Am 23. Mai 1928 zündete ein junger Industrieller auf der AVUS in Berlin genau 24 Raketen. Aber nicht, um damit jemanden anzugreifen. Die Raketen dienten als Fahrzeugantrieb. Es war der junge Fritz von Opel, der sein Rekordfahrzeug RAK 2 startete. Opel nutzt das Raketenprojekt geschickt, um sich vom Massenhersteller zum Pionier für Zukunftstechnik zu entwickeln – mit Erfolg. Die RAK-Serie ist bis heute eines der spektakulärsten Kapitel deutscher Automobilgeschichte.
Der Auftakt des Raketenfiebers beginnt im Frühjahr 1928. Opel baut den ersten RAK 1 auf Basis des Serienmodells "Opel 4 PS". Statt eines klassischen Motors sorgen sechs Feststoffraketen aus Sanders Raketenfabrik für Vortrieb. Nur drei Raketenpaare zünden wie geplant – dennoch beschleunigt der Wagen in acht Sekunden auf 100 km/h. In einer Zeit, in der die meisten Fahrzeuge kaum die 70 km/h überschreiten, ist das ein Paukenschlag.
Die Raketen arbeiten wie Silvesterraketen in Übergröße – ohne Regelung, nur mit Initialzündung. Gezündet wird per Fernzündung, ein riskanter Akt. Der Wagen bleibt jedoch stabil, die Zuschauer – darunter Technikjournalisten und Investoren – sind beeindruckt. Auch wenn die Technik nie serienreif war: Das Projekt bringt Opel in alle Zeitungen. Die Zusammenarbeit mit dem Physiker Max Valier und Raketenhersteller Friedrich Wilhelm Sander verleiht dem Vorhaben wissenschaftliche Glaubwürdigkeit.

Die Raketenshow auf der AVUS
Nur wenige Wochen später folgt der große Auftritt. Der RAK 2 ist kein umgebautes Serienmodell, sondern eine flache Spezialkonstruktion – ein pfeilförmiger Monoposto mit aerodynamischer Haube und 24 Raketen am Heck. An der AVUS in Berlin haben sich mehr als 100.000 Zuschauern versammelt. Fritz von Opel selbst steigt ins Cockpit. Mit der Zündung der Raketen schießt der Wagen unter ohrenbetäubendem Lärm auf 238 km/h.
Die Raketen liefern eine Schubkraft von rund sechs Tonnen – genug, um ein ganzes Einfamilienhaus in Bewegung zu setzen. Jede Rakete brennt nur wenige Sekunden, doch der gebündelte Effekt reicht für die eindrucksvolle Beschleunigung. Der RAK 2 hebt beinahe ab, Fritz von Opel fängt ihn durch Lenkbewegungen und Körpergewichts-Verlagerungen bei 230 km/h ab.
Die Rekordfahrt war keine technische Notwendigkeit, sondern eine Marketingaktion mit wissenschaftlichem Unterbau. Opel erreicht weltweite Aufmerksamkeit – sogar in US-Zeitungen erscheinen Artikel über "the rocket man from Rüsselsheim".
Fritz von Opel war selbst Pilot und kontrollierte den Wagen ohne Bremssystem – das Fahrzeug kam durch Ausrollen zum Stehen. Ein modernes Sicherheitsteam hätte den Versuch niemals genehmigt.
Darum baute Opel plötzlich Raketenfahrzeuge
Opel war zu dieser Zeit bereits Marktführer im deutschen Kleinwagensegment. Das Image war solide, aber langweilig. Die Raketenversuche dienten gezielt der Imagekorrektur. Max Valier wollte die Rakete als ziviles Verkehrsmittel etablieren, Sander als Waffentechnologe sehen, Opel hingegen als Symbol für Fortschritt. Die Allianz war kurz, aber produktiv.
Die RAK-Serie war die erste Anwendung von Raketenantrieben im öffentlichen Raum, fernab militärischer Nutzung. Raketentechnik blieb zwar experimentell, doch sie war der Schlüssel für spätere Entwicklungen in der Raumfahrt. Heute sprechen Marken von "Tech-DNA". Opel hatte diese DNA 1928 sichtbar auf Asphalt gebrannt – mit einem medialen Nachhall.
Der Opel-Raketenflieger RAK.1 (1929) war das erste bemannte "Raketenflugzeug" der Welt. Der "Flug" dauerte nur 75 Sekunden, doch er begründete eine neue Ära der Raketenforschung.