Hackenberg: 2015 werden unsere Autos über alle Konzernmarken hinweg im Schnitt nur 120 g CO2 pro Kilometerausstoßen.
Neußer: Bis 2020 nehmen wir dann die Grenze von 95 Gramm in Angriff. Wir haben uns dazu als weltweit erster Automobilkonzern offiziell bekannt.
Hackenberg: Da haben Sie Recht, aber wir haben dafür einen Fahrplan. 35 bis 40 Prozent der notwendigen Reduzierung wollen wir über die Optimierung von klassischen Antriebskonzepten erreichen. Darunter fällt neben der Verbesserung von Motoren auch die von Getrieben und Nebenaggregaten. 30 Prozent müssen über das Fahrzeug kommen. Damit meinen wir Maß-nahmen wie Gewichtsreduzierung, bessere Aerodynamik und geringerer Rollwiderstand.
Neußer: Und die restlichen 30 Prozent werden über die alternativen Antriebe erreicht. Dazu zählen neben Hybrid- und reinen E-Autos auch die alternativen Kraftstoffe. Nehmen Sie nur den Erdgasantrieb, der gegenüber einem konventionellen Verbrenner eine CO2-Reduzierung von 25 Prozent bringt.
Neußer: Wir Autohersteller wünschen uns natürlich ein dichteres Tankstellennetz. Damit sich dieses Investment für die Mineralölindustrie lohnt, brauchen wir aber mehr Fahrzeuge auf der Straße. Das war auch der Grund, warum wir vor einigen Jahren bivalent gestartet sind. Das heißt, auch Erdgasautos hatten einen relativ großen Benzintank an Bord, um den Kunden die Angst zu nehmen, mit ihrem Fahrzeug liegen zu bleiben. Aber wir spüren ein deutlich steigendes Interesse am Thema Erdgas. Beim unserem Kleinwagen Up liegt die Einbaurate des Erdgasantriebs bereits bei knapp unter zehn Prozent. Aber auch außerhalb Europas geht es voran: In China sind wir zum Beispiel mit erdgasbetriebenen Taxis in den Markt gegangen.
Hackenberg: Erdgas-Fahrzeuge sind heute zudem deutlich attraktiver als noch vor Jahren. Früher waren CNG-Modelle vergleichsweise schwer und träge, die Kunden mussten wegen der Tanks mit einem eingeschränkten Platzangebot leben. Doch da der Erdgasantrieb mittlerweile in allen unseren modularen Baukästen vorgesehen wird, ist der für die Tanks notwendige Platz schon in der Konzeptionsphase der Autos mit eingeplant. Es gibt deshalb keine Einbußen beim Raumangebot mehr. Außerdem werden Gastanks immer leichter, wie etwa im neuen Audi A3 G-Tron. Dort sind sie aus Kohlefaser und wiegen knapp 100 Kilogramm weniger als herkömmliche Stahltanks. Der Kunde hat heute im Prinzip keine Einbußen mehr.
Neußer: Zudem ist vielen Autofahrern der enorme Preisvorteil von Erdgas noch gar nicht bewusst, da der Preis für Erdgas an der Tankstelle für das Kilogramm angegeben wird. Wir sind zu diesem Thema deshalb kürzlich mit der Bundesregierung zusammengesessen. Die Preise für Erdgas müssten eigentlich auch in Euro pro Liter ausgezeichnet werden, damit der Kunde eine transparente Vergleichsbasis hat. Denn Fakt ist: Erdgas kostet im Vergleich zu Superbenzin weniger als die Hälfte.
Hackenberg: Zylinderabschaltung ist ein probates Mittel, den Verbrauch dem Fahrbetrieb oder der abgeforderten Leistung anzupassen. Die Grundformel ist einfach: Je größer der Motor, desto mehr lohnt sich die Zylinderabschaltung. Jedoch steht diese Technik im Wettbewerb mit dem Downsizing, also zu Motoren mit kleinen Hubräumen beziehungsweise Dreizylinder-Aggregaten. Derzeit haben wir im Konzern die Zylinderabschaltung bei Vier- und Achtzylinder-Motoren. Bislang haben wir noch keinen Sechszylinder mit Zylinderabschaltung, ich würde das aber für die Zukunft nicht ausschließen.
Hackenberg: Uns gehen die Ideen da nicht aus, wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten. Audi hat zum Beispiel auf das Thema Aerodynamik schon immer großen Wert gelegt. Fortschritte gibt es hier auch im nicht sichtbaren Bereich wie beispielsweise der steuerbaren Kühlerjalousie. Natürlich optimieren wir auch ständig unsere Motoren, die stetig effizienter beziehungsweise sparsamer werden. Und auch das Thema Gewichtsreduzierung steht bei uns permanent auf der Agenda. Für die Kunden, die ihren Fokus besonders auf das Thema Effizienz richten, bieten wir künftig für die meisten unserer Modelle ein verbrauchsoptimiertes Maßnahmenpaket namens Ultra an – vergleichbar mit Blue Motion und Blue Motion Technologies bei Volkswagen.
Neußer: Wenn wir im Jahr 2020 nur noch einen Flottenverbrauch von 95 g CO2/km im VW-Konzern haben wollen, dann müssen wir erneut eine Gewichtsreduzierung in dieser Dimension schaffen. Die nächste Golf-Generation wird deshalb wieder deutlich leichter werden.
Hackenberg: Der rechtlich vorgegebene Zyklus ist ein offizieller Verbrauchstest. In der Tat ist es wichtig, dass der Kunde auch im Alltag in der Lage ist, seinen Verbrauch deutlich zu senken. Und da reicht es nicht, ihm nur zu sagen, wie er effizienter fahren kann, sondern das Auto muss ihn dabei aktiv unterstützen. Damit meine ich verbrauchseffiziente Fahrstrategien, wie zum Beispiel das Segeln – technisch gesprochen meine ich damit die Freilauffunktion.
Neußer: Mit Hilfe der Car-to-X-Kommunikation und Fahrstreckenberechnungen über topografische Karten lässt sich in puncto verbrauchseffizienter Fahrstrategien noch viel herausholen. Und das spürt der Kunde später an der Tankstelle richtig im Geldbeutel.
Neußer: Wir haben unsere Kunden befragt. Die durchschnittlich gefahrene Pendlerstrecke beträgt demnach zirka 40 Kilometer. Mit 50 km Reichweite sind wir also auf der sicheren Seite.
Hackenberg: Es ist natürlich auch ein Kosten- und Packagethema. Größere Batterien sind teurer und stärker. Gerade in Bezug auf die Batteriegröße ist es nun entscheidend, ob eine Fahrzeugarchitektur entwickelt wurde, in der Platz für entsprechend große Batterien mit hoher Leistungsfähigkeit vorgesehen ist. Wir haben dies bei unseren modularen Längs- und Querbaukästen von Anfang an berücksichtigt.
Hackenberg: In einer ferneren Zukunft dürfte meiner Ansicht nach die Elektromobilität die zentrale Rolle spielen. Dabei gibt es einen Wettkampf zwischen der Batterietechnik und der Brennstoffzelle, um Reichweiten von 400 bis 500 Kilometer zu ermöglichen. Wir arbeiten an beiden Technologien und werden sehen, was sich durchsetzt.
Neußer: In Lithium-Ionen-Technik steckt noch Potenzial, aber der große Schritt wird mit der Lithium-Sauerstoff-Zelltechnologie kommen. Im Labor funktioniert das schon gut, die industrielle Nutzung ist noch weit entfernt. Die Lithium-Sauerstoff-Batterie kommt sicher nicht mehr in diesem Jahrzehnt.
Hackenberg: Da dürfen Sie uns bitte nicht falsch verstehen. Das Ziel 95 g CO2/km ist für den Volkswagen-Konzern schon eine sehr hohe Messlatte. Aber der Geist im Unternehmen ist sehr stark darauf fokussiert, dieses Ziel zu schaffen. Wir sind uns hier unserer Verantwortung bezüglich der Umwelt und der Energieressourcen bewusst.
Neußer: Wir sehen uns als Konzern dabei aber auch in der Verantwortung, die individuelle Mobilität für die breite Bevölkerung in der Zukunft sicherzustellen. Es geht uns nicht nur um das, was technisch machbar ist, sondern es muss natürlich auch für den Kunden bezahlbar sein.
Zur Person
Ulrich Hackenberg (63): ist seit 1. Juli 2013 Entwicklungsvorstand der Audi AG. Gleichzeitig verantwortet er die markenübergreifende Entwicklungssteuerung des VW-Konzerns. Im Februar 2007 wurde Hackenberg Mitglied des Markenvorstands Volkswagen.
Zur Person
Hans-Jakob Neußer (53): übernahm 2011 die Leitung der Aggregateentwicklung der Marke Volkswagen Pkw, 2012 wurde ihm die Leitung der Aggregateentwicklung des Volkswagen-Konzerns übertragen. Darüber hinaus ist er seit 1. Juli 2013 Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen.