MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"4233010","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"4233010","configName":"ads.vgWort"}

Chasseur-Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo Fahrbericht
Fette Katze mit Biturbo-Power

Inhalt von

Ein Jaguar XJ 40 Chasseur Stealth 340 Biturbo ist eine überaus rare Spezies - in Deutschland existiert nur ein zugelassenes Exemplar dieser Limousine mit den Fahreigenschaften eines Supersportwagens.

Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo, Frontansicht
Foto: Arturo Rivas

Viele, die ihn sehen, glotzen ihm verständnislos hinterher. Eine Jaguar-Limousine, die optisch auf Krawall gebürstet wurde! Aufgepumpt mit Kunststoffspoilern und Breitreifen und dann auch noch um einige Zentimeter tiefer gelegt - als ob die Szene in ihrem Tuning-Wahn nicht schon genug Dreier und GTI verwurstelt hätte, fällt sie nun also auch noch gnadenlos über eine automobile Stilikone her. Die Welt ist schlecht.

Edle Jaguar-Limousine als Supersportler

Jaguar-Besitzer Gerd Münch ist solche Vorwürfe gewohnt und erträgt sie mit der Gelassenheit eines Eigners, der es besser weiß. Sein Chasseur- Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo sei genau das Gegenteil einer Vorstadt-Bastelbude, nämlich das Ergebnis eines ehrgeizigen Luxussportwagen- Projekts der Firma Chasseurs Design aus dem britischen Uxbridge nahe London. Der Namenszusatz Stealth Biturbo Evolution ist aus der Sicht von Gerd Münch Warnung und Kampfansage zugleich: "Wer sich mit diesem 340 PS starken Jaguar anlegen will, sollte sicher sein, dass sein Auto mindestens 270 Sachen rennt."

Unsere Highlights

Chasseur Design? Hinter diesem Namen verbirgt sich der Wunsch einer Handvoll Spezialisten nach einer Luxuslimousine mit den Fahreigenschaften eines Supersportwagens. Der 1986 präsentierte Jaguar XJ 40 scheint perfekt in das Beuteschema der Chasseur-Mannschaft zu passen: ein Auto mit einem klassischen Design und hoher Exklusivität, dazu historisch so wertvoll wie die Kronjuwelen. Schließlich ist die neue Limousine das letzte Projekt, an dem Firmengründer Sir William Lyons noch persönlich mitgearbeitet hat.

Der Chasseur-Jaguar ist schneller als ein Mercedes 500

Die Ingenieure von Chasseur Design, die schon mal mit den Firmen Tom Walkinshaw Racing (TWR) und Arrows Formel 1 Ltd zusammenarbeiten, entwickeln über mehrere Jahre einen Masterplan, der praktisch keine Baugruppe der Limousine unberührt lässt, am wenigsten den Motor - er erhält neben diversen weiteren Modifikationen einen überarbeiteten Zylinderkopf sowie zwei Turbolader. 1989 wird der erste Chasseur-Jaguar Stealth Biturbo präsentiert, dessen 3,6 Liter großer Reihensechszylinder nun 320 PS leistet, 121 mehr als die Serienversion.

Als der fabrikneue Jaguar XJ 40 von Gerd Münch am 27. November 1990 in die Hände der Chasseur-Spezialisten übergeben wird, verfügt das Auto bereits über das von Jaguar soeben neu eingeführte 4,0- Liter-Triebwerk. Das Fahrzeug soll der Vorführwagen der kleinen Manufaktur werden, erklärt Münch, der über eine lückenlose Biographie zu seinem Auto verfügt. Entsprechend gründlich gehen die Ingenieure ans Werk, der Sechszylinder wird unter anderem mit einem Satz Cosworth-Kolben, einer schärferen Nockenwelle und - die Spezialität des Hauses - zwei wassergekühlten Garret-Turboladern aufgerüstet. Das Ergebnis sind 340 PS bei 5.250 Touren. "Genug Power, um in 6,2 Sekunden von null auf 100 zu sprinten", erklärt Münch. "So schnell war damals nicht einmal ein Mercedes 500 E."

Großflächig verspoilerter XJ-Jaguar

Der steht im Herbst 1991 ebenfalls auf der IAA und wirkt trotz ausgestellter Kotflügel im direkten Vergleich zum Jaguar made by Chasseur so bürgerlich wie eine Doppelhaushälfte in der schwäbischen Provinz. Tief und breit kauert der Chasseur-Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo auf seinem Messestand, versehen mit einem Sportfahrwerk mit verkürzten Federwegen, mit 17-Zoll-Alu-Felgen, einer sechsteiligen Frontschürze mit unterschiedlich großen Lufteinlässen unterhalb der Stoßstange sowie einem Heckspoiler - die Katze hat ihre Krallen bereits im Stand ausgefahren. Demut und Bescheidenheit stehen offensichtlich nicht in ihrem Lastenheft.

Luxus und Komfort hingegen schon. Die für mehr Bequemlichkeit und Seitenhalt aufgearbeiteten Sitze sowie die Rückbank und der Dachhimmel sind mit bestem Conolly-Leder bezogen, auf dem Instrumentenbrett, an den schweren Türen und in der breiten Mittelkonsole glänzt ausgesuchtes Walnussholz. Eine 220 Watt starke Musikanlage inklusive CD-Wechsler sowie acht zum Teil versteckt eingebaute Lautsprecher gehören bei diesem Stealth ebenfalls mit zum Paket. "Das Radio ist bei mir jedoch noch nie gelaufen”, erklärt Münch. Nicht, weil der Jaguar-Fan keine Musik mag, sondern weil der Mann aus Frankfurt am Main und seine Frau Michaela während der Fahrt lieber dem Klang des Turbo-Sechszylinders lauschen.

Nur 43 Exemplare wurden gebaut

"Dieser einmalige Sound hat uns vom ersten Moment an beeindruckt”, schwärmt Michaela Münch, die das Auto zusammen mit ihrem Mann vor vier Jahren auf Achse aus Schottland nach Deutschland überführt hat. Ihr Stealth, ergänzt sie, sei 1994 als Pace Car bei der British Touring Car Challenge eingesetzt worden und hätte bei Chasseur Design bis 1999 als Direktionsfahrzeug gedient, bevor er schließlich in Privatbesitz gelangt sei.

Als die Münchs den silberfarbenen Chasseur-Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo übernehmen, beträgt die Laufleistung bescheiden anmutende 43.134 Meilen. Und noch heute freuen sich beide diebisch darüber, dass sie ihren Chasseur dem britischen Jaguar-Spezialisten und Autobuchautoren Paul Skilliter vor der Nase weggeschnappt haben.

Wie viele von den maximal 43 gefertigten Chasseur-Versionen des XJ 40 derzeit noch erhalten sind, weiß Gerd Münch hingegen nicht. Doch trotz aller Exotik ist der einzige in Deutschland zugelassene Stealth bei den Münchs das ganze Jahr angemeldet. Sei doch schade, erklären die beiden unisono, wenn man an so einem perfekten Herbsttag wie heute nicht spontan übers Land fahren könne.

Bei Kickdown wird die Welt eine andere

Wie von selbst gleitet die Limousine in der Zwischenzeit durch die Frankfurter Vororte hinaus in die Landschaft. Im heimeligen Cruise-Modus dringt nur ein dezentes Grummeln in die Kabine, ein tiefes und sattes Geräusch, welches im Unterton jedoch Kraft im Überfluss signalisiert. Gerd Münch freut sich bereits auf das, was gleich passieren wird. Und signalisiert dem Novizen am Steuer des Chasseur-Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo, dass es angesichts der langen Geraden, die sich jetzt vor der Motorhaube erstreckt, endlich an der Zeit sei, einmal ernsthaft Gas zu geben.

Also gut, Kickdown. Drei Wimpernschläge später ist die Welt eine andere. Eine, in der das Gesetz der Schwerkraft keine Gültigkeit mehr zu haben scheint - anders lässt es sich nicht erklären, wie diese rund 1,9 Tonnen schwere Limousine plötzlich über den Asphalt herfällt. Der Turbo-Power des Chasseur-Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo steht bereits ab 2.800 Touren zur Verfügung und will bis sechsfünf einfach nicht abreißen. Nebenbei lädt die Automatik nahezu unbemerkt die Gänge durch. Wie das Auto dabei klingt? Als ob ein wütender Löwe einen Nebenbuhler in seinem Revier ausgemacht hat.

Der Spaß endet nicht einmal, wenn Kurven unter die Räder kommen. Selbstbewusst und mühelos hält der Chasseur-Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo Kurs, große Radien mag er allerdings lieber als enge Kehren, wo ihm sein Gewicht ein wenig im Weg steht. Schwamm drüber, denn das nächste gerade Stück kommt bestimmt, und dort darf er es den anderen dann wieder zeigen. Vermutlich erwarten diejenigen, die ihm verständnislos hinterherglotzen, auch gar nichts anderes.

Technische Daten
Jaguar Chasseur Jaguar XJ 40 Stealth 340 Biturbo
Außenmaße4988 x 1789 x 1358 mm
Hubraum / Motor3980 cm³ / 6-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit270 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten