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50 Jahre Alfa Romeo Giulia
Auf der Ideallinie

Inhalt von

Die Alfa Romeo Giulia wird fünfzig. Sie ist das Gesicht von Alfa Romeo - nicht schön, aber charismatisch. Sie steht für einen neuen Typ von Automobil, die Sportlimousine. Sie ist stark, kompakt und fahrsicher. Unter der Haube steckt ein brillanter Motor. Ihre aufwändige Technik trägt sie 16 Jahre. Mangels Nachfolger reift sie rasch zum Mythos. Drei Generationen der Alfa Romeo Giulia erzählen ihr Leben.

Alfa Romeo Giulia, Frontansicht, verschiedene Modelle
Foto: Jörg Künstle

Die erfolgreiche Klassiker-Karriere eines populären Großserien-Automobils wie der Alfa Romeo Giulia ist an ein paar Bedingungen geknüpft. Es sollte aus renommiertem Hause kommen, in Form und Ausstrahlung unverwechselbar sein, und seine Technik muss einen gewissen Aufwand treiben. Erfolg im Rennsport adelt zusätzlich, ein fahraktives Handling steigert den Reiz. Ebenso wirkt ein fehlender würdiger Nachfolger für den Mythos stimulierend.

Unsere Highlights

Alfa Giulia fahren ist ein Erlebnis

Die Alfa Romeo Giulia erfüllt diese strengen Anforderungen bravourös, nur in der Disziplin Motorsport hapert es, weil das hoch spezialisierte Giulia-Derivat Alfa Romeo GTA schon früh die Pokale abräumte und die Giulia TI Super stehen ließ.

Giulia fahren ist ein Erlebnis, weil es sich anders anfühlt als der Umgang mit jedem anderen Auto - Giulias Verwandte Bertone, Spider oder Berlina einmal ausgenommen. Diese Einmaligkeit steigert Fahrspaß und Begehrlichkeit. Auch Jaguar E-Type, Citroën DS, Porsche 911, Mercedes 230 SL, Triumph TR 6 oder BMW 2002 haben dieses ganz besondere Flair, dass sie zu Liebhaberautos macht. Eine Alfa Romeo Giulia will man als autobegeisterter Mensch fahren und besitzen, einen Ford Taunus 1600 oder VW K 70 eher weniger.

Das hat viele Gründe, die meisten davon stehen schon oben. Drei Alfa Romeo Giulia aus drei prägenden Epochen des langen Giulia-Lebens sind bereit, damit wir ihren fahrerischen Reiz ergründen.

Drei Giulia-Generationen - und jede eine Stilikone

Schon das Einsteigen in die späte Alfa Romeo Giulia Super 1.6 von 1973 macht Laune und steigert die Vorfreude aufs Fahren. Sie hat die seltene Farbe Faggio - Rotbuche, wurde nie restauriert und gehört dem Alfa-Connaisseur Hartmut Stöppel. Sie verkörpert in unserer Giulia-Trilogie das Referenzmodell aus der Blüte ihrer Jahre. Die sanfte Evolution des Urtyps.

Die 65er Alfa Romeo Giulia 1600 TI in Bianco Spina von Apotheker Jürgen Deckert lässt uns den herben Charme des Urtyps spüren. Bürgerliche Auto-Insignien wie Sitzbank und Lenkradschaltung sind bei dem späten 65er Modell zwar bereits passé, aber es gibt noch einen skurrilen Breitbandtacho, der erst im letzten Baujahr 1967 den klassischen Rundinstrumenten wich. Außerdem schwelgt die schlanke, eigenwillig geformte Karosserie noch in der Chrom-Mode der Sechziger.

Die Evolution von der Familien-zur Sportlimousine schien bei der Alfa Romeo Giulia 1600 TI noch in vollem Gange zu sein. Sie musste sich mit nur einem Doppelvergaser begnügen. Anfangs hatte sie gar noch Trommelbremsen rundum, aber immerhin hoch wirksame, verrippt und mit großer Bremsfläche.

Mode der Siebziger beschert der Giulia einen Kunststoffgrill

Züge einer unsensiblen Zwangsmodernisierung trägt die 76er Alfa Romeo Giulia Nuova 1300 von Medizintechniker Ulrich Bütow. Wo ist ihr Charaktergesicht geblieben, unverwechselbar stupsnasig und obendrein von bestechender Aerodynamik? Ihr cW-Wert liegt mit 0,34 auf dem Niveau eines Citroën DS.

Eine Alfa Romeo Giulia Nuova 1600 war im auto motor und sport-Test kaum langsamer als ihre Vorgängerin, funktional hat das Facelift also nur geringen Schaden angerichtet. Der schwarze Kunststoffgrill mit den gleich großen Doppelscheinwerfern irritiert Ästheten, er bleibt Tribut an die zweifelhafte Designmode der Siebziger.

Auch wenn die Alfa Romeo Giulia schon früher nie als klassische Autoschönheit galt, so ist sie dennoch in ihrer formalen Eigenwilligkeit auf wundersame Art stimmig. Selbst die scheinbar unmotivierte Sicke in der Kofferraumklappe haben wir lieb gewonnen. Bei der Nuova vermissen wir sie auf einmal schmerzlich.

Innen zeigt sich die neue Giulia zwar wertvoller denn je - noch mehr Holz, noch schönere Instrumente, das tief geschüsselte Lenkrad des Fastback-Spider. Gerade so, als wolle sie sich für ihr unvorteilhaftes Make-up entschuldigen. Doch ist auch eine Alfa Romeo Giulia Nuova in erster Linie eine Giulia, heute machen sie die kleinen stilistischen Ausrutscher besonders liebenswert.

Die Giulia - gemacht von Auto-Enthusiasten für Auto-Liebhaber

Faggio, unser Referenzobjekt wird beim Fahrversuch zur ersten Wahl. Die kompakte Alfa Romeo Giulia Super scheint von Auto-Enthusiasten für Auto-Liebhaber geradezu gemacht. Das appetitliche Dreispeichen-Lenkrad aus Holz liegt angenehm steil in der Hand, nicht so flach wie bei vielen anderen Italienern. Die bildschön gezeichneten Instrumente für Drehzahl, Tempo und Uhrzeit hat der Fahrer dicht vor Augen oder sie sind mittig angeordnet für Öldruck und Wassertemperatur. Alle eingefasst von Chromrähmchen.

Der Schalthebel ragt herausfordernd aus der Mittelkonsole. Beim Schaltvorgang - der schon bei Trockenübungen süchtig macht, so exakt geht er mit einem Doppel-Klick vonstatten - fällt die Hand vom Lenkrad direkt auf den Knauf. Das Zündschloss sitzt in der Alfa Romeo Giulia wie bei einem Porsche 911 links vom Fahrer. Choke und Handgas gesellen sich dazu. Erst die Nuova trägt es rechts.

Für Extrem-Sparer gab es die Giulia auch mit Perkins-Diesel

Seit 1971 gibt es in der Giulia hängende Pedale und ein Zweikreisbremssystem. Zwei Jahre früher verabschiedeten sich die Italiener von der Stockhandbremse, stellten auf breitere 14-Zoll-Felgen um und spendierten der Giulia einen Stabilisator an der Hinterachse. Beide Maßnahmen sollten ihre harmlose Übersteuerneigung im Grenzbereich noch sanfter einleiten. Alfa hat seine Giulia stets behutsam modellgepflegt. Die tapfere Nuova muste noch einen 52 PS schwachen Perkins-Diesel für Radikalsparer ertragen. Welch krude Konterkarierung des brillanten Doppelnockers, der als 1600er im GTA mit Doppelzündung gut für 170 PS bei 7500 Touren ist

Der Jahrhundert-Vierzylinder von Orazio Satta Puglia

Mit grollender Unternehmungslust erwacht er beim Zündschlüsseldreh zum Leben, ein paar Gasstöße halten ihn wach. Die wohl dosierte Choke-Zugabe stabilisiert den Leerlauf. Lange ist die Anreicherung nicht erforderlich, die beiden Weber-Doppelvergaser sorgen rasch von selbst für eine niedrige Leerlaufdrehzahl und für spontane Gasannahme beim Beschleunigen. Der kettengetriebene Doppelnockenwellenmotor ist für diese moderate Preisklasse eine unerhört kompromisslose Maschine. Technischer Aufwand wird hier mit herausragenden Eigenschaften belohnt.

Diese drehzahlfeste Lehrbuchkonstruktion ist ganz aus Leichtmetall gebaut, mit Tassenstößeln für eine direkte, schwingungsfreie Betätigung der Ventile. Nur der konstruktiv viel einfachere BMW M10-Vierzylinder kann dem Alfa-Motor gefährlich werden, auch er hat enormes Potenzial. Doch sind die Lebensäußerungen des BMW-Motors weniger leidenschaftlich.

Die Rennsport-Gene aus Jahrzehnten fließen in das Meisterwerk von Alfa-Chefkonstrukteur Orazio Satta Puglia ein. Schon der Sechszylinder des GP-Rennwagen P1 von 1923 brillierte mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Seitdem gehört der stets hübsch im Motorraum drapierte doppelläufige Zylinderkopf zum Credo der Mailänder Marke. Die Zündkerzen sitzen schön in der Mitte, halbkugelförmige Brennräume und großflächige, in 80-Grad-V-Form angeordnete Ventile sorgen für die optimale Füllung.

Sieben Liter Motoröl wollen warmgefahren werden

Premiere feierte der Alfa-Vierzylinder - der Vorgänger im Typ 1900 hatte noch einen Graugussblock -, 1954 in der Alfa Romeo Giulietta Sprint als freudig hochdrehender, kurzhubiger 1300er. Die 1,6-Liter-Variante debütierte 1962, in der Alfa Romeo Giulia 1600 TI fiel sie leicht langhubig aus, was den Durchzug aus niedrigen Drehzahlen verbessert. Rund sieben Liter Motoröl zirkulieren in Kurbelgehäuse und Zylinderkopf.

Die gehören sorgfältig warmgefahren. Leider fehlt in der Instrumentensammlung ein Ölthermometer. Eine Fahrstrecke von 30 Kilometern mag bei zwölf Grad Außentemperatur genügen, um über 3.500/ min zu drehen, schon ab 2.000 Touren setzt nachhaltiger Schub ein. Obendrein auch noch sparsam.

Der Jahrhundertmotor kann einfach alles

Es gibt beim Alfa-Motor dank der kompromisslosen Konstruktion kein Entweder/Oder. Er kann einfach alles, seine Kaltlaufeigenschaften überzeugen in der Zweivergaserversion ebenso wie seine Drehfreude und Elastizität. Der Verbrauch liegt selbst beim scharfen Ritt nie über 12 Liter. Man kann die Giulia vorsichtig im vierten Gang anfahren und ruckfrei bis zur Höchstgeschwindigkeit beschleunigen. Aber das wäre schade, weil sich das sehr gut abgestufte Fünfganggetriebe so hervorragend schalten lässt.

Verblüffend: Kombination aus Handlichkeit und Komfort

Das aufwändige Fahrwerk hat genauso prägenden Einfluss auf das Fahrvergnügen mit der Alfa Romeo Giulia wie der Motor. Abgesehen von dem für einen Hecktriebler recht großen Wendekreis ist ihre Handlichkeit verblüffend. In schnell gefahrenen Kurven untersteuert sie sehr milde, fühlt sich fast neutral an, bis sie ganz leicht und gut beherrschbar mit dem Heck nach außen drängt.

Dabei muss die exzellente Straßenlage gar nicht mal mit kompromissloser Härte erkauft werden. Die Alfa Romeo Giulia war anfangs als viertüriger, familientauglicher Mittelklassewagen gedacht. Das Prädikat "Sportlimousine" verliehen ihr erst begeisterte Motorjournalisten. Sie federt erstaunlich gut, ist hervorragend gedämpft, nur bei groben Unebenheiten neigt die Starrachse zum Versetzen.

Die weiße Alfa Romeo Giulia 1600 TI wirkt fahrwerksseitig noch nicht ganz so rund und gut abgestimmt, sie fährt sich weniger harmonisch, ihre gewisse Unvollkommenheit betont den Oldtimer-Charakter. Vorn kommt bei der Giulia eine klassische Doppelquerlenker-Konstruktion zum Einsatz, hinten eine vorbildlich geführte Starrachse an vier Längslenkern samt einem stabilisierenden Reaktionsdreieck über dem Differenzial.

Dass ihr hinten keine Einzelradaufhängung spendiert wurde, liegt mehr an der eigenwilligen Alfa-Philosophie als am Rotstift der Kaufleute. Spur- und Sturzkonstanz war den Alfa-Konstrukteuren stets wichtig. Auf die Abstimmung kommt es an.

Sieger in der Emotionswertung

Ihren Erzrivalen, den BMW 2002, schlug die Alfa Romeo Giulia 1970 in einem auto motor und sport Doppeltest nicht nur nach sachlichen Kriterien, sondern vor allem in der Emotionswertung des ergriffenen Testers. Ein Jahr später zeigte sie scheinbar modernen Rivalen wie einem Opel Ascona 1.9 SR und dem Ford Taunus 1600 GXL mit Abstand die Rücklichter. Diese beiden Autos sind auch ein guter Beweis für eine wenig erfolgreiche Klassiker-Karriere. Sie kosteten damals so viel wie eine Giulia, heute liegen sie bei einem Drittel ihres Wertes.

Den 50.000-Kilometer-Dauertest einer Giulia Super beschrieben die Testredakteure noch als Wagnis. Doch der mit einer spezifischen Leistung von 66 PS pro Liter recht hoch belastete Motor entpuppte sich als Musterknabe, sein Ölverbrauch lag nur bei einem halben Liter auf 1.000 Kilometer. Kennt das Wunderkind keine Schwächen? Fast könnte man es meinen. Für ihren hohen technischen Aufwand war sie letztlich zu billig, Alfa verdiente zu wenig an ihr. Ihr größtes Manko war, dass sie ihre kostbaren Gene nicht an einen würdigen Nachfolger weitergeben konnte. Alfa hat sich mit Transaxle verzettelt, statt das wunderbare Giulia-Konzept weiter zu pflegen.

Alfa-Werk Arese – eine neue Fabrik für die Giulia

Schon Ende der fünfziger Jahre geriet die Kapazität des Alfa Romeo-Stammwerks Portello in Mailand an seine Grenzen. Für die neue kleine Volumen-Limousine, die zunächst als frontgetriebener Kleinwagen mit 1.000-Kubik-Motor geplant war, wurde ab 1961 ein neues Alfa-Werk in Arese, 40 Kilometer vor den Toren Mailands gebaut. Aus dem Fronttriebler wurde gottlob die Alfa Romeo Giulia, die ersten Modelle der kompakten Sportlimousinen liefen noch in Portello vom Band.

1963 startete die Produktion in Arese, die Kapazität lag 1973 in goldenen Zeiten bei 700 Autos pro Tag. Giulia, Berlina, Alfetta und auch die bei Bertone und Pininfarina im Karosserie-Rohbau gefertigten Modelle GT und Spider entstanden in Arese oder wurden hier endmontiert. 1987 übernahm Fiat Alfa Romeo. Der neue, erfolgreiche Typ Alfa Romeo 164 sorgte für eine gute Auslastung, aber der Verbund mit Fiat machte Arese allmählich bedeutungslos.

Die keilförmigen GTV und Spider liefen im Jahr 2000 als letzte Autos vom Band, noch bis 2005 wurden die herrlichen V6-Motoren gebaut, 2009 zog die Alfa Romeo Designabteilung Centro Stile nach Turin um Heute präsentiert sich das Werk in trostlosem, halb verfallenen Zustand, die noch intakten Hallen werden als Gewerbepark leidlich genutzt. Nur das Alfa Museum hat im maroden Werkskomplex unbeschadet überlebt, aber noch ist es dem Publikum nicht zugänglich.

Technische Daten
Alfa Romeo Giulia 1600 TI Alfa Romeo Giulia Super 1.6 Alfa Romeo Giulia Nuova Super 1300
Außenmaße4140 x 1560 x 1430 mm4160 x 1560 x 1430 mm4160 x 1560 x 1430 mm
Hubraum / Motor1570 cm³ / 4-Zylinder1570 cm³ / 4-Zylinder1290 cm³ / 4-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit167 km/h179 km/h165 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten