MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"8192773","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"8192773","configName":"ads.vgWort"}

Shelby AC Cobra
Drei giftige Cobra

Inhalt von

Der Rennfahrer Carroll Shelby aus Texas schuf mit dem Cobra ein Automobil, das durch pure Gewalt besticht. Die Bärenkräfte der hubraumstarken Maschine nehmen ohne aerodynamische Hilfen wie etwa Spoiler den Kampf gegen den Luftwiderstand auf.

Sie lesen hier die Titelgeschichte von Bernd Woytal aus Motor Klassik Ausgabe 11/1987.

Shelby AC Cobra
Foto: Archiv

Seien Sie doch ehrlich. Wenn Sie das Wort Cobra hören, kommt Ihnen zuerst das nach einer Idee des Amerikaners Carroll Shelby entstandene Automobil in den Sinn - und dann erst das in Südasien beheimatete, gleichnamige Reptil. Und fühlen Sie dann nicht auch diese unendlich große Enttäuschung, wenn Sie vergeblich Ihre Garage nach diesem großvolumigen, von einer rassigen Roadster-Karrosserie eingehüllten V8 absuchen?Falls Sie auch noch Herzklopfen und Gänsehaut bei dem Gedanken bekommen, in einem Cobra durch "pedal to the metal" zügig in Bewegung versetzt zu werden - Sie kennen die Legende, dass es dem Beifahrer ein einem vollbeschleunigenden Cobra nicht gelingt, einen an der Scheibe oder Sonnenblende befestigten Geldschein gleich welchen Wertes an sich zu bringen - dann bliebt Ihnen nichts übrig, als weiterzulesen.

Unsere Highlights

Glühend heiße sidepipes

Motor Klassik wollte es nämlich wissen: Sind Cobras wirklich so giftig? Um diese Frage zu klären, bedurfte es eines großzügig bemessenen Geländes ohne Geschwindigkeitsbegrenzung - Motor Klassik wählte deshalb den Hockenheimring, und dort jene Waldgegend, wo Formel 1 des Baujahrs 1987 weit über 300 km/h zu erreichen pflegen. Drei Cobras reisten zur Prüfung an: ein schwarzer des Typs 289 street, Baujahr 1964, ein silberner 289 in Renn-Trimm, Baujahr 1964, und schließlich ein 1966 entstandener, roter 427.

Die Erlebnisse mit diesem Wagen hinterließen bleibende Eindrücke. Der Lärm hochdrehender Achtzylinder sorgt jetzt noch für dumpfes Dröhnen in meinen Ohren, meine Nase scheint ständig den Geruch von Verbrennungsgasen und verbranntem Kupplungsbelag wahrzunehmen, im Rücken spüre ich noch die Sitzlehne, gegen die ich gepresst wurde, und meine Hosenbeine sind in Knöchelhöhe schwarz, weil ich beim Aussteigen nach der Beschleunigungsorgie mit dem glühend heißen side pipe in Berührung kam.

289 als klassischer Cobra

Aber bevor wir auf das Kräftemessen eingehen, wollen wir uns die Prüfkandidaten einmal näher ansehen. Den 289 möchte ich als den klassischen Cobra bezeichnen - klassisch deshalb, weil seine Karosserie es dem Betrachter leicht macht, Parallelen zum Cobra-Ursprung zu ziehen, dem AC Ace ("Ass"). Aufgrund der nicht leicht angedeuteten Kotflügelverbreiterungen wirkt der 289 im Vergleich zum 427 gestreckter - aber auch harmloser. Ihn darum mit einer Cobra zu vergleichen, der die Giftzähne herausgebrochen wurden, wäre schlicht falsch. Ein Blick auf die Messwerte genügt, um das Gegenteil vor Augen geführt zu bekommen.

Die Form des Cobra erinnert an frühe Ferrari-Barchettas und lockt begeisterte Zuschauer an, die manchmal dem Wagen liebevoll über die Kotflügel streicheln. Das, was ein von Meisterkoch Paul Bocuse bereitetes Menü für den Gaumen des Gourmet bedeutet, das bietet der Cobra dem Auge eines Automobil-Liebhabers: die Erfüllung höchster Genussansprüche. Nicht, dass es sich bei der Aluminiumhaut des Cobra um eine stylistische Meisterleistung handelt, vielmehr leidet die Objektivität bei der Schönheitsbewertung stark unter einem Gedanken, der sich immer wieder in den Vordergrund drängt: Mit diesem Ding kannst du fast alles verblasen, was Dir auf der Straße begegnet.

Der Cobra hat betont rundliche Formen

Doch wollen wir uns zunächst noch zusammenreißen und uns noch etwas mit den stehenden Cobra befassen. Man kommt nicht umhin, dem Wagen eine gewisse erotische Ausstrahlung zu bescheinigen. Betont rundliche Formen prägen sein Erscheinungsbild. In der Seitenansicht verläuft der Vorderbau von den Frontscheinwerfern aus in leichtem Schwung nach hinten, so dass die Höhe der Gürtellinie sanft abfällt, hinter der Tür aber wieder ansteigt, um genügend Raum für die Radausschnitte zu gewähren. Die Motorhaube senkt sich zum Bug hin leicht ab. Sie liegt tiefer als die Vorderkotflügel, wodurch diese hervorgehoben und besonders wuchtig erscheinen. Und im Zusammenhang mit den weit außen angeordneten Rädern wirkt der Wagen in der Vorderansicht außerordentlich bullig und kraftvoll.

Der Cobra zeigt schon im Stand, was den Piloten nach Starten des Motors erwartet. Modischen Schnickschnack sucht man an der Karosserie vergebens, denn als Renommier-Kutsche war der Cobra nie gedacht. An Chromteilen gibt es nur die Stoßstangen vorne und hinten - jeweils ein in sich geschlossenes Rohrgebilde mit zwei senkrecht stehenden Hörnern - die Lampenzierringe, den Tankdeckel und den Kofferraumdeckelgriff. Ferner weist der 289 noch einen verchromten Kühlergrill und Drahtspeichenräder auf. Daneben erreuen die seitlichen Luftschlitze am Vorderkotflügel und das kleine rechteckige Emblem mit dem Hinweis auf den Hubraum der eingebauten Ford-Maschine (289 bedeutet 289 cubic inches, wobei ein cubic inch 16, 387 cm³ entspricht) das Auge. Und nicht zu vergessen das Markenzeichen, das Front und Heck des Wagens schmückt: der Kopf einer Kobra mit drohen gespreiztem Nackenschild.

Beim Cobra zählt jede Gewichtseinsparung

Die Rennversion des Cobra verzichte auf  Stoßstangen und Kühlergrill, denn wenn es auf Schnelligkeit ankommt, zählt jedes eingesparte Gramm. Dennoch bringt der Renner 1.100 kg auf die Waage (289 street 1.040 kg), was wohl hauptsächlich zu Lasten des stabilen Überrollbügels geht. Kotflügelverbreiterungen und Reifen der Größe 5.50 M 15 vorne, 6.50 M 15 hinten, lassen den Wagen nicht nur in die Breite gehen, sondern sorgen dafür, dass er optisch kürzer und wendiger wirkt. Eine Hutze auf der Motorhaube weist darauf hin, dass hier ähnliche PS-Vorräte lauern, wie sie der mit gleicher Haube angetretene 427 bereithält.

Damit lassen sich Anfahrspuren in den Asphalt fräsen, die so lang sind wie die Bremsspur anderer Autos, die etwa aus 100km/h mit blockierenden Reifen zum Stillstand gebracht werden. Im Rücken des Fahrers wächst aus dem Heckteil des 289 race ein eindrucksvoller Bügel als Schutz bei Überschlägen heraus. Dieser Bügel wird noch durch ein in Fahrzeug-Längsrichtung geneigtes Rohr gleicher Stärke abgestützt, das auf der Beifahrerseite neben dem Mitteltunnel im Boden verschwindet.

Zu den weiteren Details, die an der Rennversion auffallen, zählen der freistehende Ölkühler unter dem Frontblech, die beiden daneben angeordneten Lufteinlässe für die Kühlung der Scheibenbremsen (für den kühlen Kopf des Fahrers sorgt der Fahrtwind), und natürlich die links und rechts unter der Tür mündenden, schalldämpferlosen Auspuffrohre.

Der dritte Wagen des Motor Klassik-Vergleiches, eine rote Siebenliter-Version, verkörpert den Cobra, wie ihn sich wohl jeder vorstellt: scheinbar mehr Tier als Auto. Die gegenüber dem 4,7 Liter-Modell veränderte Frontpartie mit zwei übereinander angeordneten Lufteinlässen verschiedener Größe ist tiefer über der Erde. Wie vier Schlangen winden sich die Auspuffleitungen aus einer Öffnung im Vorderkotflügel und vereinigen sich zum klassischen side pipe (wie die Haube mit Hutze ein Competition-Version entliehenes Detail) mit dem Durchmesser eines Ofenrohres. Die gewaltigen Kotflügelverbreitungen lassen den 427 aussehen wie ein 289, der seine Muskeln anspannt.

Die Cobra ist bereit zum Angriff

Lassen Sie uns also mit Herzklopfen einsteigen. Im Sinne der Leistungs-Hierarchie beginnen wir mit dem 289 street. Die fehlenden Türgriffe geben dem Fahrer die Chance, seine Sportlichkeit unter Beweis zu stellen, in dem er den Passagierraum mit einem kühnen Sprung entert. Wesentlich ungefährlicher - aber auch weniger effektvoll - ist es, sich über die Tür zu beugen und diese von innen zu entriegeln.

Die Sitze können nicht gerade als überdimensioniert bezeichnet werden, doch genügen sie zur Aufnahme mittelgroßer Maschinisten. Besonders langgeratene Cobra-Bändiger müssen jedoch auf einen Schutz ihrer oberen Extremitäten vor Wind durch die Frontscheibe ebenso verzichten wie auf eine vollkommene Rückendeckung durch die Sitzlehne. Die Hände des Schlangenbeschwörers leiten Richtungsänderungen über ein dreispeichiges Lenkrad mit hölzernem Kranz ein, zum Sortieren der Gänge animiert ein Mittelschalthebel mit hölzernem (original wäre Kunststoff) Knauf. Während die Füße mit den Buchstaben AC geschmückte Pedale treten, können sich die Augen anhand zahlreicher Instrumente über das Wohlbefinden des Cobra informieren. Neben einem Drehzahlmesser und einem 160 Meilen pro Stunde reichenden Tacho drängeln sich in der Mitte des Armaturenbretts ein Ampèremeter, ein Öldruckmesser, ein Benzin- und eine Zeituhr wie Temperaturanzeiger für Wasser und Öl. Das Zündschloss befindet sich am Armaturenbrett.

271 PS

Wer dazu den passenden Schlüssel besitzt, kann die Herrschaft über 271 Pferdestärken an sich reißen. Die Geräuschkulisse, die sich dann im Rücken der Besatzung entfaltet, liegt ein paar Phonzahlen über dem Achtzylindergeblubber, wie wir es von den amerikanischen V 8-Limousinen her kennen - ein Sound, der zumindest bis Anfang der 70er Jahre ein Garant für schwindelerregend hohe PS-Zahlen und üppiges Drehmoment darstellte.

Auch der Cobra hält, was er akustisch verspricht. Am Anfang einer mehreren 100 Meter langen Geraden nimmt er Aufstellung, an seiner linken Flanke klebt das Peiseler-Rad, ein unbestechliches Messaccessoire zur Ermittlung der Beschleunigung. Kurze Gasstöße halten den Motor über Leerlaufdrehzahlen und erhöhen den Pulsschlag der Besatzung. Das pulsierende Grollen des Achtzylinders flößt der Umwelt Respekt ein - so wie eine Kobra, die mit erhobenem Kopf und gespreiztem Nackenschild dem Feind mit ihren Giftzähnen droht, bevor sie zustößt.

Die gerade noch völlig unbeweglich verharrenden Chromspeichen der Räder verwischen zu einem silbernen Kreis. Der Wagen hebt sich vorne aus den Federn, geht an  der Hinterachse in die Knie, bollernd wie eine nicht enden wollende Kanonen-Salve entledigt sich der Motor seiner Verbrennungsgase und treibt das Fahrzeug ungestüm dem Ende der Geraden entgegen. Zurück bleiben zwei schwarze Striche auf der Straßenecke und eine Dunstwolke, an deren Entstehung sich Reifen und Motor gleichermaßen beteiligten.

Das Ergebnis der Beschleunigungsprüfung kann sich sehen lassen: Nach einem sehr guten Start waren nach respektablen 5,4 Sekunden 100 km/h erreicht, 100 Meilen (entsprechend 160 km/h) nach nur 12,6 Sekunden (Achsenübersetzung 3,31). Diese Werte beeindrucken umso mehr, als der Motor nicht optimal lief (es sich aber bei 271 Pferden wohl um besonders durchtrainierte Exemplare handelte) und deshalb keine Elastizitätsprüfung erfolgte. Ferner gilt es bei allen ermittelten Daten zu berücksichtigen, dass am Steuer Fahrer saßen, die nicht täglich optimalen Beschleunigungszeiten nachjagen, und die auch darauf achteten, ihren Wagen wieder unversehrt mit nach Hause nehmen zu können. Trotzdem erledigten die Cobra-Piloten ihre Aufgabe mit Bravour.

Der Cobra race ist wie ein Tier

Doch nun zur Rennversion. Sie blieb mir in einer Beziehung besonders in Erinnerung - der Lautstärke. Da das silberne Energiebündel vor dem Motor Klassik-Termin eine dreiwöchige Ruhepause genossen hatte, gestaltete sich der Start zu einer regelrechten Zeremonie. Jeder Zylinder meldete sich einzeln wieder zur Arbeit an, der Auspuff schickte donnernd schwarze Rußwolken unter der Tür hervor, ab und zu züngelte eine kleine Flamme dazwischen. Der race gab sich wie ein Tier, das erbost auf die Störung seiner Ruhe reagiert. Stotternd beginnt schließlich der Motor zu laufen, der ganze Wagenaufbau schüttelt sich, dann kehrt wieder Ruhe ein. Doch nach der nächsten Umdrehung des Zündschlüssels kommt das Triebwerk zur Sache, mit einer Lautstärke, die der eines Formel 1 nicht nachsteht. Das Hämmern des Achtzylinders spürt man sogar im Bauch.

Rund 390 PS warten darauf, in Bewegung versetzt zu werden. Die gegenüber der Straßenversion wesentlich höhere Leistung erzielt der race durch eine Vielzahl von Modifikationen. Dazu zählen beispielsweise Nockenwellen mit geänderten Steuerzeiten, polierte Kanäle und vergrößerte Ein- und Auslässe. Nicht zu vergessen die dicht unter der Motorhaube sitzende Gemischfabrik, bestehend aus vier Weber-Doppelfallstromvergasern (48 IDA). Die Drehzahlgrenze liegt für einen V Motor mit zentraler Nockenwelle und über Stoßstangen und Kipphebel bestätigten Ventilen erstaunlich hoch, bei fast 8.000/min. Dafür operiert das Triebwerk im unteren Drehzahlbereich etwas unwillig, was die Messwerte belegen. Aus dem Strand katapultiert der Cobra seine Besatzung in 5,6 Sekunden auch 100 km/h, wo bei kurz vor Erreichen der Hunderter-Marke bei etwa 7.800/min in den zweiten Gang geschaltet werden muss - mit einer zwecks Materialschonung rund einsekündigen Schaltpause. 180 km/h liegen allerdings schon nach 13,5 Sekunden an.

Sein Metier ist die Rennstrecke

Auch die Elastizitätswerte spiegeln die Charakteristik dieses Triebwerkes wider. Gibt der Fahrer im vierten Gang bei 60 km/h Vollgas, so benötigt das Auto von 80 km/h auf 100 km/h 4,8 Sekunden, stürmt aber in 3,3 Sekunden von 140 km/h auf 160 km/h. Dieser Wagen trägt also die Bezeichnung "race" zu Recht, sein Metier ist die Rennstrecke. Es bereitet großes Vergnügen, mit ihm über den Hockenheimring zu räubern. Die Kurven nimmt das Auto im four-wheel-drift, je nach Leistungseinsatz kann aber auch der Fahrzeug-Hintern - jawohl, dieses Auto besitzt einen solchen - zum Kurvenaußenrand geschwenkt werden. Besonders bei Nässe gilt es jedoch, unfreiwillige Dreher durch mannhafte Zügelung des Gasfußes zu vermeiden.

Ein Gefühl der Sicherheit verbreitet die durch den Fahrgasttraum verlaufende, armdicke Stütze des Überrollbügels. Dies ändert sich jedoch schlagartig beim flotten Durchpflügen von Kurven. Die Fliehkräfte drücken den Beifahrer, der sich nicht am Steuer festhalten kann (und auch nicht sollte) in Rechtskurven nachdrücklich gegen die Tür (beim rechtsgelengten Modell). Da bleibt nur zur Beruhigung der angelegte Hosenträgergurt, denn man vertraut schließlich ungern dem aus einem Rohrrahmen mit etwas Alu-Blech versehenen zierlichen Türchen seine Körperlast an. Zwei rennmäßig gefahrene Runden genügen, und die Ohren empfinden das extrem laute Motorengeräusch als lästig. Weniger sportliche Fahrer werden auch die Kupplung bemängeln - sie verlangt nach  einem äußerst beherzten Tritt.

427 stärkstes der Cobra-Modelle

Nach diesem kurzen Ausflug in die Rennatmosphäre wollen wir und im stärksten der drei zum Vergleich angetretenen Cobra-Modelle Platz nehmen, dem 427. Für diesen Hubraumriesen wäre es sicher ein leichtes, die Laufflächen der 275er Hinterräder in den Zustand weißen Rauches zu überführen, ohne dass sich der Wagen von der Stelle bewegt. Diese Tatsache führt uns auch gleich zum größten Problem bei der Beschleunigungsmessung: die gewaltige Leistung optimal in Vortrieb zu verwandeln. Sie müssen sich einmal die Relationen klarmachen: Um ein ähnliches Leistungsgewicht von etwa 3kg/PS zu besitzen, müsste ein Gogomobil 150 PS aufweisen, oder die Ente von Citroën rund 200 PS. Verstehen Sie jetzt den Reiz des Cobra? Der Pilot des 427 sitzt in einer Kommandozentrale, die sich nur unwesentlich von der seines kleinen Bruders unterscheidet. Im direkten Vergleich fällt beispielsweise der anders geführte Schalthebel auf, der, fürs Auge ungewohnt, aber für den Fahrbetrieb optimal, nach vorne abnickt, und ein bis 180 Meilen pro Stunde reichender Tacho.

Der Blick nach vorn streift über die Motorhaube, nach deren Öffnung zwei riesige Holley-Vergaser sichtbar werden, die über dem V-Motor thronen. Die geriffelten Ventildeckel tragen die Aufschrift Cobra 427. Dieses PS-Monster verschlingt je nach Fahrweise bis zu 50 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Der Zündschlüssel sitzt links außen am Armaturenbrett. Unverzüglich nehmen nach seiner Betätigung die acht Kolben mit einem Durchmesser von jeweils fast elf Zentimetern ihre Arbeit auf. Im Umkreis von mehreren Metern vorhandene Grashalme verneigen sich ehrfurchtsvoll, wenn die Kolben das Abgas durch die siede pipes ins Freie pressen.

Die Geräuschkulisse liegt in der Lautstärke zwischen der 289 street und des 289 race, allerdings klinkt der Siebenliter etwas voller und dunkler. Das Spurtvermögen dieses roten Muskelpaketes beeindruckte nachhaltig. Unter zornigem Gebrüll (Sie wissen: mehr Tier als Auto) raste der Wagen los. Die am Messgerät ablesbare Geschwindigkeit stieg fast so zügig wie bei anderen Autos die Drehzahl. Noch im ersten Gang stellt sich die auf Landstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ein  - fünf Sekunden später zeigt der Tacho 100 Meilen pro Stunde, 160 km/h. Nun dürften Sie so ziemlich alles hinter sich gelassen haben. Aber in dem Wagen steckt sicher noch mehr: 100 km/h müssten unter fünf Sekunden erreichbar sein, trotz Achsübersetzung 3,07.

Cobra 427 beschleunigt in 5,4 Sekunden auf 100 km/h

Als kleine Hilfe wurde der Cobra um sein gewaltiges Reserverad erleichtert, das fast den gesamten Kofferraum beansprucht. Doch diesmal macht der Wagen seinem Namen alle Ehre. An den Rädern entsteht zu viel Schlupf, und der Cobra schlängelt sich abenteuerlich davon. Trotzdem benötigt der Wagen nur 5,4 Sekunden auf 100 km/h. Mit Rücksicht auf das Material verzichten wir auf das Durchbrechen der Fünf-Sekunden-Grenze, denn das Tier beginnt zu schwitzen.

Doch auch im Alltagsverkehr kämpft der Cobra gelegentlich  mit Hitzeproblemen, städtischen stop-and-go-Verkehr mag er nicht. Gegen diese kleine Schwäche hilft ein manuell zuschaltbarer Ventilator. Auf freier Strecke (und wenn es nicht regnet) bereitet der Cobra großen Spaß. Nach wenigen Metern hat man das Gefühl, den Roadster im Griff zu haben. Die Zahnstangenlenkung arbeitet exakt und zumindest während der Fahrt ausreichend leichtgängig. Die Gänge lassen sich mühelos einlegen. Sofern man nicht die Frontscheibe überragt, wirkt der Fahrtwind auch bei 180 km/h nicht störend. Abseits der Autobahn genügt theoretisch der erste Gang. Doch genauso tut es der vierte, denn der 427 gibt sich unschlagbar elastisch. Nehmen wir an, nach dem Durchfahren einer Ortschaft folge eine lange Gerade, der Cobra rollt mit 60 km/h dahin. Im Rückspiegel taucht ein Auto auf, sagen wir: ein BMW M3. Wenn Sie jetzt das Gaspedal voll durchtreten (ohne Rücksicht auf die Straßenverkehrsordnung), erreichen Sie schon nach 13,5 Sekunden 160 km/h. Selbst wenn der M 3-Fahrer bei 60 km/h in den ersten Gang herunterschaltet und versucht, zu folgen, hat er keine Chance - bis 160 km/h benötigt er trotz Durchschalten zwei Sekunden länger.

Und nun bedenken Sie, dass es den Cobra schon vor 20 Jahre gab. Damals stellte er mit Leichtigkeit alles in den Schatten. Übermotorisierte Zweiräder, wie sie heute im Straßenverkehr gelegentlich anzutreffen sind, gab es noch nicht. Und der als Rakete geltende Jaguar E-Type besaß niemals den Hauch einer Chance, seine lange Schnauze beim Beschleunigungsduell mit einem Shelby Cobra in Front zu bringen. Und heute, 20 Jahre nach seiner Blütezeit, zähl der Cobra immer noch zu den erstrebenswertesten Automobilen. Ein wohlgeformter Roadster mit kaum zu bändigender Kraft verliert seinen Reiz mit zunehmendem Alter nicht. Stellen Sie sich nur vor, Sie gingen zu Ihrer Garage und fühlten nicht diesen unendlich große Enttäuschung. Dann haben Sie es geschafft, Sie sind Besitzer eines Cobra. Doch das Tier verlangt nach teurem Futter: Allein die Kraftfahrzeugsteuer für den 427 kostet pro Jahr 1.316 Mark. Cobra-Fahrer sind wirklich zu bedauern.

Technische Daten
AC Cars Cobra 427
Außenmaße3860 x 1550 x 1250 mm
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten