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Interview mit VW-Konzernvorstand Matthias Müller
"Wir können uns der E-Mobilität nicht verschließen"

Interview

Der VW-Konzernchef über Details seiner neuen Strategie 2015, die 13. VW-Marke, Elektromobilität und die Rolle von Bugatti, Bentley, Seat und Ducati.

Porsche-Chef Matthias Müller
Foto: Robert Kah
Herr Müller, die Börse hat Ihre neue Zukunftsstrategie noch nicht honoriert. Enttäuscht Sie das?

Müller: Nein, das habe ich erwartet. Die Börse erwartet konkrete Zahlen auf die nächsten Jahre heruntergebrochen, und dann interessiert sie konkret die Entwicklung der Marke VW, die wir so noch nicht aufgezeigt haben. Deshalb war es klar, dass es auf die Börse keine Auswirkung haben würde.

Sie wollen das Geschäft mit Mobilitätsdienstleistungen massiv ausbauen. Andere Hersteller wie Daimler versuchen das seit Jahren mit moovel und Car-2-go, aber reich ist damit noch keiner geworden. Was erwarten Sie auf diesem Gebiet wirklich?

Müller: Das ist uns bewusst. Wir gehen aber davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren für Mobilitätsdienstleistungen ein wirtschaftlich attraktiver Markt und damit auch Profit entwickeln wird.

Unsere Highlights
Wenn Sie als Vorstandsvorsitzender den Konzern in den nächsten Jahren steuern: Welche Kraft geben Sie auf die Produktentwicklung, welche auf den Ausbau von Mobilitätsdienstleistungen?

Müller: So in etwa 50:50, weil mir die „neuen“ Themen zugegebenermaßen auch noch nicht alle richtig geläufig sind, die „alten“ schon eher. Wir müssen schauen, wie sich die nächsten ein, zwei Jahre entwickeln. Aktuell beschäftige ich mich natürlich noch sehr viel mit der Aufarbeitung unserer Dieselthematik. Und wir haben viele Initiativen gestartet, die noch mit konventioneller Produkttechnik zu tun haben, zum Beispiel die Neuordnung der Baukästen. Da muss man sicher erst einmal für eine Konsolidierung sorgen.Wir wollen zum Beispiel unsere Baukästen deutlich straffen und Komplexität reduzieren. Das sind sehr wichtige Themen, bei denen ich meinen Beitrag leisten will.

Sie informieren hier auf der Global Top Management Conference Ihr Führungsteam und führen Workshops auch zur Zukunft der Mobilität durch. Wie weit sind die Mitarbeiter schon auf diesem Weg?

Müller: Wir machen verschiedene Workshops zu diesen Themen, weil es uns gelingen muss, das Topmanagement an die neuen Themen heranzuführen. Wir zeigen hier zum Beispiel auch auf, wie sich über vier Generationen hinweg das Wertesystem der Gesellschaft verändert hat. Die Mitglieder unseres Top-Management sind zum Teil zwischen 45 und 55 Jahre alt, das ist aber nicht die Zielgruppe für unsere künftigen Mobilitätsdienstleistungen. Das sind vielmehr junge Leute, die ganz anders aufwachsen. Deshalb kommt es in den nächsten Monaten darauf an, dass wir Älteren uns öffnen und auch ein Stück weit loslassen. Wir müssen einfach auch eine andere Kultur zulassen.

Sie sind eine Kooperation mit dem israelischen Mobilitätsanbieter Gett eingegangen. Wäre es für Sie auch denkbar, enger mit Google oder Apple zu kooperieren?

Müller: Wir verschließen uns einem Dialog mit diesem Firmen vom Grund auf nicht. Wir reden miteinander, zur Zeit ohne konkrete Ergebnisse, aber wir werden den Dialog fortsetzen.

Wäre es für Sie nicht gefährlich, wenn ein anderer Volumenhersteller wie Ford eine enge Kooperation mit Apple eingehen würde?

Müller: Es ist immer die Frage, was die anderen Firmen von uns haben möchten. Wir haben mitunter den Eindruck, dass sie die Autohersteller zu Zulieferern degradieren möchten – und an diesem Punkt scheiden sich dann die Geister. Wir wollen das Zepter in der Hand behalten und die Lebenswelt des Kunden gestalten.

Neues Heft auto motor und sport, Ausgabe 14/2016, Vorschau, Preview
auto motor und sport
Die weiteren Themen aus unserer Jubiläumsausgabe Heft 14 - ab dem 23.6.2016 im Handel: Vergleich: Porsche Porsche 718 Boxster vs Audi TTS Roadster und BMW Z4 35i + 100 Extra-Seiten zum Jubiläum + Mitfahrt Bugatti Chiron + Fahrbericht Fiat 124 Spider ... u.v.m.
Kann ein Autohersteller das langfristig überhaupt noch verhindern, dass solche Firmen die Ausgestaltung des Innenraumes übernehmen?

Müller: Die Frage wird sein, was wir zu bieten haben. Wir werden vielleicht nicht die ersten sein, aber vielleicht haben wir dann, wie in der Vergangenheit auch oft, das bessere Angebot.

Sie haben bis 2025 jetzt 30 rein elektrisch betriebene Fahrzeuge angekündigt und wollen künftig ein Viertel des Absatzes als E-Autos verkaufen. Bedeutet dass, dass Sie jede Baureihe der Marke VW auch als E-Auto anbieten, bis hin zu Touareg und Sharan?

Müller: Bis 2025 sind es ja noch zehn Jahre, wir geben mit der Zahl eine Größenordnung vor. Das Angebot streckt sich über unser gesamtes Produktangebot von Klein bis Groß. Wir reden dabei ja auch nicht nur über die Marke VW, sondern auch über die anderen Marken bis hin zu Bugatti. Vielleicht hat ein künftiges Bugatti-Modell irgendwann keinen 16-Zylinder mehr, sondern ist elektrisch betrieben.

Passt denn so eine Marke überhaupt noch in die neue Themenwelt des VW-Konzerns?

Müller: Ja, natürlich. Es gibt viele Kunden, die Bugatti lieben – ob sie mit dem Auto fahren oder es als Anlageobjekt in die Garage stellen, bleibt ihnen überlassen.

Sie müssen aber ja auch sparen – und mit Bugatti haben Sie in der Vergangenheit kein Geld verdient. Wie sieht das jetzt aus?

Müller: Jetzt verdienen wir mit Bugatti Geld. Da sind wir aus dem Gröbsten raus, weil wir das bei der Neuentwicklung des Chiron geschickter gemacht haben. Geld verbrennen wollen wir mit solchen Projekten in Zukunft natürlich nicht. Solche Autos haben aber auch einen großen Imagewert. Mit dem Porsche 918 Hybrid haben wir uns finanziell auch nicht besonders hervorgetan, aber auf das Image der Marke hat dieses Auto unheimlich eingezahlt.

Wenn Sie den Konzern zum Mobilitätsdienstleister umbauen wollen, passen denn dann wirklich noch alle Marken da hinein – auch Bentley?

Müller: Natürlich. Ich will von A nach B möglichst umweltschonend, komfortabel und sicher kommen. Komfort haben Bentley-Modelle wohl unbestritten und ihren Beitrag zur Umweltfreundlichkeit müssen sie selbstverständlich auch leisten.

Sie wollen die insgesamt 340 Baureihen des Konzerns deutlich reduzieren. Können Sie uns eine Einschätzung geben, um wieviel?

Müller: Ich habe natürlich eine Vorstellung, aber die möchte ich jetzt noch nicht nennen. Es ist auf jeden Fall ein Hinweis an unsere Organisation, die Dinge in Zukunft weniger komplex auszulegen. Zeitgleich beschäftigen wir uns ja auch mit ganz neuen Modellen. Wichtig ist mir, dass wir in Zukunft nicht zu spät auf Themen aufspringen, sondern die Nase wieder vorne haben.

Andererseits – braucht der Konzern einen Q8 oder einen Sharan?

Müller: Wir müssen uns zunächst über die Markenpositionierung im Konzern Gedanken machen, danach folgt die Produktpositionierung. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, wofür die Marke VW steht. Bei Porsche weiß man es, bei Bugatti, und auch bei Skoda – aber bei VW wird es dann etwas unscharf. Das haben wir jetzt im ersten Schritt herausgearbeitet, danach können wir das Portfolio der Produkte klarer ableiten. Da hat der Vorstand der Marke Volkswagen aber bereits sehr große Fortschritte erzielt.

Ist VW denn dann auch eine Marke für Sie, die perspektivisch gegen das Tesla Model 3 antreten muss?

Müller: Selbstverständlich. VW steht im Zentrum unseres Konzerns, die Marke muss und wird wieder zum wesentlichen Impulsgeber werden.

Etwa mit dem Auto, das Sie als Studie auf dem Pariser Auto-Salon auf Golf-Basis zeigen?

Müller: Unsere Marken werden auf jeder Messe den Kunden einen Blick in die Zukunft gewähren. Wie das im Detail aussieht, beantworten die Kollegen selber. Ich kann nur sagen, unser Konzern wird an Strahlkraft gewinnen, da bin ich sehr zuversichtlich.

Bauen denn jetzt alle E-Autos konsequent auf dem modularen Elektrobaukasten auf, oder nutzen Sie auch weiter die Baukästen von Up und Golf beispielsweise?

Müller: Diese Frage muss im Zuge der Konsolidierung der Baukästen beantwortet werden.

Zu Ihren Zielen zählt es, künftig in Budget-Cars zu investieren – speziell in China, wo Sie einen Kooperationspartner dafür suchen. Spielt das Thema Budget-Car auch in Europa eine Rolle?

Müller: Ich würde nie nie sagen. Die Gesellschaft ändert sich, Autos werden immer teurer und immer mehr Menschen ziehen in die Städte – ich würde das nicht ausschließen.

Werden Sie Marken wie Seat möglicherweise verkaufen?

Müller: Seat hat sich in den letzten fünf Jahren stetig nach oben entwickelt. Ich rede weniger vom Verkauf von Marken als eher vom Zukauf.

In welchem Bereich?

Müller: Im Mobilitätsbereich – die Mobilitätsmarke als 13. Marke des Konzerns.

Würden Sie die zukaufen oder neu begründen?

Müller: Neu begründen. Die strategische Partnerschaft mit Gett wird dabei ein Bestandteil sein.

Bleibt eigentlich Ducati im Unternehmen?

Müller: Zur Mobilität gehören auch Zweiräder. Ich kenne keine Überlegung im Unternehmen, Ducati zu verkaufen. Aber auch Ducati muss eine Strategie für die nächsten zehn Jahre aufzeigen. Und da kann man schon fragen, ob es nur eine sportliche Ausrichtung sein wird, oder ob es auch andere Dinge geben kann.

Sie haben bei der Vorstellung der Strategie 2025 LKW-Chef Andreas Renschler ausdrücklich gelobt, aber nichts über den VW-Markenchef Herbert Diess gesagt. War das Absicht?

Müller (lacht): Das tut mir leid. Ich bin mit meinem Vorstandsteam insgesamt hochzufrieden – mit allen acht plus meiner Person. Es macht mir auch Spaß, weil die Vorstandsarbeit anders funktioniert als früher. Wir arbeiten kooperativer, sind kritikfähiger und es zeigt sich mehr Teamgeist.

Sie wollen das Komponentengeschäft mit 67.000 Mitarbeitern an 26 Standorten neu ordnen und künftig auch für externe Marken produzieren. Wollen Sie dabei eine neue Wertschöpfungskette ausbauen, um den Konzern gerade in dieser Umbauphase wetterfester zu machen?

Müller: Wir wollen an dieser Stelle in der Tat innovativer werden und mehr Freiraum entwickeln. Aber es gibt noch einen Grund: Ich glaube, dass wir es mit der Verflechtung und Vernetzung im Konzern übertrieben haben und dadurch eine nur schwer zu beherrschende Komplexität geschaffen haben. Deshalb plädiere ich dafür, die Dinge wieder zu entflechten. Auch dazu dient diese Maßnahme – damit sich die PKW-Marke VW wieder auf ihr ureigenes Kerngeschäft konzentrieren kann und eher in der Lage ist, diesen Turnaround hinzubekommen.

Stichwort Batteriefertigung. Sie überlegen ein eigenes Werk aufzubauen, Mercedes vergrößert gerade massiv seinen Standort Kamenz zur Fertigung von Batterien. Ist das wirklich sinnvoll, dass hier wieder jeder seinen eigenen Weg geht?

Müller: Es stellt sich die Frage, ob die verschiedenen Partner wirklich Interesse an einer Kooperation haben. Wir haben uns vorgenommen, zunächst einmal die gesamte Prozesskette zu analysieren, um dann zu entscheiden, was wir machen.

Und wollen Sie wirklich Batteriezellen selber produzieren?

Müller: Wir beschäftigen uns damit, aber ich halte es eher für unwahrscheinlich, weil die Produktion von Batteriezellen aufwändig ist, wenig Arbeitsplätze bringt und auf Sicht auch wenig zum Technologieverständnis beiträgt. Das ist sicher nicht das erste Thema, das wir in Angriff nehmen. Zumindest nicht alleine.

Ist denn Salzgitter ein geeigneter Standort für die Batterieproduktion?

Müller: Es gibt keine Standortentscheidung. Aber um auf Ihre Frage einzugehen: Salzgitter wäre deshalb ein geeigneter Standort, weil dort traditionell Verbrennungsmotoren gefertigt werden. Wir haben mehrere Standorte für die Fertigung von Vierzylindern. Salzgitter ist im Sinne der Kosten davon nicht der effizienteste. Insofern würde es gegebenenfalls Sinn machen, diese Fertigung an die günstigeren Standorte zu verlagern, dann wäre Salzgitter frei für neue Technologien.

Stichwort drohender Personalabbau. Von was gehen Sie hier aus?

Müller: Volkswagen ist ein sozial-kompetentes Unternehmen, dem die Sicherung der Arbeitsplätze wichtig ist. Und da muss unser Ziel sein, sozialverträgliche Lösungen zu finden.

Sie streben bis 2025 eine Umsatzrendite im Konzern von sieben bis acht Prozent an. Welches Absatzziel haben Sie sich für das Jahr 2025 vorgenommen?

Müller: Das kann und möchte ich heute nicht beziffern. Unser erstes Ziel ist, den Marktanteil zu halten und mit den Märkten zu wachsen. Wir müssen unser Hauptaugenmerk auf mehr Profitabilität legen. Wir haben immer über zehn Millionen Autos geredet, aber bei der Umsatzrendite haben wir uns nicht gemessen – und das ist nicht zielführend.

Der Marktanteil geht aber gerade zurück.

Müller: Ja, das hängt ganz eindeutig mit dem Vertrauensverlust zusammen, den VW durch die Dieselthematik erlitten hat. Deshalb ist es so wichtig, dass Vertrauen der Kunden wieder aufzubauen. Ich bin überzeugt, dass unsere jetzt laufenden Aktionen auch den Kunden eindeutig klar machen, dass wir alles dafür tun, um ihren Ansprüchen zu genügen.

Sie haben mutige Aussagen zum autonomen Fahren gemacht: In fünf Jahren soll es bei VW umgesetzt werden. Schaffen Sie das wirklich?

Müller: Man muss irgendwann messbare Ziele herausgeben. Natürlich gibt es noch viele offene Fragen, auch rechtlicher Art. Und es stellt sich auch die Frage, ob man alles alleine macht oder Kooperationen eingeht. Wir sollten in der Lage sein, so etwas in fünf Jahren anzubieten. Ob das dann schon ein großes Volumen sein wird, das sei einmal dahingestellt.

Wie geht es Ihnen jetzt selbst nach den letzten turbulenten Monaten?

Müller: Mir geht es nach wie vor gut. Für das Dieselthema habe ich stellvertretend für das Unternehmen viel Prügel eingesteckt. Ob das immer gerechtfertigt war, sei einmal dahingestellt. Aber der Veränderungsprozess macht Spaß, und ich habe eine tolle Mannschaft im Vorstand, in meinem Bereich und im ganzen Unternehmen. Es geht voran.

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