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Alfa Romeo 1900 C52 Disco Volante
Begegnung der Dritten Art

Inhalt von

60 Jahre Alfa Romeo 1900 C52 Disco Volante: Der Disco Volante, italienisch für Fliegende Untertasse, ist eines der spektakulärsten Alfa-Automobile. Nur drei Exemplare des Rennwagens entstanden. Das aus dem Werksmuseum in Arese wurde für Motor Klassik startklar gemacht.

Alfa Romeo 1900 C52 Disco Volante
Foto: Archiv

Normalerweise schlummert dieser Alfa Romeo 1900 C52 Disco Volante im Werksmuseum von Alfa. Er würde sich aber auch gut als Tiefflieger in einem Museum für Luft- und Raumfahrt machen. Seine rundliche Karosserie erinnert aus manchen Blickwinkeln an ein flaches Stück Seife, das auf vier Räder gedrückt worden ist. Nur drei Exemplare dieser Studie entstanden, wovon eine später zum Coupé umgebaut wurde.

Der Alfa Romeo Disco Volante entstand bei Geheimtreffen

Damals wollte Alfa nach dem Rückzug aus den Grand Prix-Rennen mit möglichst wenig Aufwand ein neues Fahrzeug für den Einsatz im Motorsport entwickeln. Beteiligt waren Carlo Felice Bianchi Anderloni, Chef der Karosseriefirma Touring, sein Designer Federico Formenti und als Abgesandter von Alfa Romeo der für die Technik zuständige Gioacchino Colombo. Der heute 85-jährige Anderloni erinnert sich noch genau an diese Zeit Anfang der 50er Jahre, als die Entwicklung des Disco Volante begann: „Bei streng geheimen Treffen in unserer Firma legten wir die Grundzüge des Autos fest.“

Unsere Highlights

Neben einer günstigen Aerodynamik wurde besonders auf eine geringe Seitenwindempfindlichkeit Wert gelegt. Dabei lieferten Versuche mit einem verkleinerten Modell im Windkanal wichtige Erkenntnisse.

Beim Einsteigen in die Fliegende Untertasse kann man sich leicht verknoten

Nun steht dieses Auto vor mir, und ich merke, dass ein bequemer Einstieg offensichtlich nicht im Lastenheft der fliegenden Untertasse stand. Zunächst bin ich unschlüssig, welcher Weg hinter das rechts angeordnete Lenkrad führt, ohne dass sich dabei die Gliedmaßen verknoten. Ich entschließe mich schließlich, mit dem linken Fuß voraus den durch die bauchige Karosserie bedingten großen Hohlraum und das folgende, hochgezogene Rahmenteil zu überwinden – kein Problem für Menschen, die den Spagat beherrschen. Allerdings muss ich dann noch das Bein zwischen Schalthebel und Lenkrad quetschen, um nicht auf das Sitzpolster, sondern auf das Bodenblech zu treten. Es folgen ein paar leichtere Übungen, bis ich endlich im Sitz angelangt bin, die Knie mit ein wenig Gewaltanwendung unter das Instrumentenbrett bekomme und erleichtert die Beine ausstrecken kann.

Spätestens bei diesem Akt verkannten sich groß gewachsene Menschen und müssen operativ entfernt werden. Zum Glück bin ich nur einssiebzig, sonst hätte ich auf das Vergnügen einer Probefahrt mit diesem faszinierenden Automobil verzichten müssen. Doch nun sitze ich drin, fühle die steile Lehne des Sitzes im Rücken, halte das dicht vor mir angeordnete Lenkrad mit angewinkelten Armen und schaue mich zunächst im äußerst kargen Passagierraum um.

Mangels Verkleidungen sind überall Teile des stabilen Rohrrahmengebildes zu sehen, der die Aluminiumhaut trägt. Diese Bauweise nennt sich Superleggera und wurde von Touring erfunden. Das blecherne Instrumentenbrett beherbergt einen großen Veglia-Drehzahlmesser, ein paar kleine Uhren zum Überwachen von Kühlwasser, Kraftstoff und Öl, sowie einige wenige Schalter ohne Symbole, deren Funktion ich sicherheitshalber nicht erkunde. Vielleicht hebt die Untertasse dann doch noch ab.

Kein Rätselraten gibt es um die beiden Kästchen ganz links am Instrumentenbord. Sie enthalten die Sicherungen, und die Deckel sind entsprechend beschriftet. Im Karosseriebauch zu meiner Rechten liegt für Notfälle ein Feuerlöscher bereit, und weiter vorn entdecke ich sogar einen Handbremshebel, den ich wegen seiner schwarzen Farbe zuerst für einen Teil des komplexen Rahmens gehalten habe.

Unverkennbarer Alfa-Motorensound

Der Hohlraum links des Beifahrers beinhaltet die Batterie und einen Zentralschalter für die Bordelektrik. Nachdem ich diesen betätigt habe, stecke ich den recht primitiv anmutenden Schlüssel ins Zündschloss am Instrumentenbrett und drehe ihn nach rechts. Mit hektischem Ticken erwacht die Benzinpumpe zum Leben, der Disco Volante ist startbereit. Es genügt ein kurzer Druck auf den Starterknopf – und der Vierzylinder springt an. Der Klang des Alfa-Zweinockenwellen- Motors ist unverkennbar.

Hier wird aber die von den Straßensportwagen der Marke her so vertraute sonore Musik anscheinend von einem wesentlich stärker besetzten und undisziplinierteren Orchester vorgetragen. Dieser Eindruck täuscht nicht, denn gemessen am 100 PS starken Triebwerk des 1900 Sprint sind hier 58 zusätzliche Pferde im Einsatz. Um den Entwicklungsaufwand im erträglichen Rahmen zu halten, wurde für den Disco Volante zwar auf technische Bauteile der 1900er-Baureihe zurückgegriffen. Aber im Fall des Motors bedeutete dies eine Erweiterung der Bohrung von 82,5 auf 85 mm, den Einsatz eines Zylinderblocks aus Leichtmetall und zahlreiche weitere Modifikationen.

Im unteren Drehzahlbereich will die erstarkte Maschine mit leichten Gaspedalbewegungen bei Laune gehalten werden. Mit dem linken Fuß taste ich nach der Kupplung und bin froh über mein schmales Schuhwerk. Selten habe ich so dicht beieinander liegende Pedale gesehen. Die Kupplung tritt sich leicht. Und als ich meine Hand vom Lenkrad nehme, fällt sie fast von selbst auf die Alu-Kugel, die den Schalthebel krönt. Der erste Gang liegt rechts vorn. Die Schaltung gewinnt sofort meine Sympathie, weil sich die vier Gänge sehr exakt und auf kurzem Weg einlegen lassen. Klack, klack – da macht das Schalten Freude.

Disco Volante: 735 Kilo werden von 158 PS beschleunigt

Bis die Maschine ihre Betriebstemperatur erreicht hat, genieße ich bei gemächlicher Fahrt den Blick nach vorn über die herrlichen Kotflügelrundungen. Die einfache Plexiglasscheibe ist eigentlich viel zu niedrig ausgefallen, aber überraschenderweise belästigt der Fahrtwind kaum. In diesen niedrigen Drehzahlbereichen fühlt sich der Motor nicht ganz wohl. So begrüßen wir es beide, als die Anwärmphase vorüber ist und ich das Gaspedal weiter durchtreten kann. Wie hoch ich den Motor nun wirklich drehe, verschweigt mir der Drehzahlmesser. Denn die Nadel bewegt sich in kleinen Rucken bis 3.000/min und verharrt in dieser Position. Bleibt nur der subjektive Eindruck, denn mangels Tacho lässt sich auch nichts über das gefahrene Tempo aussagen.

Aber dass 158 PS bei 6.500/min ein 735 Kilogramm leichtes Auto zügig beschleunigen, registriert man sogar ohne Instrumente. Und geradezu mitreißend sind die spontanen Reaktionen auf Gaspedalbewegungen und der kräftige Durchzug, was sicherlich ein Verdienst der üppigen 50er- Weber-Vergaser ist. Für den Fahrspaß sorgt nicht nur das Temperament. Das Auto fühlt sich kompakt und dank der nicht zu schwergängigen und sehr direkten Lenkung recht wendig an. Der große Wendekreis, bedingt durch den geringen Einschlagwinkel der von der Karosserie überdeckten Vorderräder, stört allenfalls beim Rangieren. Aber dafür ist der Disco Volante nicht gebaut.

Der Disco Volante kann hinten ganz leicht werden

Ich gebe ihm die Sporen und merke: Je schneller ich durch die Kurven fahre, umso fordernder wird dieser Alfa. Ich muss den geriffelten Holzkranz des Lenkrads immer fester packen, um den gewünschten Kurs zu halten. In scharfen Linkskurven werde ich gegen das Rahmenlängsrohr neben dem Sitz gedrückt, während ich mich in Rechtskurven kräftig mit dem Oberschenkel am Getriebetunnel abstützen muss. Nun weiß ich, warum sich gerade an dieser Stelle eine Polsterauflage befindet.

Mit deutlich spürbarer Seitenneigung und leicht untersteuernd zieht der Alfa durch die Kurve – doch ausgangs der Kehre kann es passieren, dass er sehr plötzlich leicht auf der Hinterhand wird und ganz seinem Namen entsprechend von der Piste kreiseln möchte. Hier macht sich der kurze Radstand von nur 2,22 Meter bemerkbar. Vielleicht haben auch die 185er-Reifen nicht mehr ihren ursprünglichen Grip. Ich verzichte auf ein exaktes Ausloten dieses Grenzbereichs und bringe den Wagen zurück in seinen Stall.

UFO-Hysterie beschert dem Alfa seinen Spitznamen

Schade, dass dieses Auto nur eine Studie geblieben ist, das übrigens wegen der UFO-Hysterie in den 50er Jahren zu seinem Namen kam. Die wenigen daraus abgeleiteten und im Sport eingesetzten Versionen, die einen hubraumstärkeren Sechszylindermotor bekamen, hatten mit dem sensationellen Design der Urversion nur noch wenig zu tun. Und wer sich noch einmal die Bedingungen in Erinnerung ruft, dass dieses Fahrzeug mit möglichst geringem Aufwand und unter Einsatz vorhandener Teile entwickelt werden sollte, kann Anderloni verstehen, wenn er mit Stolz sagt: „Es geschah wie so oft, wenn das Geld knapp ist, aber viel Enthusiasmus und zahlreiche Ideen vorhanden sind – man bekommt wirklich außergewöhnliche Ergebnisse.“

Technische Daten
Alfa Romeo 1900 C52 Disco Volante
Außenmaße4010 x 1750 mm
Hubraum / Motor1997 cm³ / 4-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit225 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten