen.
Die Technik des Alfa Romeo Stradale hält, was das Aussehen verspricht
Was auch Sinn macht bei einem lediglich 99 Zentimeter hohen Gefährt, um alle Details des anmutigen Designs zu erfassen – die geschwungenen Radverkleidungen etwa mit den leichten Verbreiterungen oder den schmalen Lufteinlaß vorn mit dem Alfa-Herz in der Mitte oder die schräg stehenden Scheinwerfer rechts und links davon. Das Schönste am T33 Stradale aber ist, dass die Technik unter der von Franco Scaglione gezeichneten und bei der Carrozzeria Marazzi in Caronno Pertusella gefertigten Aluminiumhaut hält, was das aufregende Aussehen verspricht.
Womit wir den Bereich des „interesselosen Wohlgefühls“ verlassen und uns dem Wohlgefühl der Dynamik zuwenden. „Die Spica-Einspritzanlage muckt noch ein wenig, sonst läuft er tadellos“, meint Maurizio Monti, Cheftechniker des Alfa Romeo Museo Storico im Mailänder Vorort Arese, während er den Zweiliter-V8 mit kräftigen Gasstößen auf Temperatur bringt. Diesen ultrakurzhubigen Motor mit Alfa-typischen zwei obenliegenden, kettengetriebenen Nockenwellen pro Zylinderbank hatte Carlo Chiti gewissermaßen im geistigen Gepäck, als der Dottore der Flugzeugtechnik 1964 mit seiner Firma Autodelta zu Alfa zurückkehrte (nach einem ersten Gastspiel von 1952 bis 1957), um für die nächsten zwei Jahrzehnte die Rennaktivitäten zu organisieren.
Rennsportwagen Alfa Romeo Tipo 33 als Vorgänger
Zuvor war Chiti bei Ferrari maßgeblich am 156 Sharknose und dem Gewinn der Formel 1-WM 1961 beteiligt gewesen und hatte danach zusammen mit Giotto Bizzarrini die Firma ATS gegründet, um Ferrari Konkurrenz zu machen – was nicht wirklich gelang. Für ATS wiederum hatte Chiti einen kleinen 1,5-Liter-V8 konstruiert, und mit diesen Erfahrungen – und einer aus den Fünfzigern stammenden Idee für einen Alfa-V8-Motor – ging er nun daran, einen Sportwagenmotor für die Zweiliter-Klasse zu entwerfen. Dieses Projekt hatten der Design-Manager Orazio Satta Puliga und der technische Leiter Giuseppe Busso bereits seit einigen Monaten in Arbeit, der Projektname lautete 105.033 – daher der Name des neuen Rennsportwagens: Tipo 33.
Ungewöhnlich an dem Wagen war vor allem die Rahmenkonstruktion: ein aus abgedichteten, dicken Rohren bestehendes H, in dem das Benzin in Kautschukschläuchen schwappte, verbunden mit einem Magnesium-Hilfsrahmen vorn und der Motoraufnahme hinten. Darin ruht der Zweiliter-V8 längs eingebaut, dahinter arbeitet ein Sechsganggetriebe. Die Radaufhängungen bestehen aus Dreieckslenkern rundum, die Scheibenbremsen hinten sitzen direkt am Differenzial. Am 6. März 1967 wurde der T33 auf der Teststrecke in Balocco vorgestellt, eine Woche später gewann Testfahrer Teodoro Zeccoli im belgischen Fleron ein Bergrennen und setzte einen neuen Streckenrekord. Und weil sich das Rennwagen-Projekt 105.33 so viel versprechend anließ, arbeiteten Satta, Basso und Chiti ab Januar 1967 auch an einer Straßenversion des T33 – mit 95 Prozent der Performance der Basis.