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Lotus Seven im Fahrbericht
Kein Gramm zuviel

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Ein Lotus Seven bietet keinerlei Luxus oder Komfort. Dafür wiegt er auch nur 416 kg - und wird trotz wenig Leistung als Sportwagen ernst genommen. Der Brite gilt als Musterbeispiel für Effizienz.

Lotus Seven S1, Seite
Foto: Rossen Gargolov

Das Wesen eines Lotus Seven erschließt sich bereits nach wenigen Minuten. Das Auto, das etwa auf Kniehöhe vor mir lauert, besteht aus einem spindeldürren Rohrrahmen und einer zarten Aluminiumhaut. Es gibt keine Türen, deren Scharniere mit ein paar Gramm Gewicht zu Buche schlagen könnten, kein Dach und natürlich auch keine Heizung.

Lotus Seven verkörpert die Lehre des reinen Sportwagenbaus

Ganz offensichtlich wurde beim Lotus Seven radikal auf jedes überflüssiges Bauteil verzichtet, auf Komfort und Luxus sowieso - ein bestechend einfaches Rezept für größtmöglichen Fahrspaß. Im nächsten Moment versuche ich Platz zu nehmen. Doch so ein Lotus Seven, der wie kaum ein anderes Fahrzeug konsequent die Lehre des reinen Sportwagenbaus verkörpert, wehrt sich hartnäckig gegen einen Ungeübten, der glaubt, er könne einfach so einsteigen.

Unsere Highlights

Nein, so ein Lotus Seven will erobert werden, und bestenfalls ein durchschnittlich gewachsener Sechstklässler dürfte in der Lage sein, seine Füße ohne größere Verrenkungen irgendwie um die Lenksäule herumzubugsieren und auf den Pedalen zu positionieren. Neben der Gelenkigkeit eines Kunstturners ist also schmales Schuhwerk dafür eine weitere Grundvoraussetzung.

Bewegungsfreiheit? Nicht in einem Lotus Seven. Links der Getriebetunnel, rechts die schmale Außenwand, der Rücken fast rechtwinklig zu den vollkommen gerade ausgestreckten Beinen. Dabei sitze ich so tief, dass meine rechte Hand mühelos den Asphalt berühren kann. Zündung. Von vorn ertönt das tapfere Fauchen des kleines BMC-Vierzylinders aus der A-Serie, der auch im Austin A 35 und im Morris 1000 für Vortrieb sorgte. Mit ursprünglich knapp einem Liter Hubraum und bescheiden anmutenden 34 PS handelte es sich um die schwächste Seven- Motorisierung, die für den US-Markt vorgesehen war.

Leistung des Ursprungsmotors mehr als verdoppelt

Doch der nur 407 Kilo leichte Lotus Seven war in der Lage, in nur 14,5 Sekunden von null bis auf Tempo 100 zu sprinten. Und auf einem Kurs mit engen Kurven (und in den Händen eines geübten Fahrers) entpuppte sich selbst diese vergleichsweise schwachbrüstige Version als ein ernst zu nehmender Gegner. Heute verfügt das Triebwerk über 1.275 Kubik und leistet dabei rund 80 PS - Ergebnis eines tief greifenden Upgrades durch den englischen Seven-Spezialisten Mike Brotherwood, der auch für die komplette Restaurierung des silber glänzenden Lotus Seven aus dem Jahr 1960 zuständig war.

Lotus-Mastermind Colin Chapman wäre mit dieser Arbeit ganz bestimmt zufrieden gewesen. Seinen ersten Lotus Seven präsentiert der rennbesessene Ingenieur 1957, doch im Grunde seiner Architektur stammt das Auto bereits aus dem Jahr 1948: Chapman versieht das Chassis eine Austin 7 mit einer leichteren Karosserie aus Sperrholz und nimmt damit an ersten Autorennen teil.

Colin Chapman gründet 1952 Lotus Engeneering

Seine zweite Konstruktion folgt nur ein Jahr später. Und Fahrzeug Nummer drei - ebenfalls ein Austin 7-Chassis, jedoch bereits mit einer Alu-Karosserie -, weckt endgültig das Interesse anderer Piloten. Weil es leicht und schnell ist und Rennen gewinnen kann. Chapman lässt sich nicht zuletzt von seiner Freundin (und späteren Ehefrau) Hazel dazu überreden, seine Autos in Serie zu bauen und gründet 1952 die Firma Lotus Engineering.

Es entsteht der Mark 6, für den er erstmals einen eigenen Rohrrahmen konstruiert. Darüber stülpt er eine Alu- Karosserie mit einer kantigen Nase und einfachen Kotflügeln. Bis 1955 entstehen 110 Exemplare des Mark 6 - Chapman verdient endlich Geld, um sich ernsthaft dem Thema Motorsport zuzuwenden. Erst im Frühjahr 1957 macht sich Chapman Gedanken über einen Nachfolger für seinen Mark 6.

Es entsteht ein Prototyp, den er noch im Herbst des gleichen Jahres präsentiert. Unter der Aluminium- Karosserie des neuen Lotus Seven befindet sich für die damalige Zeit eine recht anspruchsvolle Technik: Scheibenbremsen rundum, eine DeDion-Hinterachse sowie ein 1100er-Conventry-Climax-Motor mit einer Leistung von 75 PS.

Chapmans Philophie in drei Worten: leicht, schnell, günstig

Als 1958 die ersten Lotus Seven zu den Kunden gelangen, müssen diese aus Kosten- und Produktionsgründen aber mit einer deutlich abgespeckten Version vorliebnehmen. Doch selbst mit Trommelbremsen, einer simplen Starrachse sowie dem nur 40 PS starken Ford 100 E-Motor entspricht das neue Auto voll und ganz der Chapmanschen Grundphilosophie: Es ist leicht (416 Kilo), günstig und schnell. Genau genommen ist es ein Musterbeispiel für Effizienz. Doch einfach kaufen und losfahren - das geht bei einem Seven ebenso wenig wie bei seinem Vorgänger Mark 6.

Kit-Cars umgehen die Neuwagen-Steuer

Neuwagen werden in England Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre mit einer 33-prozentigen Kaufsteuer belegt. Um dieses zu umgehen, bieten Chapman und viele weitere kleine Autohersteller der damaligen Zeit ihre Fahrzeuge als Baukasten-Autos - sogenannte "kit cars" - an: der Kunde erhält ein Paket mit sämtlichen Komponenten, welche er daheim in seiner Garage nur noch zusammenfügen muss - Chapman veranschlagt für den Lotus Seven 60 Arbeitsstunden.

Inzwischen habe ich die ersten Kilometer im Lotus Seven abgespult und mich mit dem Auto einigermaßen arrangiert. Kalter Wind pfeift durch das gnadenlos offene Cockpit, ab Tempo 80 sind Gespräche mit dem Beifahrer nicht mehr möglich. Und: Die Welt, die aus der Seven-Perspektive vorbeirauscht, ist eine andere - ein VW Golf wirkt auf einmal so riesenhaft wie sonst nur ein SUV. Doch während der Kopf noch zur Vorsicht im Umgang mit dem ungewohnten Fahrzeug mahnt, hat der Bauch längst begriffen, welche Chance sich heute hier bietet.

Der Lotus Seven ist mit jeder Kurve per Du

Im nächsten Moment fällt der Lotus Seven über die Straße her wie ein ausgehungerter Tiger über seine Beute, schießt wie von einem Katapult beschleunigt auf die nächste Kurve zu. Was möglich ist, wenn Gewicht auf einmal keine Rolle spielt, glaubt im ersten Moment kein Mensch. Wie schlecht aus heutiger Sicht Trommelbremsen zupacken, allerdings auch nicht.

Hingegen ist der Lotus Seven mit jeder Kurve auf Anhieb per Du. Die Sorge, wegen zu viel Tempo am Kurvenausgang verkehrt herum dazustehen, entpuppt sich als nahezu unbegründet: Das Auto folgt dem einmal eingeschlagenen Kurs, als ob jemand klammheimlich Schienen unter dem Asphalt verlegt hätte. Viel mehr kann ein Fahrer nicht von einem Sportwagen erwarten.

Technische Daten
Lotus Seven S1
Außenmaße3120 x 1350 x 700 mm
Hubraum / Motor948 cm³ / 4-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit137 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten