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VW-Dieselskandal
Probleme mit VW-Update-Aktion wachsen

Der Ärger mit Software-Updates bei VW geht weiter: Leser berichten von Problemen mit der Abgasrückführung und Partikelfiltern nach dem Update ihres Diesels. VW bestreitet einen Zusammenhang mit der Aktion.

AGR Dieselskandal Kulanz ams 24/2017
Foto: Privat

Der Dieselskandal zieht weiter seine Kreise und reißt riesige Löcher in die VW-Kasse. Der Konzern erhöhte zuletzt seine Rückstellungen um weitere 400 Millionen auf 18 Milliarden Euro, um die Kosten der Abgasmanipulation abzudecken. Aber nicht nur die Wolfsburger müssen tief in die Tasche greifen, auch die betroffenen Autofahrer zahlen bisweilen ordentlich drauf.

Seit dem verpflichtenden Rückruf der Schummeldiesel klagen Fahrzeugbesitzer immer wieder über Probleme. Eine der häufigsten Diagnosen: Ausfälle beim Abgassystem, die horrende Kosten verursachen, wie auto motor und sport in Ausgabe 20/2017 aufdeckte. Nach dieser Veröffentlichung erreichten uns zahlreiche Leserbriefe von Autofahrern, die Ähnliches mit ihren Fahrzeugen erlebten. VW-Sprecher Nicolai Laude kann das nicht nachvollziehen: „Die überwiegende Mehrzahl der Kunden ist mit der technischen Lösung zufrieden.“

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Kulanz nur in Vertragswerkstatt

Roswitha Dannewitz gehört nicht zu dieser Mehrzahl der Kunden. „Seit dem Update ist alle 300 bis 500 Kilometer der Partikelfilter zu“, so die Rentnerin. „Meine Werkstatt speist mich damit ab, dass ich zum Freibrennen für ein paar Kilometer auf die Autobahn soll.“ Der Clou: Der Fehler trat das erste Mal nach einer Autobahnfahrt von 700 km auf. Bis heute wartet Dannewitz auf eine Reparatur.

AGR Dieselskandal Kulanz ams 24/2017
Privat
Zahlreiche Leser berichten von Problemen nach dem Software-Update.

Probleme nach Update

Auch Stefan Roppelt hat Probleme mit seinem Passat. Nach dem Update konnte er noch vier Monate und rund 7500 km fahren, bevor sich das Abgasrückführventil (AGR) verabschiedete. Auch bei Dieter Stüttgens fiel das AGR-Ventil nach kurzer Zeit aus. Beide ließen die Reparatur aus Kostengründen von einer freien Werkstatt erledigen. „Dort hat es 350 Euro gekostet, in der VW-Werkstatt hätte ich über 1000 Euro bezahlen müssen“, erklärt Stüttgens. Das Problem: Weder Roppelt noch Stüttgens können jetzt auf Kulanz von VW hoffen. Die gewährt der Konzern im Rahmen der sogenannten „Vertrauensbildenden Maßnahme für Stickoxid“ 24 Monate nach dem Update. „Es bleibt immer eine Einzelfallentscheidung, ob das Fahrzeug für die Maßnahme infrage kommt“, sagt Laude. Unseren Recherchen zufolge scheitert die Kulanz aber oft schon an einem falschen oder fehlenden Stempel im Serviceheft. Das wurde auch Roppelt und Stüttgens zum Verhängnis.

VW: kein Zusammenhang mit Update

Instrumente Tacho Drehzahlmesser Display VW Passat 2.0 TDI
D. Eisele
VW bestreitet einen Zusammenhang zwischen dem Update und Problemen mit der Abgasanlage.

Kurios: VW schließt den Zusammenhang zwischen Update und den danach aufgetretenen Problemen aus. Dennoch bietet man mit der Maßnahme eine Kulanzregelung an, die gerade für betroffene Bauteile der Abgasrückführung, der Kraftstoffeinspritzung und der Abgasnachbehandlung gilt – ein indirektes Schuldeingeständnis? VW streitet das ab, man habe die Maßnahme eingeführt, „um das Vertrauen der Kunden weiter zu stärken“.

Christof Rausch hatte Glück. Ihm bewilligte VW schon zwei Kulanzanträge. Bei seinem Tiguan flackerte im Mai 2017 das erste Mal die Motorkontrollleuchte auf. Nur 4.000 km nach der Reparatur meldete sich die Kontrollleuchte erneut. Immerhin: „Statt 90 Prozent übernahm VW dieses Mal alle Kosten“, erklärt Rausch und rechnet damit, dass er in 5.000 km wieder in die Werkstatt muss.

Doch die nächste Bombe tickt schon: Was passiert nach den 24 Monaten, in denen VW sich kulant zeigt? Die Kosten für weitere Reparaturen trägt dann der Kunde.

Gewährleistung nur bis 31.12.2017

So weit muss man jedoch nicht in die Zukunft blicken. Erste Probleme warten schon im neuen Jahr. Laut dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) droht Millionen von VW-Kunden zum 31. Dezember 2017 der Verlust der Gewährleistungsansprüche aus dem Dieselskandal, worunter etwa die Kaufpreisminderung oder der Rücktritt vom Kauf fallen. Volkswagen hatte sich bereit erklärt, sich bis Jahresende nicht auf die Verjährung zu berufen, wenn Kunden Ansprüche im Abgas-Skandal stellen.

In Wolfsburg wähnt man sich mit diesem vermeintlich großzügigen Schritt in Sicherheit, da die Frist über dem liegt, was der Gesetzgeber vorschreibt. Der Staat zieht den Kauftag als Stichtag heran und verpflichtet den Hersteller, zwei Jahre für Gewährleistungsfälle einzustehen. Mit anderen Worten: Nach derzeitiger Rechtslage bestünden für die betroffenen Dieselbesitzer keine Gewährleistungsansprüche mehr, weil die meisten Modelle zwischen 2011 und Sommer 2015 gekauft wurden.

VW spielt auf Zeit

Die verbleibenden Tage reichen nach Einschätzung des vzbv aber nicht aus, damit alle möglichen Geschädigten ihre Ansprüche geltend machen können. Bislang sind nur 90 Prozent der betroffenen Autos umgerüstet, außerdem sind noch offene Rechtsfragen zu klären. Für Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, gehört das zur Taktik: „Volkswagen spielt auf Zeit und zeigt kein Einsehen. Bis zu einem Urteil des Bundesgerichtshofs wird es drei bis vier Jahre dauern.“ Die Verbraucherzentralen verlangen daher von Volkswagen, die Frist noch einmal nach hinten zu schieben: „VW muss die Gewährleistung bis Ende 2021 verlängern“, fordert Müller.

Restwerte von VW TDI sinken

Bei Forderungen will es der Frankfurter Rechtsanwalt Klaus Nieding nicht belassen und prüft rechtliche Schritte gegen die Marke. Gerade was die Fahrzeugrestwerte anbelangt, sieht er die betroffenen VW-Kunden im Nachteil: „Leasingnehmer, die einen Restwertvertrag abgeschlossen haben und einen Diesel fahren, sitzen auf einer finanziellen Zeitbombe“, warnt Nieding. „Ihr Fahrzeug dürfte aufgrund des Dieselskandals mit den drohenden Fahrverboten und schlechteren Wiederverkaufsmöglichkeiten deutlich weniger wert sein als ursprünglich veranschlagt.“

Der schlimmste Fall auf seinem Tisch betrifft einen im September 2015 zugelassenen Audi A6 3.0 TDI: Der Restwert wurde mit rund 26.000 Euro veranschlagt, zwei Jahre später soll das vom Skandal betroffene Dieselmodell nur noch 18.000 Euro einbringen – 8.000 Euro oder mehr als 30 Prozent weniger, die der Kunde jetzt unerwartet ausgleichen soll. Klaus Nieding hat genug gesehen: „Es muss eine Feststellungsklage her, noch in diesem Jahr.“ Gemeinsam mit dem Prozessfinanzierer Foris will der Anwalt gegen VW vorgehen. „Mit einer sogenannten Feststellungsklage lassen sich viele Ansprüche vor Verjährung schützen“, erläutert der Foris-Vorstand Volker Knoop und empfiehlt Betroffenen, sich rechtzeitig beraten zu lassen.

Diesel verliert Marktanteile

Der Fall hat Potenzial für einen Flächenbrand. Auch andere Marken kann es treffen, die Dieselmodelle im Programm führen. Schließlich hat sich das Interesse am Markt für den Selbstzünder deutlich abgekühlt. Eine Analyse des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) ergab, dass von Januar bis September 2017 knapp 159.000 neue Diesel weniger zugelassen wurden als im Vorjahreszeitraum. Der Selbstzünder verliert überall. Diesen Rückgang muss die Automobilbranche erst einmal verkraften. Auf die Kulanz der Fahrzeughersteller sollten Kunden nicht hoffen, warnt Knoop: „Der Volkswagen-Konzern lässt erkennen – und neben Volkswagen werden vermutlich weitere Hersteller folgen –, dass man Leasingnehmer mit von ihnen nicht verursachten Restwertschäden allein lassen will.“

Der Fall Volkswagen ist eine Blaupause für die ganze Branche – er zeigt allen betroffenen Autokonzernen, womit sie rechnen müssen, wenn sie den Dieselskandal nicht in den Griff bekommen. Da spielt es nicht nur eine Rolle, ob ein Konzern freiwillig Nachbesserungen beim Diesel durchführt. Werden die Kunden beim Thema Gewährleistung, Kulanz und Restwertverlauf im Stich gelassen, leidet langfristig das Image – und davon hängt die Zukunft der Hersteller ab.

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