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„Sonntagsauto“
Citroën DS, das innovativste Auto der Welt

Es gibt nur wenige Autos, die einen so bleibenden Eindruck hinterlassen haben wie „La Déesse“. Die Göttin. Der Citroën DS, der 1955 vorgestellt wurde und am ersten Tag über 12.000 Mal bestellt wurde.

Citroen DS
Foto: Citroen

Als der Citroën DS 1955 auf den Markt kam, waren die Autointeressierten Menschen schockiert. So etwas hatten sie noch nie gesehen – und auch nicht von einem französischen Hersteller erwartet. Die hübsche Karosserie effektiv auf Aerodynamik getrimmt, im Fahrkomfort dank Hydropneumatik selbst den Luxus-Limousinen von Rolls-Royce und Mercedes überlegen und mit zahlreichen überraschenden wie überzeugenden Details konstruiert.

Schon am ersten Tag ihrer Präsentation, dem 5. Oktober 1955, gingen mehr als 12.000 Bestellungen bei Citroën ein. Der Erfolg setzte sich bis zum Produktionsende 1975 fort, insgesamt wurden fast 1,5 Millionen Exemplare gebaut (inklusive der Sparversion ID, den Kombi- und Cabrio-Versionen).

Unsere Highlights

Von hinten bis vorne intelligent konstruiert 

Citroen DS
Citroen
Die nichttragenden Komponenten - Kotflügel, Türen, das Dach und die Hauben - sind mit der Karosseriestruktur verschraubt.

Am besten nähert man sich der DS von hinten – mit geöffneter Kofferraumklappe. Denn dann bekommt man einen Eindruck, an was alles die Konstrukteure gedacht haben. Die Haube ist nämlich so geformt, dass bei vollständiger Öffnung die Rücksicht durch das Heckfenster komplett erhalten bleibt – bei welchem Stufenheck-Auto gibt es das noch?

Bei Nachtfahrten können die mitlenkenden Scheinwerfer überzeugen. Andere Hersteller brachten erst deutlich mehr als 50 Jahre später – und auch heute gehört diese sicherheitsrelevante Ausstattung in den meisten Fällen nicht zur Serienausstattung, sondern muss extra bezahlt werden.

Hinter dem Projekt DS stand auf der technischen Seite der geniale Konstrukteur André Lefèbvre, ein erfolgreicher Rennfahrer, der 1927 die Rallye Monte Carlo gewann und im Jahr 1933 von Firmengründer André Citroën eingestellt wurde. Die Gestaltung übernahm der italienische Architekt, Bildhauer und Designer Flaminio Bertoni. Dieses kongeniale Duo hatte schon bei dem innovativen Citroën Traction Avant – dem ersten Serienfahrzeug mit Vorderradantrieb, und bei der Ente, dem 2CV, erfolgreich zusammengearbeitet. Doch selbst diese zukunftsweisenden Automobile konnten die beiden noch übertrumpfen – mit der DS.

Fahren wie auf Wolken dank grüner Kugeln

Citroën gelang mit der hydropneumatischen Federung in der DS ein großer Wurf, dabei gab es diese Technik schon im Vorgänger, der „Gangsterlimousine“ Traction Avant. In deren letztem Baujahr (1953) konnte die Hydropneumatik als Zusatzausstattung geordert werden – allerdings nur an der Hinterachse des 15/6H.

Citroen DS
Citroen
Unter der flachen Front sitzt der Vierzylinder-Reihenmotor, die Hydraulikanlage mit Hochdruckpumpe, Reserverad und die Wagenstütze.

Das komplexe System besteht aus einer Hochdruckpumpe, die über mehr als 34 Meter Hydraulikleitungen die Federkugeln sowie Bremsen, Lenkung und Kupplung versorgt. Statt Federn und Stoßdämpfer sorgen mit Stickstoff gefüllte Kugeln für unerreichten Fahrkomfort. Sobald der Motor läuft, sorgt die über Nockenwelle oder Keilriemen angetriebene Pumpe für Druck im System. Der Citroën DS wird angehoben, der Stickstoff in den Kugeln komprimiert. Das Gas übernimmt die Funktion der konventionellen Feder. Dank automatischer Niveauregulierung bleibt die Bodenfreiheit immer konstant.

Zudem kann der Fahrer die Bodenfreiheit variieren. Auf der Autobahn möglichst niedrig, auf Feldwegen um einige Zentimeter höher – kein Problem dank der Hydropneumatik. Sogar der Radwechsel wurde zum Kinderspiel: Einfach das Fahrwerk auf die höchste Stufe fahren, Wagenheber ansetzen, und per Hydropneumatik wieder absenken. So hebt sich das Rad und kann einfach abgenommen werden.

In 20 Jahren rollen fast 1,5 Millionen Citroën DS vom Band

Die Citroën D-Reihe – DS, ID, DSpecial, DSuper und Sonderaufbauten – gehört mit 1.456.115 produzierten Exemplaren zu den erfolgreichsten Automobilen aus Frankreich. Und weltweit zu den stilbildendsten sowieso.

Weniger Gewicht dank neuer Materialien 

André Lefèbvre konstruierte ein höchst modernes Auto, das seiner Zeit weit voraus war. Basis ist eine selbsttragende Karosserie, bei der ein stabiler Plattformrahmen mit dem Karosseriegrundskelett verschweißt ist. Die nichttragenden Teile wie Kotflügel, Türen, Dach und Hauben waren mit der Karosserie verschraubt.

Citroen DS
Citroen
Die selbsttragende Karosserie besteht aus einem stabilen Plattformrahmen, der mit einer Karosseriestruktur verschweißt ist.

Auch bei der Wahl der Materialien schaute Lefèbvre voraus. Das Dach besteht aus GFK oder Aluminium (bei verbautem Schiebedach), die Motorhaube aus Aluminium, Stoßstangen und Zierleisten aus Edelstahl.

Wie weit Lefèbvre dachte, zeigt auch die Hupe: Sie besitzt zwei Lautstärken, eine leisere für die Innenstadt, und eine laute für die Autobahn. Ganz zu schweigen von dem simplen, aber höchst effektiven Kühlervorhang, der im Winter der Motor schneller warm werden ließ.

Sonderaufbauten des Citroën DS

3 Jahre nach der Premiere präsentierte Citroën die Kombiversion Break, die eine Ladefläche von mehr als 2 Metern besaß. Sie diente auch als Basis für Krankenwagenumbauten.

Zu den teuersten französischen Klassikern gehören die verschiedenen Cabrio-Versionen. Allen voran die berühmten Chapron-Cabriolets. Hier gab es die „Werkcabriolets“, die auf dem Chassis der Break aufbauen. Doch daneben baute Chapron noch etwa 120 Exemplare nach eigenen Entwürfen, meist mit niedriger Frontscheibe. Sie heißen „La Croisette“, „Palm Beach“ und „Le Caddy“ und erzielen die höchsten Preise aller Citroën DS-Varianten. Auch bei Reutter in Stuttgart, bei Beutler in Thun und Authenrieth in Darmstadt wurden DS-Cabriolets gefertigt.

Citroen DS
Citroen
Zählen heute zu den teuersten Klassikern aus Frankreich: Die Cabriolets von Chapron auf Basis des Citroen DS.

Chapron fertigte zudem mehrere Coupé-Versionen der DS, die er „Le Paris“, „Concorde“, „Le Léman“ und „Le Dandy“ nannte.

Bekannt wurde auch der dreiachsige Umbau der DS. Einige dienten als schnelle Transportmittel für frisch gedruckte Zeitungen und für Expressfahrten.

Der bekannteste Sonderaufbau ist allerdings das Präsidenten-Cabriolet und die Präsidenten-Limousinen, die von Charles de Gaulles genutzt wurden. Legendär wurde der Citroën DS schließlich am 22. August 1962, als seine Konstruktion dem französischen Präsidenten de Gaulles das Leben rettete. Beim „Attentat von Petit-Clamart“ wurde der Präsidentenkonvoi beschossen. Auch der Citroën DS, in dem De Gaulles saß, wurde mehrfach getroffen. Eine Kugel traf einen Hinterreifen. Doch dank der Hydropneumatik stabilisierte sich die DS und konnte weiterfahren.

Alle Citroën DS-Nachfolger floppen

Kein Wunder, dass der Nachfolger CX es sehr schwer hatte. Das Äußere geriet weniger spektakulär, hier erhielt die Sachlichkeit Einzug. Die starke Ähnlichkeit zum niedriger positionierten GS sorgte für Unverständnis. Was war aus der gehobenen Mittelklasse geworden?

Der Name „CX“ steht im Französischen für den Luftwiderstandsbeiwert, und das erkennt man auch an der Karosserie. Ganz anders im Innenraum: Hier ist der Citroën wieder völlig avantgardistisch. Zum ersten Mal werden die Funktionen über Bediensatelliten gesteuert.

Zwischen 1974 und 1991 wurden mit rund 1,27 Millionen Exemplaren deutlich weniger verkauft als von der DS. Und der XM, der schon 1989 eingeführt worden war, setzte den Abwärtstrend fort. Nur wenig mehr als 300.000 Exemplare wurden verkauft. Als 2005 der C6 als neuer Citroën der Oberklasse vorgestellt wurde, ahnte man schon, dass auch dies ein Misserfolg wird. Die Technik war zwar wieder anspruchsvoll, doch Citroën ließ den C6 im Jahr 2012 ohne Nachfolger auslaufen.

Die Serie, die Citroën mit dem Traction Avant und dem DS so erfolgreich gestartet hatte, ging sang- und klanglos unter. Umso wichtiger, dass man die Erinnerung an das fortschrittlichste Auto der Welt aufrecht erhält.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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