Ladehemmungen: Strom an der Säule zapfen

Ladesäule gesucht
Ladehemmungen - Strom an der Säule zapfen

Veröffentlicht am 04.06.2015

auto motor und sport unternimmt den Versuch Licht ins elektrische Dunkel zu bringen. Laut des Fortschrittberichts der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) gibt es in der Bundesrepublik derzeit etwa 4.800 Ladepunkte an 2.400 Standorten. Für die viel besungene Zahl von einer Million Elektrofahrzeugen bis 2020 auf deutschen Straßen (Stand heute: ca. 24.000) bedeutet das, dass noch Verbesserungsbedarf in Sachen Infrastruktur besteht. Laut NPE erfordert ein beständiger Fortschritt ein regierungsseitiges Fördervolumen von rund 360 Millionen Euro pro Jahr. Doch nicht nur das Geld, sondern auch Normen und Standards machen das Thema problematisch.

Viele Köche: Bezahlen mit App, Karte, Chip, SMS oder Hotline

Der Anfang 2015 vorgelegte Entwurf einer Ladesäulenverordnung sieht vor, dass alle neu gebauten Stromtankstellen die Steckersysteme Typ 2 und CCS unterstützen müssen. Japanische Hersteller und teilweise auch General Motors arbeiten hingegen auch hierzulande vorrangig mit Steckern vom Typ CHAdeMO. Dazu kommen von Ladestation zu Ladestation unterschiedliche Abrechnungsmodalitäten. Mal wird per SMS bezahlt, mal per Rechnung am Monatsende. Die einen rechnen die Nutzungszeit einer Ladesäule ab, die anderen den tatsächlichen Stromverbrauch – um nur einige der aktuellen Möglichkeiten zu nennen.

Stand der Dinge ist es außerdem, dass sich Ladestationen mit Vorliebe in Ballungszentren befinden. Von echter Flächendeckung kann also nicht die Rede sein, besonders in ländlichen Gegenden haben es E-Mobility-Freunde schwer. Aber selbst in Elektro-Hochburgen kann nicht einfach nach Lust und Laune an jeder Säule gestromert werden. Deshalb stellen wir hier die alltagstauglichsten Modelle vor:

1.       The New Motion 

Durch eine Vielzahl von Kooperationen hat sich das in den Niederlanden gegründete Unternehmen zu einem Spitzenreiter in der E-Mobility-Branche gemausert. Im Angebot ist eine kostenlose Ladekarte, die den Zugang zu 12.500 öffentlichen Ladestationen in Europa ermöglicht (davon etwa 2.200 in Deutschland). Das Abrechnungssystem ist dabei recht komfortabel. Bezahlt wird per Lastschrift und Sie erhalten eine Rechnung. Darauf sind dann die Kosten des Stromanbieters zu sehen plus einer Pauschale von 0,35 € je Ladevorgang. Zur Planung und Orientierung wird den E-Auto-Fahrern eine schicke App an die Seite gestellt, mit deren Hilfe passende Ladestationen in der Umgebung aufgespürt werden können.

 2.       Ladenetz.de

Bei Ladenetz.de, einem Projekt der Firma smartlab, handelt es sich um einen Zusammenschluss von 48 einzelnen Stadtwerken. Daraus resultieren rund 450 Ladepunkte. Dazu kommen, durch die Zusammenarbeit mit elf weiteren Kooperationspartnern, 1.350 Roaming-Ladepunkte. Zugang zum Netzwerk erhält man entweder mit einer Karte, die bei einem beteiligten Stadtwerk beantragt werden kann, oder mit einem Ladeticket, das entweder mit 7 oder 30 Tagen Gültigkeit im Angebot ist. Weiterhin können Kunden von BMW i (Charge Now), Volkswagen/Audi (Charge&Fuel Card), Nissan (Nissan Charge Card) und Mitsubishi (Mitsubishi ladeticket) die Stationen von Ladenetz.de nutzen.

3.       The Mobility House

Bei diesem Anbieter gibt es eine Prepaid-Karte, mit der anbieterübergreifend an 2.400 Ladepunkten in Deutschland Strom getankt werden kann. Abgerechnet wird dabei nicht die Zeit an der Ladesäule, sondern die verbrauchten Kilowattstunden (0,56 € pro kWh). Ein Vertrag oder eine Registrierung ist dazu nicht nötig. Für den Notfall macht sich diese Karte im Handschuhfach sehr gut.

4.       Mercedes Charge&Pay 

Für Kunden von Mercedes und smart spielt sich der gesamte Prozess in einer App ab. Voraussetzung für die Nutzung ist eine Registrierung und ein PayPal-Konto. Anschließend können in der App alle öffentlichen Ladesäulen gesucht werden. Dabei wird auch direkt der Preis pro Stunde angezeigt. Dieser kann durch die verschiedenen Stromanbieter variieren. Hinzu kommen 1,00 € Service-Roaming-Gebühr und 0,50 € Gebühr für die Abwicklung über Paypal. Der Ladevorgang selbst wird dann mit dem Smartphone gestartet und beendet. Spätestens 48 Stunden nach dem Ladevorgang erhält der Nutzer die Rechnung über seine hinterlegte Mailadresse.

5.       ChargeNow 

Hierbei handelt es sich um eine Plattform von BMW i, die Zugriff auf 2.400 Ladepunkte gewährt. Als Roaming-Partner ist intercharge mit an Bord, aus diesem Grund benötigen Sie neben ihrer ChargeNow-Karte für manche Ladesäulen auch die intercharge App, um etwaige QR-Codes einzuscannen. Die Abrechnung erfolgt hier bargeldlos, da Sie einen Vertrag abschließen. Am Ende des Monats erhalten Sie dann eine Rechnung über alle getätigten Ladevorgänge. Die Kosten belaufen sich auf 9,50 € monatliche Grundgebühr plus minutengenauer Abrechnung zwischen 2 Cent und 28 Cent pro Minute (je nachdem um welche Uhrzeit und ob Gleich- oder Wechselstrom getankt wird). Alternativ gibt es einen flexiblen Prepaid-Tarif mit erhöhten Minuten-Kosten.

6.       RWE 

Der Energiekonzern RWE hat nicht nur ein eigenes Netz von Ladepunkten, sondern arbeitet auch mit Roamingpartnern zusammen. Damit erstreckt sich die Reichweite auf 1.500 Ladepunkte in Deutschland. Auch hier gibt es eine kostenlose App, über die der Ladevorgang gesteuert und die Abrechnung (wahlweise via PayPal oder Kreditkarte) abgewickelt wird. Abgerechnet wird minutengenau, eine Stunde liegt bei 4,95 €. Wer kein Smartphone besitzt kann bei RWE auch per SMS bezahlen, dann wird über den Handyvertrag oder das Handy-Guthaben abgerechnet. Hier belaufen sich die Kosten auf 3,95 € pro Stunde zuzüglich den Kosten für die benötigten SMS. Für beide Dienste ist keine Registrierung nötig. Wer sich nach einer engeren Bindung sehnt, bekommt mit RWE ePower Basic einen Vertrag mit 4,95 € monatlicher Grundgebühr. Saft an der Säule gibt´s dann für 30 Cent pro kWh.

7.       Tesla Supercharger 

Sollten Sie im Besitz eines Tesla Model S sein, dann finden Sie unter diesem Link eine Liste der Supercharger-Ladestationen in Deutschland, an denen Sie ihren Elektroflitzer kostenlos mit Strom betanken können.

8.       Nissan 

Dass die Elektromobilität ihnen am Herz liegt, haben die Damen und Herren von Nissan unter Beweis gestellt. Mit der Initiative „Deutschlandweit kostenlos Strom laden“ bietet der japanische Automobilhersteller einen markenoffenen Service für alle Elektrofahrzeuge. Über 400 Nissan-Autohäuser in Deutschland wurden mit Ladepunkten ausgestattet, an denen Sie ihr Fahrzeug kostenlos unter Strom setzen können. Der Konzern hofft damit als Vorbild für weitere große Konzerne, auch aus anderen Branchen, zu dienen, um die Elektromobilität in Deutschland voran zu treiben. Außerdem kooperiert Nissan über die Nissan Charge Card auch mit ladenetz.de zur gemeinsamen Nutzung der Infrastruktur. Das tut übrigens auch Mitsubishi mit dem "Mitsubishi ladeticket".

Bei Volkswagen und Audi wird die Charge&Fuel Card angeboten. Damit können Sie dann nicht nur an 1.200 Ladestationen in Deutschland den Strom fließen lassen, sondern auch an mehr als 10.000 Tankstellen den konventionellen Sprit bezahlen. Abgerechnet wird nach erfolgreicher Anmeldung immer am Ende des Monats. Kleines Bonbon: Bis Ende Juni 2015 ist das Stromzapfen kostenlos.

Kein Smartphone - kein Strom

In jedem Fall ist also ein funktionierendes Smartphone eine große Hilfe, da viele Anbieter eine App zur Steuerung und Freischaltung der Ladevorgänge nutzen. Um die Verwirrung komplett zu machen: Wenn Sie mit einem Energieversorger wie RWE, E.On, Vattenfall oder der EnBW einen Vertrag für Fahrstrom abgeschlossen haben, dann können Sie damit nicht notwendigerweise alle Ladesäulen benutzen, weil Ihnen unter Umständen die Zugangskarte oder App des entsprechenden E-Mobility Serviceproviders fehlt. Soweit so kompliziert. Um alle Eventualitäten abzudecken, könnten Sie natürlich aus den Vollen schöpfen. Rund 70 verschiedene Verträge, Karten, Chips oder Prepaid-Lösungen tummeln sich derzeit auf dem deutschen Markt – und Sie besorgen sich "einfach" alle. Immerhin: Die Beteiligten scheinen erkannt zu haben, dass eine Zusammenarbeit von Nöten ist. Zahlreiche Kooperationen sind bereits im Gange.

Ladesäulen flächendeckend standardisieren: Bisher nur Vision

Den Versuch, einen flächendeckenden Standard zu schaffen unternimmt derzeit zum Beispiel die Initiative "Schnellladenetz für Achsen und Metropolen", kurz: SLAM. Ziel des Projektes ist es unter anderem bis 2017 deutschlandweit 600 Schnellladestationen mit CCS- und Typ 2-Steckern zu errichten. Das sind Stromtankstellen, mit deren Hilfe sich ein Elektrofahrzeug innerhalb einer halben Stunde bis zu 80% aufladen lässt. Bei einem Ladevorgang mit einem herkömmlichen Haushaltsstecker werden zumeist 6-9 Stunden für eine Ladung fällig. Ein ähnliches Ziel verfolgt der Amerikanische Hersteller Tesla mit seinen Superchargern. 36 davon sind derzeit über das deutsche Straßennetz verteilt. Diese speziellen Stationen laden mit 120 kW innerhalb von 30 Minuten Strom für circa 270 Kilometer Reichweite in die Elektro-Sportlimousinen aus den USA und das auch noch gratis. Andere Fabrikate lassen sich jedoch nicht anschließen. Unter dem Stichwort "eRoaming" ist dem Otto-Normal-Stromer in Deutschland da mehr geholfen. Hersteller, Dienstleister und Betreiber der E-Mobility-Branche verdichten ihre Zusammenarbeit im Sinne einer plattformübergreifenden Nutzung von Ladepunkten.

Es wird deutlich, dass in puncto Standardisierung und Abdeckung noch Nachholbedarf besteht. Doch die Kooperationen sind auf dem Vormarsch und auch neue Ladepunkte kommen beinah täglich dazu. Leitanbieter und Leitmarkt will Deutschland sein. Na dann hopp, es ist noch einiges an Wegstrecke zurückzulegen.