MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"6298260","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"6298260","configName":"ads.vgWort"}

Lancia Flaminia GT im Fahrbericht
Letzte Ausfahrt

Inhalt von

An jenem Tag, an dem die Fotos für diesen Fahrbericht entstehen, verkündet Fiat das Aus von Lancia. Eine Nachricht, die dieser Ausfahrt in einem Lancia Flaminia GT einen besonderen Beigeschmack gibt.

Lancia Flaminia GT, Frontansicht
Foto: Arturo Rivas

Die Nachricht rauscht exakt an jenem Tag durch die Medien, als die Fotos für diese Geschichte produziert werden: Lancia ist Geschichte! Fiat-Chef Sergio Marchionne zieht endgültig den Stecker - beendet sämtliche lebenserhaltende Maßnahmen. Ab 2013, so heißt es in der Pressemitteilung, wird man nur noch das Markenemblem auf importierte Chrysler-Modelle kleben. Einzig der Ypsilon soll noch eine Weile als letztes eigenständiges Modell der Marke, einst so sportlich wie Ferrari und so nobel wie Rolls-Royce, weitermontiert werden. In Polen.

Unsere Highlights

In den 1980ern gings für Lancia bergab

Ein Emblem also. Und ein Kleinwagen. Mehr bleibt nicht - außer natürlich die Erinnerungen, die mir während der Fahrt im Lancia Flaminia GT sofort durch den Kopf schießen. An die Gründerväter Vincenzo Lancia und Claudio Fogolin, die mit ihren technischen Innovationen und aufregenden Karosserieformen die Marke seit 1906 zu einer Ikone italienischer Automobilbaukunst und ebenso zu Trendsettern machten. An das erste Auto mit einem elektrischen Anlasser, mit einer selbsttragenden Karosserie, mit Scheibenbremsen und Einzelradaufhängung. An die Schönen und Reichen wie Brigitte Bardot und Jean-Paul Belmondo, die wie selbstverständlich eine hinreißend gezeichnete Aurelia oder Flaminia fuhren. An die legendären Rallye-Erfolge des Lancia Stratos. An den allmählichen Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu Beginn der achtziger Jahre.

Dabei lag der Konzern 1955, damals noch ein Familienunternehmen, schon einmal am Boden. Die Produktionsanlagen veraltet, die Herstellungskosten für die variantenreichen Modelle Aurelia und Appia zu hoch, der Absatz zu gering, zudem verschlingt ein ehrgeiziges Rennprogramm Unsummen. Gianni Lancia, seine Mutter Adele und die Schwestern Eleonora und Anna-Maria sind gezwungen, ihre Aktien zu verkaufen.

Design-Ikone Lancia Flaminia

Der neue Lancia-Chef heißt von nun an Carlo Pesenti, ein schwerreicher Bauunternehmer mit ausgeprägter Zuneigung für Automobile. Der Mann zögert nicht lange, gibt sofort einen Aurelia-Nachfolger auf Basis von Pinin Farinas futuristisch anmutender Design-Studie Florida in Auftrag. Bereits ein halbes Jahr nach der Übernahme präsentiert Lancia auf dem Turiner Saloon 1956 den nahezu serienreifen Prototyp einer Luxuslimousine, die wie die Aurelia ebenfalls nach einer antiken Heerstraße benannt ist: Flaminia. Mit einem neu entwickelten, 102 PS starken V6-Triebwerk und dem Transaxle-Prinzip entspricht das technische Layout weiterhin dem des Vorgängers.

Das Auto geht 1957 in Serie, und die Welt spricht von einer Design-Ikone. Italiens einziges Oberklasse-Fahrzeug verfügt bereits über Scheibenbremsen an allen vier Rädern, ist zudem mustergültig verarbeitet. Doch das Auto ist zu schwach, zu schwer und zu teuer. Gegen die Konkurrenz aus Deutschland und England bleibt ihm bis zum Ende der Bauzeit 1970 tragischerweise nur die Rolle eines eleganten Individualisten.

Bewundernde Blicke für das Touring-Coupé

Zurück zu unserem Lancia Flaminia GT-Coupé Touring, der bei der Fahrt durch das bayerische Voralpenland viele bewundernde, zugleich jedoch auch fragende Blicke auf sich zieht. Auf Lancia tippen wohl nur die wenigsten, vermutlich eher auf Maserati, zu sehr ähnelt die Seitenlinie dieses Autos der eines 3500 GT, der ebenfalls von der Karosserieschmiede Touring aus Mailand stammt.

Dorthin vergibt Lancia 1958 in bewährter Appia-Tradition den Auftrag für ein Flaminia-Coupé sowie für ein Cabrio. Gleichzeitig entstehen weitere Flaminia-Versionen bei Pinin Farina, der ein viersitziges Coupé entwirft, sowie bei Zagato, dessen aerodynamisch gestylter Flaminia Sport/Supersport mit insgesamt nur 599 gebauten Exemplaren die rarste Version der Flaminia-Familie darstellt. Alle Fahrzeuge werden bereits im Modelljahr 1959 präsentiert.

Der erste Halt in der Nähe von Landsberg am Lech, wo dieser Lancia Flaminia derzeit beheimatet ist. Ich lasse das Auto, Baujahr 1960, von allen Seiten auf mich wirken. Perfekte Coupé-Proportionen, kein Strich und kein Schnörkel zu viel. Eine tiefe Gürtellinie vermittelt trotz eines verkürzten Radstandes den Eindruck, es sei länger als die anderen Flaminia-Karosserien.

Lancia steigert die Leistung

Die beiden Doppelscheinwerfer des Lancia Flaminia - 1959 eine Novität und gleichermaßen Erkennungsmerkmal aller Touring-Modelle - sowie die Hutze mit dem Lufteinlass auf der Haube lassen es zudem sportlicher wirken, als es in Wahrheit ist. Der 119 PS starke 2,5-Liter-Sechszylinder gilt schon damals als zu schwach für einen Sportwagen in dieser Liga. Lancia reagiert 1961, steigert die Leistung der Motoren in den Touring-Modellen mit Hilfe von drei Weber-Doppelvergasern auf 140 PS, erkennbar am Namenszusatz 3C (tre carburatori). Ein Jahr später folgt bei allen Versionen ein Hubraumaufschlag auf 2,8 Liter, was zusätzliche sechs PS mobilisiert.

Die GT-Modelle der Carrozzeria Touring verfügen allerdings über einen großen Vorteil gegenüber dem Coupé von Pinin Farina oder der großen, luxuriösen Flaminia-Limousine: ihr geringeres Gewicht. Touring-Chef Felice Bianchi Anderloni hat sich mit seinen patentierten Superleggera-(superleicht) Konstruktionen bereits einen Namen im Automobilbau gemacht. Bei seiner Lancia Flaminia-Version lässt der Leichtbauspezialist nur den stabilen Rahmen aus Stahl fertigen, die Karosserie hingegen aus Aluminium.

Sein Lancia Flaminia wiegt rund 200 Kilogramm weniger, was sich erwartungsgemäß positiv auf die gebotenen Fahrleistungen auswirkt. "Gewicht ist der Feind, aerodynamischer Widerstand die Hürde", lautet ein Zitat von Anderloni, der mit vielen Ideen seiner Zeit um Jahre voraus war.

Schlicht und elegant

Die Zeit reicht noch für ein paar weitere Kilometer in dem Lancia Flaminia. Ich nehme wieder Platz in der niedrigen Kabine mit den roten Ledersitzen, in die durch das Panorama-Heckfenster dennoch viel Licht fällt. Die Gestaltung des Cockpits hinter dem riesigen Lenkrad mit seinem dünnen Holzkranz - schlicht und dabei gleichermaßen elegant wie die Karosserieform. Nur zwei große Jaeger-Rundinstrumente für Tacho und Drehzahlmesser, darin integriert die Anzeigen für Wasser, Öltemperatur, Öldruck und Benzin.

In der Mitte vier Schalter, rechts daneben das Handschuhfach, welches die Form des Instrumententrägers wieder aufnimmt. Für ein vergleichsweise teures Luxus-Coupé dürfte die Kabine des Lancia Flaminia für viele potenzielle Käufer allerdings eine Spur zu sparsam möbliert gewesen sein. Mercedes, BMW oder Jaguar boten in dieser Preisregion eine üppigere Ausstattung.

Perfekte Straßenlage

Um die Zündung des Lancia Flaminia zu aktivieren, muss der Schlüssel gedreht und anschließend tief gedrückt werden. Völlig unspektakulär nimmt der Sechszylinder im nächsten Moment seine Arbeit auf, läuft bereits im Standgas seidenweich und regiert spontan auf jeden Gasbefehl. Erster, zweiter, dritter, schließlich der vierte Gang. Trotz Transaxle-Bauweise und den damit verbundenen langen Schaltwegen lassen sich die einzelnen Gangstufen weich und exakt einlegen.

Souverän gleitet die Lancia Flaminia GT über ein paar herrlich geschwungene Landstraßen, durcheilt selbst schnell gefahrenen Kurven ohne größere Seitenneigung und zickt auch sonst nicht mit irgendwelchen unberechenbaren Eigenschaften herum. Die für die Baureihe neu konstruierte Vorderachse mit doppelten Dreiecksquerlenkern und Schraubenfedern sowie die aufwendige DeDion-Hinterachse erledigen ihre Aufgabe wie Musterschüler. Sie stammen eben aus einer Epoche, in der man bei Lancia in Turin noch viel Geld und noch mehr Zeit in die Entwicklung und Abstimmung von technischen Komponenten gesteckt hat.

Passend dazu das Testfazit zum Lancia Flaminia von Reinhard Seiffert in auto, motor und sport, Ausgabe 12/1960: "Dieser Wagen ist dermaßen fahrsicher und handlich, dass er dem Idealbild sehr nahe kommt, das man sich von einem sportlichen Wagen machen kann. Seine Straßenlage ist so gut, dass wir ihn zu den bestliegenden serienmäßigen Sportwagen zählen möchten, die es zur Zeit gibt."

Die einzig ernsthaften Kritikpunkte des Testers sind das zu laute Motorgeräusch bei höherem Tempo und die für einen Sportwagen mit 2,5 Liter Hubraum bescheidenen Fahrleistungen. Mit maximal 180 km/h hat der Lancia Flaminia GT keine Chance gegen die unmittelbaren Konkurrenten - zu denen auch ein etwa gleich teurer, jedoch 265 PS starker Jaguar E zählt.

Kein Verkaufserfolg

Ein kommerzieller Erfolg wird die Flamina-Baureihe am Ende nicht. Von der Limousine, die bis 1970 über 13 Jahre lang im Lancia-Programm bleibt, lassen sich insgesamt nur 3.870 Exemplare verkaufen. Die meisten Fans findet das von Pinin Farina gestylte Coupé, von dem 5236 Fahrzeuge gebaut werden. Touring produziert insgesamt 2.016 Coupés sowie 865 Cabriolets mit dem markanten Doppelscheinwerfer-Gesicht, während Zagato 599 Exemplare des Lancia Flaminia Sport absetzen kann.

1967 lässt Lancia die GT-Modelle auslaufen - obwohl gerade diese Fahrzeuggattung immer populärer wird. Ein Nachfolger ist dennoch nicht geplant, der Konzern konzentriert sich bereits auf die neuen Modelle Flavia und Fulvia, befindet sich allerdings nach wie vor in großen finanziellen Schwierigkeiten. 1969 übernimmt Fiat schließlich den angeschlagenen Automobilhersteller als Sanierungsfall. Der Rest ist Geschichte.

Fazit von Motor Klassik-Redakteur Michael Schröder

Perfekte Coupé-Propotionen, Transaxle-Bauweise und Aluminium-Karosserie - das Lancia Flaminia GT-Coupé made by Touring ist ein außergewöhnlich stilvolles und obendrein ein technisch sehr interessantes Auto. Wahrhaftig ein großer Wurf aus dem Hause Lancia, gebaut  für Fahrer mit Hang zu Eleganz und Komfort. Sportfans werden von den  Fahrleistungen allerdings enttäuscht sein.

Fazit

Perfekte Coupé-Propotionen, Transaxle-Bauweise und Aluminium-Karosserie – das Lancia Flaminia GT-Coupé made by Touring ist ein außergewöhnlich stilvolles und obendrein ein technisch sehr interessantes Auto. Wahrhaftig ein großer Wurf aus dem Hause Lancia, gebaut für Fahrer mit Hang zu Eleganz und Komfort. Sportfans werden von den Fahrleistungen allerdings enttäuscht sein.

Technische Daten
Lancia Flaminia GT-Coupé Touring
Außenmaße4500 x 1660 x 1280 mm
Hubraum / Motor2485 cm³ / 6-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit180 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten