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Cord 812 Scheunenfund
Der Cord und ich

Inhalt von

Seit mehr als 30 Jahren ist Kay Hottendorff, Autor des Buches "Das Schicksal der schlafenden Schönheiten", von unberührten Zeitzeugen fasziniert. Jetzt hat er sich selbst einer seit 1952 schlafenden Schönheit angenommen.

Cord 812, Seitenansicht
Foto: Christian Kerber

Haben Sie schon einmal 30 Jahre lang nach einem Auto gesucht? Nein? Ich schon, irgendwie. Heute besitze ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Oldtimer, und das, obwohl schon die Wände meines Jungendzimmers in den frühen 80er Jahren mit Zeitungsausschnitten und Fotos von Klassikern tapeziert waren.

Cord als Baby-Duesenberg

Mein Favorit damals war ein Duesenberg SJ Speedster aus den Dreißigern. Was für ein Design! Besonders die verchromten externen Aufpuffrohre des Kompressormotors faszinierten mich damals wie heute. Leider ist ein Duesenberg heute ebenso unerschwinglich wie viele andere Fahrzeuge mit diesem Design-Merkmal, etwa die Kompressor-Mercedes der 20er und 30er Jahre. Die realistischste Chance, ein solches Fahrzeug jemals zu besitzen, erschien mir seit einigen Jahren der Cord 810/812 aus dem Auburn-Cord-Duesenberg-Verbund.

Unsere Highlights

Wobei das im Grunde gar kein Kompromiss ist, schließlich wurde der Cord ursprünglich als "Baby-Duesenberg" konzipiert und genau wie der SJ Speedster vom legendären Designer Gordon M. Buehrig entworfen. Um nämlich die preisliche Lücke zwischen den Auburn und Duesenberg Automobilen in seiner Cord Holding zu schließen, hatte Erret Lobban Cord 1929 unter seinem eigenen Namen eine dritte Marke auf den Weg gebracht.

Der Cord L-29 oder Cord Front Wheel Drive, das weltweit erste Serienautomobil mit Frontantrieb, wurde bis 1931 etwa 4400 Mal gebaut. Bis das Nachfolgemodell des L-29 bei den Händlern stand, sollten jedoch einige Jahre vergehen. Aus einem Entwurf des jungen Duesenberg-Chefdesigners Gordon M. Buehrig von 1933 entstand 1934 der Prototyp eines kleinen Duesenberg. Zwischenzeitlich auf Eis gelegt, wurde das Projekt 1935 unter Hochdruck als neuer Cord weitergeführt, um rechtzeitig zur New York Motor Show im November fertig zu werden.

Zukunftsweisendes Design

Das Publikum war begeistert vom revolutionären Design des Cord 810, das seiner Zeit weit voraus war: So besaß der 810 als erstes Auto überhaupt Schlafaugen - umfunktionierte Landelichter der Konzerntochter Stinson Aircraft konnten mittels zweier Kurbeln am Instrumentenbrett betätigt werden. Zudem ermöglichten es der Frontantrieb und die daraus resultierende niedrige Einstiegshöhe, ohne Trittbretter auszukommen.

Äußerst wenig Chrom, verdeckte Türscharniere, ein abgedeckter Tankverschluss sowie die vorn öffnende "Coffin nose"-Motorhaube mit umlaufendem Grill komplettierten das zukunftsweisende Design. Der Überlieferung nach kletterten die New Yorker Messebesucher an den umliegenden Ständen auf die Stoßstangen der Autos, nur um einen Blick auf den neuen Cord zu erhaschen.

Atemberaubend schön, aber unzuverlässig

Doch bald rächte sich die überhastete Entwicklung. Wegen technischer Probleme wurden im Jahr 1936 nur 1.629 Exemplare gebaut. Insbesondere wegen des empfindlichen elektro-pneumatischen Vorwahlgetriebes und durch Überhitzungsprobleme des Motors bekam der Cord schnell den Ruf eines zwar atemberaubend schönen, aber auch unzuverlässigen Automobils. Mit dem kaum veränderten Modell Cord 812 kamen 1937 weitere Karosserievarianten mit verlängertem Radstand sowie ein optionaler Kompressor hinzu.

Beides konnte den Ruf des Cord nicht mehr retten. Nachdem sich Erret Lobban Cord von seinen Anteilen getrennt hatte und sich aus dem Konzern zurückzog, wurde die Produktion der Cord Automobile im August 1937 für immer eingestellt.

Geschwindigkeitsrekord des Cord 812 S/C hält 17 Jahre

Nach Ende der Produktion stellte der Rennfahrer Ab Jenkins mit seinem Team um Augie Duesenberg im September 1937 in einem Cord 812 S/C trotzig einen Geschwindigkeitsrekord für Serienfahrzeuge auf, der 17 Jahre lang Bestand haben sollte: Auf den Bonneville Salt Flats im US-Bundesstaat Utah absolvierten sie die fliegende Meile mit 107.66 mph (173,26 km/h) und die 24 Stunden mit 101.76 mph (163,77 km/h).

Überdurchschnittlich viele Cord 810/812 haben bis heute überlebt, wohl auch, weil die Bewunderung für das Design des Cord über die letzten 75 Jahre ungebrochen blieb. So wurde eine Cord 812 Custom Beverly Limousine schon 1951 als Beispiel für richtungweisendes Automobildesign im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Zitat: "We regard the Cord as the outstanding American contribution to automobile design."

Suche nach dem Cord-Scheunenfund

Kein Wunder also, dass die Preise für gute bis sehr gute Cord-Limousinen heute zwischen 80.000 und 115.000 Dollar liegen. Schonend für mein Budget wirkt sich allerdings die Tatsache aus, dass mich Fahrzeuge im Zustand 1 oder 2 kaum noch interessieren. In den letzten gut 15 Jahren habe ich mein Herz für die Scheunenfunde dieser Welt entdeckt. Klassiker im unrestaurierten Originalzustand, Zeitzeugen mit Patina, Kratzern, mattem Lack und blindem Chrom - für mich muss ein Auto eine Geschichte erzählen. Das tun Klassiker nach erfolgter Vollrestaurierung leider nur noch sehr selten.

Bei nur 2.900 gebauten Cord 810/812, davon nur 688 mit Kompressor und davon wiederum nur 428 potenziell erschwinglichen Limousinen ist die Suche nach einem unrestaurierten "Survivor" zu einem fairen Preis allerdings schwierig und langwierig. Genau vier Mal sind mir in den letzten Jahren derartige Zielobjekte über den Weg gelaufen.

Zunächst war da der Cord 812 S/C Custom Berline, der vor 30 Jahren Teil der berühmten Sammlung "Schlafende Schönheiten" war. Bei der Recherche zum Buch "The Fate of the Sleeping Beauties" spürte ich das Auto 2007 in einem Privatmuseum in Südfrankreich auf. Dort schläft dieser Cord noch heute im gleichen Zustand wie auf den Fotos aus dem Jahr 1983, ist aber leider nicht zu verkaufen.

Angebot von 2 Cord aus der Schlumpf-Sammlung

Im Jahr 2008 dann die nächste Chance: Eine der Reserven der Elsässer Schlumpf Sammlung wurde von Fritz Schlumpfs Erben zum Verkauf angeboten - mehr als 60 seit rund 45 Jahren eingelagerte Fahrzeuge, darunter auch ein Cord 812 mit Kompressor und ein weiterer ohne. Ich machte fast blind ein Angebot für ein beliebiges der beiden Autos, kam jedoch zu spät. Beide waren wohl zu den weniger interessanten Fahrzeugen der Sammlung gezählt worden und en bloc in die Tschechische Republik gegangen. Die 40 interessantesten Stücke dieser "Arlette Schlumpf Reserve", darunter rund ein Dutzend Bugatti, durfte ich Ende 2008 in einer alten Fabrikhalle in Nordfrankreich besichtigen. Ein Traum für einen Scheunenfund-Fan wie mich.

Im August 2012 sollte im Rahmen der Museumsauflösung im dänischen Aalholm neben rund 180 weiteren Autos auch ein Cord 812 mit 4-Zylinder Citroën-Antrieb versteigert werden. Der Wagen gehörte zu einer ganzen Reihe von Cord, die Charles Décheaux aus Paris in den 50ern mangels Ersatzteilversorgung auf Citroën Traction Avant-Technik umgerüstet hatte. Das war zwar damals pragmatisch, weil beide Modelle Frontantrieb hatten. Aus heutiger Sicht ist es dennoch ein schlechter Tausch, hatte der ursprüngliche 4,7-Liter-Lycoming-V8 des Cord mit Kompressor doch immerhin 170 PS. Vielleicht war genau dies meine Chance einen Cord für kleines Geld zu besitzen!

Also auf nach Dänemark. Doch dort erlebte ich eine Überraschung: Der Cord war in einem wesentlich schlechteren Zustand als gehofft. Das Dach des Museums war wohl seit Jahren undicht gewesen, und der Wagen hatte eine tellergroße Durchrostung im Beifahrerfußraum. Rücksitzbank und Dachhimmel waren großflächig mit weißem Schimmel überzogen, die Türverkleidungen waren von Mäusen zerfressen. Heute bin ich froh, dass ich überboten wurde.

Unverhofftes Angebot aus Amerika

Der Cord ging mit Steuern und Gebühren für umgerechnet fast 21.000 Euro weg. Das war mehr als der deutsche Listenpreis für Zustand 4, und selbst das hätte wenigstens einen Originalmotor ohne Kompressor vorausgesetzt. Den Frust über meinen Dänemarktrip schrieb ich mir im Internetforum des Auburn-Cord-Duesenberg-Clubs von der Seele und endete mit dem folgenschweren Satz: "Irgendwo auf der Welt wird schon noch ein unrestaurierter Cord auf mich warten."

Genau eine Woche später hatte ich das Angebot für mein Traumauto in der Mailbox. Es klang unglaublich: Der 88 Jahre alte Verkäufer aus Kalifornien hatte wenige Wochen zuvor zwei Cord von einem 86 Jahre alten Freund gekauft, der die Autos aus gesundheitlichen Gründen abgab. Einen von beiden bot der Verkäufer mir an: einen 1937er Cord 812 S/C Custom Beverly. Das Auto hatte seinem Freund seit 1949 gehört und war 1952 zuletzt angemeldet gewesen. Es hatte in den vergangenen 60 Jahren unberührt und trocken in einer Garage in Südkalifornien gestanden, war im Originalzustand und trug sogar noch die 1952er Nummernschilder.

Verkäufer ist ein Cord-Experte

Auf meine Frage nach Fehlteilen kamen nur Kleinigkeiten zur Sprache: "Radkappen, Tankdeckel und Kühlerverschluss". Ebenso lief es bei der Frage nach Abweichungen zum Originalzustand: "Naja, unter der Wasserpumpe ist eine Platte angebracht. Da hat wohl mal jemand einen Riemen falscher Länge montiert. Außerdem ist ein Relais nicht original und an der falschen Stelle montiert." Jetzt hätte ich vermuten können, der Verkäufer wüsste es einfach nicht besser. Laut ACD-Club Forum war er jedoch seit Jahrzehnten für die perfekte Restaurierung eben dieser Cord-Modelle bekannt und wusste zweifellos, wovon er sprach. Auch der Preis schien angemessen zu sein. Dennoch war ich skeptisch und suchte den Haken an der Sache.

Ein langjähriger amerikanischer Freund aber beruhigte mich: Er kenne den Cord-Verkäufer seit Jahrzehnten, und dieser sei seiner Erfahrung nach durchaus vertrauenswürdig. Auch sei das Auto wohl wirklich in dem beschriebenen Zustand, und ich solle doch einen Kauf ruhig in Betracht ziehen. Zusammen mit meiner Frau entschied ich mich, das Auto zu kaufen - und habe es nicht bereut.

Heute steht unsere "Schlafende Schönheit" luftdicht, trocken und frostfrei eingelagert in Norddeutschland. Äußere Erscheinung und Innenraum des Cord 812 werden auf jeden Fall nahezu unverändert bleiben. Eines Tages werde ich dann sicher mit der ganz vorsichtigen Restaurierung der Technik beginnen. Vielleicht so in 30 Jahren.

Kay Hottendorf hat sich für seinen Cord 812 seine Norm-Garage zu einer Klimagarage umgebaut. Wie das geht, schildert er hier.

Technische Daten
Cord 812 S/C
Höchstgeschwindigkeit177 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten