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Ferrari 250 LM im Fahrbericht
Dieser Ferrari ist nix für Ästheten

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Der Ferrari 250 LM sollte den Konkurrenten in der GT-Klasse die Zornesröte ins Gesicht treiben – dank purer Renntechnik ein aussichtsreicher Plan.

Ferrari 250 LM
Foto: Frank Herzog

Einen Ästheten erschüttert der Innenraum des Ferrari 250 LM bis ins Mark und lässt ihn an eine grob zusammengeschusterte Hütte denken. Fern jeder Gemütlichkeit schmeicheln weder Teppichboden noch Verkleidungen aus Stoff oder Leder dem Auge, das sich erst gar nicht die Mühe macht, nach etwaigen Luxusaccessoires Ausschau zu halten. Stattdessen haftet der Blick an blanken vernieteten Alu-Blechen und schwarzen Rohren, wandert weiter zu zwei mit blauen Bezügen versehenen Gestellen, die wie Sitzmöbel für Büßer aussehen. Doch es kommt noch schlimmer.

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Durch den Passagierraum des Ferrari 250 LM laufen Schläuche

Unter dem Instrumentenbrett des Ferrari 250 LM mit seiner schwarzen gekräuselten Metalloberfläche lugen ungeniert etliche Relais und Kabel hervor. Durch den Passagierraum ziehen sich Schläuche und Leitungen, und in einem großen Loch der blechernen Türverkleidung zeichnen sich schwebende Seilzüge zur Betätigung des Türöffners ab – als hätten die Techniker wegen Materialmangels improvisieren müssen. Aber keine Angst, hinter der extremen Magerausstattung steckt System. Bei einem Rennwagen zählt jedes eingesparte Gramm, weshalb sollte es ausgerechnet bei einem Ferrari 250 LM anders sein?

Mit diesem Typ wollte Ferrari an die ruhmreiche Ära des 250 GTO anknüpfen, sprich, der Ferrari LM sollte bei den GT-Rennen die Rivalen in Grund und Boden fahren. Die Zeichen dafür standen gut. Das auf dem Pariser Salon 1963 präsentierte Geschoss basierte auf dem dachlosen Ferrari 250 P, dem ersten Ferrari mit Zwölfzylinder- Mittelmotor, der in der Prototypen-Klasse startete. Doch der Plan, mit reinrassiger Renntechnik die Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, misslang.

Zur Homologation in der GT-Klasse musste die Herstellung von 100 Exemplaren nachgewiesen werden. Im Fall des nur 39 Mal gebauten 250 GTO hatte Ferrari diese Hürde elegant umgangen, weil der GTO als weiterentwickelter 250 GT deklariert worden war. Doch beim Ferrari 250 LM spielte die FIA nicht mehr mit – trotz Dackelblick des Ferrari-Versuchschefs Michael Parks und Enzo Ferraris Märchenstunde, in der er von 42 Wagen erzählte, die bereits im fernen Amerika seien. Dass der LM dann 1966 doch noch die Homologation schaffte, obwohl gerade mal 32 Stück gebaut wurden, ist erstens ein Rätsel und zweitens nicht mehr von brisanter Bedeutung.

Gute Ferrari 250 LM kosten ab etwa vier Millionen Euro aufwärts

In den maßgeblichen Jahren 1964 und 1965 musste sich der Ferrari 250 LM jedenfalls gegen potente Prototypen beweisen, weshalb seine Rennkarriere nicht so pokalreich verlief wie gehofft. Das ist wahrscheinlich mit ein Grund, warum ein Ferrari LM heute deutlich günstiger gehandelt wird als ein GTO, wobei das Wort günstig nicht zu falschen Schlüssen verleiten sollte. „Gute Ferrari 250 LM kosten ab etwa vier Millionen Euro aufwärts“, weiß Oldtimer-Händler Klaus Werner aus Wuppertal. Alles ist eben relativ.

Ebenfalls als fehl am Platze erweist sich der Gedanke, der Ferrari 250 LM sei eine lahmende Mähre gewesen. Der von privaten Rennställen und Ferrari-Importeuren im Sport eingesetzte Wagen errang seinen ersten Sieg bei den 12 Stunden von Reims 1964, damals unter der Fahne von Maranello Concessionaires. Als größten Erfolg verbuchte ein Jahr später ein LM des amerikanischen NART-Teams den Gewinn des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, mit Jochen Rindt und Masten Gregory am Steuer. Natürlich passierten die Wagen noch öfter als Erste die Ziellinie, doch meist bei weniger bedeutenden Rennen.

Ferrari 250 LM kann sich neugierigen Blicken nicht entziehen

Siege hin oder her, wer heute einem Ferrari 250 LM begegnet, muss schon eine gravierende Abneigung gegen Autos haben, um nicht der Ausstrahlung und Faszination dieses Vollbluts zu erliegen. Pininfarina hat eine dank ausgeprägter Kotflügelrundungen recht maskulin wirkende Berlinetta-Karosserie entworfen, mit windschlüpfig flacher Front und einem Heck mit Abrisskante. Geformt und gedengelt wurde die Hülle bei Scaglietti – natürlich aus leichtem Aluminium. Ein beeindruckendes Detail stellt die gigantische Heckklappe dar. Ist sie geöffnet, sieht der Ferrari LM aus, als sei er in der Mitte auseinandergebrochen. Und bei starkem Wind steht zu befürchten, dass die Haube samt Auto davonfliegt.

Die intimsten Bereiche des Ferrari 250 LM

Tatsächlich war dieses Bauteil nicht ohne Tücken. Die am Dachende angebrachten Scharniere mussten gelegentlich hohen Belastungen Stand halten, dabei verzog sich die gesamte Dachpartie des Ferrari 250 LM derart, dass die Windschutzscheibe zersprang. Überhaupt erscheint diese ausladende Heckklappe wie eine Indiskretion. Nach oben gekippt, erlaubt sie schonungslose Einblicke bis in die intimsten Bereiche des Ferrari 250 LM. Der Gitterrohrrahmen, die hintere Einzelradaufhängung, das Getriebe, die direkt beim Differenzial positionierten Scheibenbremsen, die beiden vor den Hinterrädern platzierten Tanks – nichts kann sich neugierigen Blicken entziehen.

Ferrari 250 LM ist eindeutig ein reinrassiges Rennauto

Das Juwel in diesem Bereich jenseits der Heckscheibe ist aber zweifellos der längs eingebaute Zwölfzylindermotor aus Leichtmetall. Zu seinen Konstruktionsmerkmalen zählen je eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle pro Zylinderreihe, über Kipphebel betätigte Ventile, nasse Zylinderlaufbuchsen und die für einen reinrassigen Rennwagen obligatorische Trockensumpfschmierung. Besonders ins Auge stechen die zwölf sich nach oben reckenden Ansaugstutzen der sechs Weber-Fallstromvergaser und die beiden Verteilerdome. Von der Typenbezeichnung her müsste es sich um einen Dreilitermotor handeln, denn die Zahl 250 steht bei Ferrari für den Hubraum eines einzelnen Zylinders.

Doch nur der erste Ferrari 250 LM passt in dieses Schema. Danach zwängte man eine 3,3 Liter große Maschine in den Gitterrohrrahmen, weshalb das Auto korrekterweise 275 LM heißen müsste. Aber über eine solche Marginalie zerbrechen sich selbst die Besitzer eines Ferrari 250 LM nicht den Kopf. Sie haben Wichtigeres zu tun. Etwa für eine artgerechte Haltung dieser kleinen Bestie zu sorgen – dazu gehört es, sie ab und zu über eine Rennpiste zu prügeln. Für den einen ist es das reine Vergnügen, für andere die Hölle. Kleinliche Naturen mögen schon die mangelnde Bequemlichkeit der Sitze und die wegen des Radhauses leicht nach links versetzten Pedale bemängeln. Fast alle Ferrari LM sind nämlich mit Rechtslenkung versehen.

Grandiose Aussicht aus dem Ferrari 250 LM

Die Sicht nach vorn durch die große Panoramascheibe ist grandios. Die Scheibe des Ferrari 250 LM wirkt wie eine große Leinwand, auf die atemberaubende Rennfilme projiziert werden. Da sich die Fahrzeugfront den Blicken entzieht, reicht die Strecke bis zur Fensterunterkante, und im Verbund mit der tiefen Sitzposition fühlt man sich der Fahrbahn ungewohnt nahe. Wer in diesem Auto sitzt, hat das Messer zwischen den Zähnen, will Geraden entlangstürmen, durch Kurven preschen, Gegner niederkämpfen und als Erster das Ziel erreichen. Doch das gelingt nicht jedem.

„Der 250 GTO lässt einen schlechten Fahrer gut aussehen, während in einem Ferrari 250 LM ein talentierter Pilot bestenfalls geschäftig wirkt“, findet der amerikanische Ferrari-Spezialist Michael Sheehan angesichts des in Kurven nicht immer berechenbaren Hecks. Klaus Werner hatte bei einem Testtag von Mario Linke die Chance, diverse Evolutionsstufen des Ferrari 250 direkt nacheinander zu fahren.

Im Vergleich zum 250 GT SWB beschreibt er den GTO als leichtfüßiger, durch das Fünfganggetriebe besser abgestimmt, „und nach zwei Minuten Fahrt empfindet man ihn als den perfekten GT“. Das Einzelstück mit dem Kosenamen Breadvan, das Giotto Bizzarrini einst aus einem 250 SWB für das Team des Grafen Volpi entwickelte, siedelt Werner vom Handling her dichter an einem Rennwagen an, „und die Sitzposition ist so, als würde man sich einen Handschuh überstreifen“. Verglichen mit SWB, GTO und Breadvan besteht aber kein Zweifel, dass der Ferrari 250 LM ein reinrassiges Rennauto ist.

Nach einiger Zeit wird die Kabine des Ferrari 250 LM zur Sauna

Ihn für Alltagsfahrten einzusetzen wäre so, als würde man ein Kinderlied auf einer hochwertigen Stradivari spielen. Der Ferrari 250 LM will von Könnern am Limit bewegt werden, die seine direkte Lenkung und seine spontanen Reaktionen zu schätzen wissen und die Fahrwerksqualitäten bis an die Grenze ausloten, ohne ins Kreiseln zu geraten. Dann fliegt der LM durch die Kurven und baut Querkräfte auf, dass die Passagiere froh sind, von stabilen Vierpunktgurten im Sitz fixiert zu sein. Wer den Schaltstock mit der tennisballgroßen Kugel durch die offene Kulisse drischt, und den langen Gaspedalweg voll ausnutzt, wird nach jedem Schaltvorgang heftig in die Sitzschale gepresst.

Wegen des geringen Gewichts von nur 850 Kilo fallen die Beschleunigungs-, aber auch die Bremskräfte wahrhaft beeindruckend aus. Das Gebrüll, das der im Nacken der Passagiere lauernde, 320 PS starke Motor anstimmt, ist dank fehlender Geräuschdämmung im Passagierraum infernalisch. Und das zu den vorderen Kühlern zirkulierende heiße Öl beziehungsweise Wasser verwandelt die Kabine nach einiger Zeit in eine Sauna. All das soll schön sein? Jaaa. Aber wem schon die Innenausstattung eines Ferrari 250 LM nicht gefällt, der wird das nie verstehen.

Technische Daten
Ferrari 250 LM
Außenmaße4270 mm
Hubraum / Motor3286 cm³ / 12-Zylinder
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten