VW-Vertriebsvorstand Klingler im Interview: "Allein 2010 bringen wir 60 neue Modelle“

VW-Vertriebsvorstand Klingler im Interview
"Allein 2010 bringen wir 60 neue Modelle“

Veröffentlicht am 27.01.2010

Herr Klingler, China war 2009 zum ersten mal VWs größter Einzelmarkt weltweit – noch vor Deutschland und Brasilien. Wie lange wird das Wachstum dort weitergehen? Und wie viel Luft ist hier noch nach oben für den VW-Konzern?
Klingler: Wir erwarten 2010 für China ein Gesamtmarkt-Wachstum von rund 10 Prozent. Wir wollen dabei Marktanteile gewinnen. Wir sind Marktführer im Pkw-Bereich und werden diese Marktführerschaft damit verteidigen. Wir bereiten uns auch mittel- bis langfristig auf weiteres Wachstum in China vor.


Moment, Marktführer ist VW nur im Pkw-Segment, im Gesamtmarkt ist das doch GM.
Klingler: Wenn GM seine Beteiligung am leichten Nutzfahrzeughersteller Wuling voll konsolidiert, dann mag das stimmen. Meines Wissens nach hält GM aber nur knapp über 30 Prozent an Wuling. Da müssten wir ja auch Minderheitsbeteiligung wie an Suzuki mit einrechnen. Unabhängig davon bereiten wir uns auch mittel- bis langfristig auf weiteres Wachstum in China vor.
 
Wie?
Klingler: Unser Händlernetz werden wir deutlich vergrößern. In den kommenden zehn Jahren planen wir, es auf etwa 2.000 Händler zu verdoppeln.

Wie entwickelt sich der deutsche Markt nach Ihrer Einschätzung?
Klingler: Ich rechne für 2010 mit einem Markt um die drei Millionen Neuzulassungen. Das wird erheblich von der Kauflust der gewerblichen Kunden abhängen.
 
Und VW in Deutschland?
Klingler: Wir wollen unseren Marktanteil der Marke Volkswagen von zuletzt 21 Prozent auch hier steigern. Ohne uns an der Rabattschlacht zu beteiligen. Wir wollen als Marktführer die ruhige Hand bewahren. Im letzten Quartal 2009 waren wir bereits die Marke mit den geringsten Incentives. Und auch dieses Jahr werden wir restwertschonend weiter machen. Klar ist, dass der Privatkundenanteil 2010 rückläufig sein wird, weil 2009 viele Käufe vorgezogen wurden. Und weil die Themen Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit die Bevölkerung auch 2010 beschäftigen werden. 2010 wird also ein sehr schwieriges Jahr.
 
Wird 2011 besser?
Klingler: Fragen Sie mich das in sechs Monaten. Das kann heute kein Marktforscher valide voraussagen.
 
Was ist mit Ihrem drittgrößten Einzelmarkt – Brasilien?
Klingler: Wir erwarten hier einen mindestens stabilen Markt von 2,5 Millionen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen. möglicherweise sogar ein kleines Wachstum.
 
Weltweit konnten Sie Ihren Marktanteil 2009 von 10,3 auf 11,4 Prozent steigern. Wie wird’s 2010 weitergehen?
Klingler: 2010 wollen wir in einem voraussichtlich stabilen Gesamtmarkt zusätzliche Marktanteile gewinnen. Die Basis dafür ist hervorragend: Wir werden 2010 rund 60 neue Modelle über alle unsere Marken hinweg neu in den Markt bringen. Das Produktfeuerwerk des VW-Konzerns geht damit weiter – so imposant wie bei keinem anderen Konzern.
 
Wo wird denn der Weltmarktanteil bis 2018 liegen?
Klingler: Das hängt sehr stark vom Gesamtmarkt ab. Unser Ziel ist es, die Marktführerschaft zu übernehmen.
 
Wird es bis 2018 dauern, bis Sie Toyota überholt haben – oder schon früher?
Klingler: Wir begehen nicht den Fehler, Toyota zu unterschätzen. Aber noch wichtiger ist es, dass wir auf uns selbst und unseren Zielkatalog schauen.
 
Der VW-Konzern steuert das nunmehr größte Markenportfolio der Welt mit zehn Marken. Wie schwierig ist das? Wie verteilen Sie Ihre Zeit und Ressourcen?
Klingler: Zehn Marken sind es bei uns erst nach der Integration von Porsche im kommenden Jahr. Aber Sie haben recht, mein Job ist einer der interessantesten der gesamten Branche. Die Basis für die Steuerung bleibt die hohe Selbständigkeit der einzelnen Marken. Porsche wird auch in Zukunft als erfolgreiches Unternehmen weiter aus Stuttgart gesteuert. So wie Audi aus Ingolstadt und Skoda aus Mlada Boleslav. Und wir verfeinern Schritt für Schritt die Steuerungsmechanismen, um Effizienzen zu erhöhen und die Profilierung zu schärfen.
 
Einige Marktbeobachter zweifeln daran, dass Sie diese Komplexität noch beherrschen können.
Klingler: Bis jetzt haben wir erfolgreich neun Marken gestemmt. Jetzt kommt eine weitere, sehr erfolgreiche dazu, die so gut aufgestellt ist wie keine andere in ihrem Wettbewerbsumfeld. Wir werden das schaffen. Unser Managementsystem funktioniert.
 
Wie wird die Porsche-Holding-Salzburg in den VW-Vertrieb integriert?
Klingler: Es gibt keine Änderung der bekannten Planungen..
 
Damit können Sie sich quasi auf einen Schlag in ganz Europa ein Netz neuer Niederlassungen einverleiben und haben den direkten Zugriff auf den Endkunden.
Klingler: Richtig ist, dass die Porsche Holding Salzburg eine der professionellsten und extrem erfolgreichsten Einzel- und Großhändler in Europa und der Welt ist. Sie wird unser Know-How zusätzlich verstärken. Etwa im Bereich EDV abkupfern, was uns besonders gefällt.
 
Von Ihren künftig zehn Marken ist Seat die mit dem größten Absatzminus im Jahr 2009 – und wahrscheinlich insgesamt Ihr größtes Sorgenkind?
Klingler: Es ist richtig, dass Seat mehr verloren hat als andere Volumen-Marken im Konzern. Das liegt im Wesentlichen am Heimatmarkt Spanien, der um rund 18 Prozent eingebrochen ist. Wir haben hier wichtige Weichen gestellt, die in der richtige Richtung gehen. Jetzt wird Markenchef James Muir die nächsten Schritte machen. Ich bin da zuversichtlich.

Wie läuft das Seat Flaggschiff, der Exeo, ein Ableger des alten Audi A4?
Klingler: Das Auto ist noch frisch im Markt, nachdem wir es erst im Februar 2009 eingeführt haben, aber die Resonanz ist durchweg positiv.
 
Apropos Handelsnetz: Gerade in Deutschland soll eine Anpassung bei VW passieren. Wie wird die aussehen?
Klingler: Das deutsche VW-Netz ist überbesetzt. Es ist auf eine Marktgröße von vier Millionen Neuzulassungen ausgelegt. Wir planen eine sanfte Anpassung. Dabei muss man beachten: Die Händlerrendite bei VW in Deutschland ist 2009 nicht zuletzt dank der Abwrackprämie deutlich gestiegen. Die Anpassung werden wir Schritt für Schritt in Zusammenarbeit mit dem Händlerverband vornehmen. Schon für 2009 wurde ein Massensterben im ganzen Land vorausgesagt. Das wird auch 2010 nicht passieren.