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125 Jahre Automobil
1911–1935: Jetzt geht es richtig los

Ob auf der Rennstrecke oder der Straße – das Automobil trotzt den großen Krisen und nimmt weiter Fahrt auf. Nebenbei gibt das Fließband den Takt der startenden Konsumgesellschaft vor.

Maybach Zeppelin
Foto: Hans-Dieter Seufert, Picture Alliance, Hersteller, AMS, Studio Gaukler

In der automobilen Epoche ab 1911 beschleunigt der Fortschritt unbeirrt weiter. Buchstäblich. Etwa am 23. April 1911 in Daytona Beach. An diesem Tag stellt der Blitzen Benz unter markerschütterndem Hämmern auf dem langen, breiten Sandstrand einen neuen Landgeschwindigkeitsrekord auf, der erst 1919 geschlagen wird. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 228,1 km/h auf dem fliegenden Kilometer ist der Monster-Benz doppelt so schnell wie zeitgenössische Flugzeuge. Kein Wunder, beherbergt seine schlanke Karosserie doch einen Vierzylinder mit mächtigen 21,5 Liter Hubraum und 200 PS.

Auto wird zum Massenverkehrsmittel

Abseits der Superlative beginnt sich das Auto in den Zwanzigern indes vor allem vom exotischen, sündhaft teuren Pferde-Substitut für wenige zu einem massenkompatiblen Verkehrsmittel zu wandeln. Mitverantwortlich dafür: die kostengünstige Fließbandproduktion, angeschoben durch Henry Ford und sein T-Modell.

Der Visionär und Realist produziert nicht nur Autos, sondern kümmert sich gleich noch um die nötige Nachfrage: „Falls wir auf Nachfrage warten, können wir lange warten. Nachfrage schafft sich nicht selbst, sie wird geschaffen. Wenn wir anfangen, in großem Maßstab Güter zu erzeugen und die Löhne hoch genug gestalten, dann wird sich ein Strom von Kaufkraft über das Land verteilen.“

Und Ford lässt Taten folgen, führt 1914 den Achtstunden-Arbeitstag für einen Mindestlohn von fünf Dollar ein. Wohl wissend, dass der freudige Genuss sowohl ein ordentliches Einkommen als auch eine entsprechende Freizeit erfordert. Mit diesen Ideen legt er den Grundstein für die später aufkommende Konsumgesellschaft – ohne darüber allerdings die nüchterne Produktion von Autos zu vergessen.

So purzeln millionenfach T-Modelle von den Bändern. 1920 sind es bereits 1,25 Millionen, die sich in den USA in den Bestand von acht Millionen Autos einreihen. Vorzugsweise in Schwarz, denn diese Farbe ist problemlos aufzutragen und besonders haltbar. Zudem trocknet sie schnell, was den Platz- und Zeitaufwand der Produktion ebenso verringert wie der Rest des durchweg rationell konstruierten Modells.

Citroën lernt von Ford-USA

Um die Ford-Ideen kennen zu lernen und sich zunutze zu machen, bricht 1912 ein europäischer Autopionier in die USA auf. André Citroën besichtigt die Ford-Fließbänder, inhaliert den fortschrittlichen Geist. Der Ingenieur beherrscht zwar das Spiel der Zahnräder (daher der Doppelwinkel im Firmensignet), beim Thema rationelle Produktionsmethoden kann er aber noch dazulernen. Die Einführung effizienter Fließbandproduktion allein genügt dem umtriebigen Citroën nicht.

Daheim installiert er Betriebskindergärten und Alters-Pension, bietet Leasing, Garantie und Service, benutzt den Eiffelturm jahrelang als überdimensionale Werbefläche für eine Citroën- Leuchtschrift. Ebenso fortschrittlich wie die Methoden sind die Modelle, etwa der Traction Avant von 1934, jene bis 1957 produzierte frontgetriebene Manifestation des Fortschritts.

Seine selbsttragende Karosserie senkt das Gewicht, der Einbau des Motors hinter dem Getriebe rückt den Schwerpunkt stärker zur Mitte, die Einzelradaufhängung mit Drehstabfederung sichert endgültig eine tolle Straßenlage bei hohem Komfort. Citroën verspricht nicht zu Unrecht, damit die Zentrifugalkraft zu zähmen, ja macht sogar der Polizei Probleme. Die hat mit ihren miserabel liegenden Dienstwagen keine Chance gegen Spitzbuben, die gern im 130 km/h schnellen, so genannten Gangsterwagen unterwegs sind.

Auto verdrängt die Pferde von der Straße

Doch bevor wir in die Dreißiger tauchen, gilt es noch, die Roaring Twenties zu durchleben und/oder zu überstehen. Eine Epoche mit Bedeutung diesseits und jenseits des Automobils. So zwingt das Auto die bis dahin noch fleißig im Straßenverkehr schuftenden Pferde dazu, ihre Äpfel nicht mehr auf den Straßen zu verteilen und im Stall zu verschwinden, während sich die Städte mit Abgaswolken und Motorengedröhn füllen. Daneben brummt in dieser Zeit das Leben, lässt die großen Städte pulsieren.

In Deutschland geht es allerdings erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts los. Vorher durchschreitet die im ersten Weltkrieg geschlagene Nation ein graues Tal. Die Inflation erreicht 1923 ihren Höhepunkt, vernichtet massig Geldvermögen. Der wohlhabende Mittelstand, potenzielle Kundschaft für die Autoindustrie, hat andere Sorgen als ein neues Auto. Am 15. November 1923 gelingt zwar die Stabilisierung der Währung, doch eine Billion entwerteter Papiermark schrumpft zu einer einzigen Rentenmark.

Opel wird erfolgreichste deutsche Automarke

Trotzdem springt der Motor an. Produziert die deutsche Industrie 1911 nur rund 18.000 Autos, sind es 1925 schon 70.000, 1929 sogar 139.000. Opel etwa entwickelt sich Mitte der Zwanziger zur erfolgreichsten deutschen Automarke, löst die brandenburgische Firma Brennabor ab, die zuvor in Deutschland Platz eins besetzte und in die ganze Welt exportierte. Opel profitiert dabei kräftig vom Laubfrosch, einer Kopie des Citroën 5CV, von dem man das Design und die Produktionsmethode am Fließband übernimmt. Vor Gericht scheitern die Franzosen, da den Richtern die modifizierte Form des Kühlergrills als Differenzierung genügt. Vor allem aber unterscheidet sich der Opel durch seine grüne Lackierung vom meist zitronengelb gehaltenen Franzosen. „Dasselbe in Grün“ schafft es zur Redewendung.

Obwohl der Laubfrosch mit 4.500 Rentenmark zu den günstigen Modellen zählt, repräsentiert er immer noch den Wert eines Eigenheimes. Der „kleine Mann“ muss also weiter auf ein eigenes Auto warten. Importe, wie das in den USA bereits belächelte T-Modell, können daran nichts ändern. Ein anderes Sparmodell startet 1922 in England: Der Austin Seven ist eine Art geschrumpftes T-Modell mit 750-cm3-Motor, der 1928 als Lizenzfabrikation durch Dixi zum ersten BMW wird. Mercedes produziert währenddessen schon sehr erfolgreich Modelle verschiedenen Kalibers, vor allem aber komfortable Tourenwagen, gern auch mit Kompressoraufladung.

Aufstieg der Amerikaner

In den USA wandelt sich der Markt. Statt offener Tourer mit Stoffverdeck kommen geschlossene Karosserien in Mode. General Motors steigt auf, Chrysler kommt hinzu. Marken, die nicht Schritt halten können, gehen in Fusionen unter. Ähnlich wie in Deutschland. Von 86 Autofabriken sind ein Jahr später noch 52 übrig, 1929 sind es bei nur leicht gesunkenen Produktionszahlen gerade einmal 17. Importrestriktionen umgehen die Amerikaner durch Montagewerke in Deutschland. Ford beginnt 1926 in Berlin mit dem Zusammenbau aus der Kiste, zwei Jahre später steigt General Motors bei Opel ein.

Im selben Jahr gibt der Enkel des Firmengründers Adam Opel mächtig Flamme. Im Mai 1928 steigt Fritz von Opel vor rund 2.000 Gästen – darunter Hollywoodstar Rita Hayworth, Dichter Joachim Ringelnatz und Boxer Max Schmeling – auf der Avus in den RAK2, einen offenen, zigarrenförmigen Torpedo auf vier Rädern.

In blauer Lederjacke und weißer Hose schwingt sich der 29-Jährige ins Cockpit, tritt das Fußpedal und zündet 120 Kilogramm Sprengstoff, verteilt auf 24 Feststoffraketen. Der Schub reicht für drei Minuten und maximal 238 km/h, wobei das Biest vorn sogar kurz abhebt, was „Raketenfritz“ nicht davon abhält, ein Jahr später auf dem Frankfurter Rebstockgelände in ein ebenfalls feststoffgetriebenes Fluggerät zu steigen. Einen Versuch mit einem Raketenmotorrad untersagen die Behörden. Wer weiß, vielleicht wäre der gute Fritz sonst niemals 80 Jahre alt geworden.

US-Hersteller bauen Luxusmodelle

Echte Sorgen um ihre Lebenserwartung müssen sich amerikanische Gangsterbosse machen, zum Ausgleich versüßen sie sich die Zeit bis zum Ende mit fetten Automobilen. Begnügen sich Kriminelle in Europa mit dem Traction Avant oder anderen Mittelklasse-Modellen, halten sie in den USA mit Cadillac, Duesenberg, Packard und Co fast schon operettenhaft Hof oder lassen andere mal kräftig Straßenstaub schlucken.

Dabei überzeugen die größtenteils handgefertigten amerikanischen Luxuswagen mit hoher technischer Qualität. So bietet Cadillac ab dem Modelljahr 1930 einen 7,4-Liter-V16 an. Mit rund 180 PS soll er die bis zu sechs Meter langen, fast drei Tonnen schweren Limousinen angemessen beschleunigen, die Konkurrenz – unter anderem die von Ex-Westfalen gebauten Duesenberg – in Schach halten.

Mit mäßigem Erfolg. Das Duesi-Topmodell SJ lässt den automobilen Rest dank 320 PS und über 240 km/h locker hinter sich. Die Zutaten: zwei oben liegende Nockenwellen, Kompressoraufladung, fast sieben Liter Hubraum. Wie damals üblich, liefert Duesenberg Motor und Chassis, den Rest erledigen Karosseriebauer, Sattler und Schreiner. Damit ist jedes Exemplar einzigartig, der Neupreis entspricht heutigen 1,5 Millionen Euro.

Zweitaktmotor bleibt Nischenlösung

Leistungsfähige Blechpressen forcieren jedoch die Produktion von Ganzstahlkarosserien, deren integrierte Komplettfertigung Luxusherstellern wie Duesenberg schwer zu schaffen macht und den Markt der mächtigen Boliden austrocknet. In Deutschland reklamieren derweil die kleinen vorderradgetriebenen DKW mit ihren Zweitaktmotoren pötternd die Zukunft. Eine simple Konstruktion mit wenig bewegten Teilen spricht für das Konzept, mäßige Haltbarkeit und Laufkultur sowie hoher Verbrauch dagegen, was den Zweitakter im Auto zu einer Nischenlösung macht.

Ähnlich schlecht läuft es für aerodynamische Revoluzzer wie den Rumpler Tropfenwagen von 1921. Er überrascht mit einem hervorragenden cW-Wert von 0,28 – erreicht durch die tropfenförmige Karosserie und den glatten Unterboden – sowie Mittelmotor und Einzelradaufhängung. Der Verzicht auf einen Kofferraum, die flatterige Lenkung sowie die unzuverlässigen Motoren verhindern aber einen Erfolg, selbst wenn einige Tropfenwagen als Taxi laufen. Am Ende floppt der Tropfenwagen auf dem Markt, Exemplare von ihm werden im Fritz-Lang-Film „Metropolis“ sogar als Brennmaterial für den Scheiterhaufen der Unheilsgöttin Maria missbraucht.

Da ergeht es dem Chrysler Airflow trotz wirtschaftlichen Misserfolgs noch deutlich besser. Er erscheint 1934, huldigt als erster US-Serienwagen konsequent der Aerodynamik, ein Ergebnis erster Windkanaltests. Außerdem verschieben seine Konstrukteure die Achslasten nach vorn, was sicheres (mehr Bodenkontakt der Vorderräder) sowie komfortableres Fahrverhalten (weichere Federn hinten) ermöglicht. Zudem bietet seine tragende Ganzstahlkarosserie mehr Platz zwischen den Achsen, während die Form der Karosserie nicht nur die Aerodynamik verbessert, sondern wegen des glattflächigen Aufbaus gleichzeitig den Aufwand der Produktion reduziert.

Erkenntnisse also, die der automobilen Welt in den kommenden Epochen noch kräftig nützen werden.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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