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Alfa Romeo Spider, Montreal und Bertone im Fahrbericht
Liebe, Lust und Leidenschaft

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Alfa Romeo - nur wenige Autos wecken so viele Emotionen wie die hübschen Mailänder Automobile. Der 2000 GTV, der Spider 2000 und der Montreal sind treffende Beispiele dafür. Sie sind keineswegs nüchterne Transportmittel, sondern bürgen für pure Faszination am Fahren.

Alfa Romeo 2000 GTV, Alfa Romeo Spider 2000 Veloce, Alfa Romeo Montreal
Foto: Hardy Mutschler

Es ist Eiszeit. Wenn die Kellner an den Tischen unter freiem Himmel wieder Coppa Amaretto oder Coppa Amarena servieren, dann hört und sieht man sie wieder, die Alfa Bertone und Alfa Spider. Wie Bienen um eine Blüte kreisen sie um die Eiscafés auf der Suche nach einem Landeplatz, dabei sollte ihnen doch gestattet sein, direkt an der Theke zu parken. Einen Ehrenplatz in der 100-jährigen Geschichte von Alfa Romeo haben sie auf jeden Fall verdient.

Unsere Highlights

Aus Giulia Sprint GT wird Bertone

Das ahnten die Besucher der IAA 1963 in Frankfurt aber noch nicht, als sie die neueste Mailänder Kreation namens Alfa Romeo Giulia Sprint GT bewundern durften. Dieses Modell löste den Giulia Sprint ab und hieß später samt seinen Nachfolgern in Alfa-Kreisen schlicht Bertone. Doch die Tester von auto motor und sport erkannten sofort den großen Wurf, der Alfa mit diesem Auto gelungen war: "Es ist mit jenem sechsten Sinn für die Reize des Fahrens gebaut, den man nur bei wenigen Automobilfabrikanten findet."

Selbst heute, über 40 Jahre später, bestätigen Bertone-Fahrer diese Aussage mit einem heftigen Kopfnicken, das jeden Wackeldackel zum Laiendarsteller degradiert. Wer mit diesem Auto zufällig Bekanntschaft macht, läuft Gefahr, von einer honigartigen Faszination überzogen zu werden und alles daranzusetzen, den flüchtigen Augenblick in eine Dauerbeziehung zu verwandeln. Schon der Anblick des in der heutigen Verkehrslandschaft extrem zierlich wirkenden Coupés zaubert jedem Auto-Fan ein Schmunzeln ins Gesicht, wie man es von Großeltern beim Betrachten ihres Enkels kennt.

Giugiaro setzt sich mit dem Kantenhauber ein Denkmal

Der damals bei Bertone in Diensten stehende Designer Giorgetto Giugiaro hat sich mit dieser funktionellen und dennoch schicken Form ein Denkmal gesetzt. Als markantes Detail besaßen die ersten Coupés eine Art Stufe vor der Motorhaube, weshalb Alfisti diesen Versionen den Kosenamen Kantenhaube verpassten. Der Alfa Romeo GT 1300 besaß dieses Merkmal noch bis zum November 1970, danach wiesen alle Bertone Coupés die geglättete Front auf. Generell blieben die Bertone während ihrer gesamten Bauzeit bis 1977 von tief greifenden stilistischen Änderungen verschont. So wie eine bella signorina, die keine Schönheitsoperationen benötigt, weil sie ihre Attraktivität nur durch andere Frisuren und ein wenig Abwechslung beim Schminken bewahrt, beließ es Alfa bei kleineren optischen Retuschen, variierte das Interieur und beschränkte sich ansonsten auf die Technik. Selbst die auf extreme Sportlichkeit getrimmten GTA-Modelle mit Doppelzündung und leichterer Alu-Karosse sind auf den ersten Blick als Bertone zu erkennen.

Kennerblick entlarvt die Unterschiede

Der in dieser Geschichte präsentierte Alfa Romeo 2000 GTV besitzt die 1968 mit dem 1750 GTV eingeführten Doppelscheinwerfer, wartet aber mit einem üppigeren Chromgrill auf. Ein weiteres Erkennungsmerkmal dieser im Juni 1971 vorgestellten Version sind die Heckleuchten mit integrierten Rückfahrscheinwerfern. Der Kennerblick registriert ferner eine eigenständige Auslegung des Cockpits. Zwischen die beiden großen Rundinstrumente für Drehzahl und Geschwindigkeit haben sich zwei kleine Uhren für die Anzeige des Tankinhalts und der Kühlwassertemperatur gedrängt.

Zugegeben, im 1750 wirkt das Interieur schmucker, weil die Instrumente hübscher und mit einer blitzenden Chromfassung versehen sind, doch das Fahrerlebnis berühren solche Schönheitsattribute nicht. Es zählt zu den schönsten Erlebnissen, mit einem Bertone an einem sonnigen Sonntagmorgen dem gewundenen Lauf einer idyllischen Landstraße zu folgen, das kleine Dreiecksfenster leicht ausgestellt, um ein wenig frische Luft in den notfalls vier Personen Platz bietenden Innenraum zu fächeln. Aber natürlich auch, um noch intensiver dem Geräusch des Zweinockenwellenmotors zu lauschen, dessen kräftig sonores Brummen ein Gute-Laune-Hit ist wie Adriano Celentanos Azzuro.

Bewährte Motorkonstruktion und vorbildliche Übersichtlichkeit

Die Konstruktion des Vierzylinder-Leichtmetallmotors mit den beiden kettengetriebenen Nockenwellen, den über Tassenstößel betätigten Ventilen und den nassen Zylinderlaufbuchsen geht auf jenes Aggregat zurück, das schon 1954 die Giulietta beeindruckend beflügelte - damals zunächst mit 1,3 Liter Hubraum. In der Zweiliter-Version stehen 131 stramme Pferdestärken bei nur 5.500/min zur Verfügung, die mit dem etwas über eine Tonne wiegenden Auto nur wenig Mühe haben. Geradezu spielerisch, ohne hohe Drehzahlbereiche aufsuchen zu müssen, stellt sich eine zügige Reisegeschwindigeit ein. Mit dem hölzernen, tief geschüsselten Lenkrad lässt sich der Bertone dank der feinfühligen und leichtgängigen Lenkung exakt um jede Biegung dirigieren. Verengt sich dabei die Straße, lernt der Fahrer sehr schnell, die vorbildliche Übersichtlichkeit und die mit 1,58 Metern für heutige Verhältnisse extrem schmale Karosserie zu schätzen.

Das untersteuernd bis neutral ausgelegte Fahrverhalten erweist sich als angenehm, und das gutmütige Fahrwerk verzeiht manchen Fehler, ohne dass das Coupé sofort in die nächsten Büsche segelt. Ein leichtes Wegstempeln der gut geführten starren Hinterachse auf unebener Fahrbahn lässt sich aus dem Handgelenk parieren, und die Federung erspart den Bandscheiben zumindest die ärgsten Stöße. Man muss wirklich den Hut vor dieser gelungenen Kombination aus Sportlichkeit, Fahrfreude und Alltagstauglichkeit ziehen - einfach fantastisch.

Alfa Spider stammt aus der Feder Pininfarinas

Nicht minder begeistert der Alfa Romeo Spider 2000, ebenfalls ein Mitglied der Alfa-Baureihe 105, zu der auch die Giulia Limousine gehört. Das bezaubernde Kleid des Spider entwarf Pininfarina, dessen erster Entwurf 1966 in Serie ging. Der Prospekt adelte diese zunächst Duetto genannte Version mit dem runden Po als Schönsten unter der Sonne, doch Schönheit ist relativ. Bereits im November 1969 stand auf dem Turiner Salon die Ablösung mit überarbeiteter Heckpartie. Der Verzicht auf die hintere Rundung brachte praktische Vorteile, denn die nun als Fastback bezeichneten Spider warteten mit einem größeren Kofferraumvolumen auf. Touren mit großem Gepäck stand also nichts mehr im Weg.

Die Lust, in einem Spider zu verreisen, weckte übrigens ein Prospekt, der erst 1981 erschien und einen braunen Typ zeigt, der ein junges Paar über abgelegene Wege in die Berge, am See entlang oder zu Wasserfällen befördert. Dieses Druckwerk war die Verführung pur ohne zu übertreiben, denn auch in der Realität eignet sich ein Spider vorzüglich fürs Reisen. Mit zurückgeschlagener Kapuze macht der Alfa mit seiner rassigen Front eine besonders gute Figur.

Schaltfaul fahren oder bis 190 km/h sprinten - der Spider kann beides

Hinter dem hölzernen Volant des Alfa Romeo Spider 2000 fühlt man sich sofort heimisch und kann es kaum erwarten, bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel eine palmengesäumte Küstenstraße entlangzugondeln oder in einer lauen Sommernacht unter dem Sternenhimmel hindurchzufahren. Das Lüftchen, das dabei durchs Cockpit weht, steuert allein der rechte Fuß. Je nachdem, wie weit der Fahrer das Gaspedal durchtritt, krault der Wind zart sein Haupt. Oder er erreicht eine das Toupet gefährdende Stärke, wenn er das beachtliche Temperament des Motors voll ausnutzt. Auf Wunsch lässt sich der Spider 2000, dessen Technik mit der des Zweiliter-Bertone identisch ist, auf über 190 km/h treiben, aber dann sollte man zuvor besser das Dach schließen. Der außerordentlich simple Verdeckmechanismus in Form von zwei Spannern erlaubt es übrigens, blitzartig vor jedem Regenschauer in Deckung zu gehen und jeden noch so kurzen Sonnenstrahl zu genießen.

Der Umgang mit dem Fastback Spider gestaltet sich ähnlich mühelos und spielerisch wie im Fall des Bertone. Wer es nicht eilig hat, lässt die Nadel des Veglia-Drehzahlmessers im Bereich zwischen 2.000 und 3.000/min pendeln. In dieser Region klingt der Motor am vollsten. Da zwischen 2.000/min und 5.700/min ständig mindestens 90 Prozent des maximalen Drehmoments von 18,5 mkg bereitstehen, kann man sich im Alfa Romeo Spider 2000 ohne weiteres eine schaltfaule Fahrweise leisten und die unglaubliche Elastizität des Triebwerks voll auskosten. Wäre da nicht dieses butterweich und exakt zu schaltende Fünfganggetriebe, das den Fahrer geradezu animiert, ständig den Gang zu wechseln und dabei als angenehmen Nebeneffekt den Motor in einer anderen Tonlage singen zu lassen.

Der Exot des Trios: Alfa Romeo Montreal

Bertone und Spider präsentieren sich als rundum harmonische Erscheinung, was auf den dritten Kandidaten dieser Titelgeschichte, den Alfa Romeo Montreal, nicht unbedingt zutrifft. Aber sorgt nicht gerade ein Charakter mit Ecken und Kanten für einen gewissen Reiz und für Herzklopfen wie beim ersten Rendez-vous?

Dem Montreal gebührt die Rolle des Exoten, dem Passanten mit Neugier, Unwissenheit aber vor allen Dingen mit Sympathie begegnen. Ein Alfa? Acht Zylinder? Tolles Auto. So lässt sich die Reaktion der Umwelt im Telegrammstil zusammenfassen. Wie eine Wundertüte bietet der Montreal dem Auge des Betrachters zahlreiche Überraschungen in Form faszinierender, von manchen als verspielt empfundener Details. Dazu zählen im Innenraum die in zwei großen Rundungen zusammengeführten Instrumente. An der Karosserie sind es die durchbrochenen Augenlider über den Scheinwerfern, die per Unterdruck nach unten klappen, die NACA-Lufteinlass-Attrappe in der Fronthaube oder die wie Leitersprossen angeordneten Belüftungsöffnungen für den Passagierraum an der B-Säule. Jene Luftschlitze bieten immer wieder Anlass zu dem Gerücht, der Montreal hätte ursprünglich einen Mittelmotor bekommen sollen. Das stimmt aber nicht.

Bertone-Studien zur Expo 1967 in Montreal

Die Gestalt des Montreal geht auf zwei Designstudien von Bertone zurück, die auf der Weltausstellung Expo 1967 in der kanadischen Stadt Montreal zu bewundern waren. Die auf einer Alfa Bertone-Plattform basierenden Studien besaßen einen Vierzylinder-Frontmotor. Als Designleitmotiv dienten Schlitze im Blech über den Scheinwerfern sowie zwei Reihen von Belüftungsöffnungen - eine in der B-Säule und eine in der Motorhaube. Auf die Öffnungen in der Haube wurde dann einfach bei der 1970 in Genf präsentierten Serienversion verzichtet.

Montreal-Motor ist mit dem V8 des Alfa Romeo T33/2 verwandt

Von einem Mittelmotor war nie die Rede, wie auch der damalige Designer Marcello Gandini bestätigt. Vielleicht führte ja der von Alfa geplante und dann tatsächlich realisierte Antrieb in die Irre: ein Motor, direkt abgeleitet vom mittschiffs montierten Aggregat im Rennwagen Alfa T33/2. Alfa gelang es, diesem giftigen Teil zivile Umgangsformen anzuerziehen und es samt einer Spica-Benzineinspritzung im vorderen Abteil des neuen Sportcoupés unterzubringen. Kein Wunder, dass die Faszination eines Montreal hauptsächlich von seiner Motorisierung ausgeht. Nach dem Drehen des Zündschlüssels beginnen zwei Benzinpumpen zu singen und den nötigen Druck im Kraftstoffsystem aufzubauen. Es ist das Vorspiel, bevor Begriffe aus den technischen Daten wie V-Achtzylinder aus Leichtmetall, je zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderbank, Trockensumpfschmierung oder Kondensatorzündung mit zwei Stromkreisen in einer packenden Geräuschkulisse verschmelzen, die sich vom sanften Brummen über drohendes Grollen bis hin zu triumphalem Gebrüll spannt.

Wer in Drehzahlbereiche um 5.000/min vorstößt, spürt, wie die bei 6.500/min erreichten 200 PS bereits in Lauerstellung sind. Jede Gaspedalbewegung wird sofort in Beschleunigung umgesetzt, der Motor entwickelt ein feuriges Temperament und transportiert Rennatmosphäre ins Cockpit. Bestens dazu passt das ZF-Fünfganggetriebe, mit dem ersten Gang links hinten, wie es aus dem Motorsport bekannt ist. Exakt und auf kurzen Wegen lassen sich die Gänge des gut abgestuften Räderwerks einlegen. Der starke und sehr elastische 2,6-Litermotor und das Getriebe sind eindeutig die technischen Höhepunkte dieses Autos. Leider hat es Alfa versäumt, das bis auf wenige Unterschiede dem Bertone gleichende Fahrwerk und die Bremsen auf ein ähnlich hohes Niveau zu heben. Doch wer den Montreal als schnelles Reisecoupé für gut ausgebaute Straßen sieht, wird viel Freude damit haben - nicht nur in der Eiszeit.

Technische Daten
Alfa Romeo Montreal Coupé 2.6 V8 Alfa Romeo 2000 GTV (Bertone) Alfa Romeo Spider 2000 Veloce
Außenmaße4220 x 1672 x 1205 mm4100 x 1580 x 1315 mm4120 x 1630 x 1290 mm
Hubraum / Motor2593 cm³ / 8-Zylinder1962 cm³ / 4-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit224 km/h200 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 08 / 2024

Erscheinungsdatum 04.07.2024

164 Seiten