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24h-Rennen Nürburgring 2011
Vorschau auf die Top-Autos und das Feld

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Das 24h-Rennen am Nürburgring war schon immer eine Veranstaltung der krassen Superlative: Das größte Rundstrecken-Starterfeld der Welt, die längste und schwierigste Rennstrecke, die meisten Teams und mit über 800 Piloten auch die größte Fahrer-Riege zwischen Himmel und Erde. Das Jahr 2011 markiert eine weitere, nicht mehr für möglich gehaltene Steigerung: Die Fans bekommen das qualitativ beste Feld in der 39-jährigen Geschichte serviert.

24-Rennen Nürburgring, Fahrerfeld, Aufstellung, Menschenmassen
Foto: Rossen Gargolov

Alle deutschen Premium-Hersteller sind mit werksunterstützten Teams oder sogar mit reinrassigen Werksabordnungen vertreten: Audi, Porsche und Mercedes setzen auf die weiterhin florierende GT3-Kategorie, BMW bringt den für die ALMS entwickelten GT2-M3 an den Start. Dazu trägt Volkswagen Motorsport sein Scherflein zur Show mit drei Golf GTI bei, die, gemessen an ihrer schieren Fahrzeugbreite, ähnlich imposant wirken wie die Schlachtschiffe der deutschen Konkurrenz. Mit drei Ferrari nach GT2-Strickmuster und einer riesigen Rennwagen-Horde in der Liga über 400 PS steht den Fans am Fronleichnamswochenende ein wahrer Knaller bevor.

Unsere Highlights

Die Vorbereitung zahlt sich aus

„Drei Jahre haben wir Aufbauarbeit beim Reglement geleistet“, bilanziert Organisationschef Peter Geishecker. „Jetzt ernten wir die Früchte.“ Was hat sich der Patron und Pate des 24h-Rennens in den letzten 15 Jahren nicht alles anhören müssen, seit er seine gewagte Vision hinausposaunte: Der Eifel-Marathon solle in einer Liga mit dem 24h-Klassiker in Le Mans spielen. „Lachhaft“, behaupteten damals die Kritiker, die das Nürburgring-Rennen auch gern als Kirmes-Veranstaltung veräppelten. Heute fahren sie alle mit.

Die von Geishecker angeführte Aufbauarbeit bezieht sich vor allem auf die Etablierung eines komplexen Systems, das auf den Namen Balance of Performance (BOP) hört und letztlich den Sinn verfolgt, allen Mitspielern die gleichen Chancen auf den Gesamtsieg einzuräumen. Der gemeinsame Technikausschuss von ADAC Nordrhein, VLN und DMSB brütet ganzjährig über Rundenzeiten, Motorleistungen, Restriktorgrößen, Verbräuchen, Topspeeds und Kurventempi. Als Wächter des Nürburgringsports soll er die Performance relevanten Faktoren analysieren und dafür sorgen, dass die Topautos bei der Rundenzeit annähernd gleich schnell sind, ihre unterschiedlichen Verbräuche zu einer identischen Reichweite führen und die Nachtankzeiten trotz unterschiedlicher Motorkonzepte und Tankvolumina ebenfalls gleich lang ausfallen.

Ultra-enges Rennen mit beeindruckenden Markenvielfalt

Das hat nichts mit künstlicher Gleichmacherei zu tun, sondern dient allein dem Ziel, unterschiedlichen Konzepten die gleichen Startvoraussetzungen zu ermöglichen – und somit den Fans ein ultra-enges Rennen mit einer beeindruckenden Markenvielfalt zu bieten. Natürlich führt die Angst vor hemmenden Neueinstufungen im Vorfeld des 24h-Rennens nicht selten zu politischer Kabale in den Hinterzimmern, doch den Fans kann das letztlich schnuppe sein: Sie wollen ein spannendes Rennen mit tollen Autos sehen, und Ende Juni ist die Zeit des Taktierens endgültig vorüber – dann geben alle Vollgas.

Vier Faktoren bestimmen über die Siegfähigkeit: Der Faktor Auto ist immer noch hoch bedeutsam, zum Beispiel beim Thema Zuverlässigkeit. Doch die Zeiten sind vorüber, als die Werke mit viel Geld einen Überflieger basteln konnten und allen davonfuhren – Balance of Performance sei Dank. Die Rolle der Teams und die Bedeutung der Fahrer sind dagegen überproportional gestiegen – weil sie nun den Unterschied ausmachen können. Schließlich spielen die Reifen eine wichtige Rolle, denn sie sind nach wie vor freigestellt.

In der Theorie sind alle siegfähig

Wenn der Nettospeed der Fahrzeuge, ihre Reichweite sowie die Nachtankzeit angeglichen sind, ist eine Voraussage über die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Marken naturgemäß schwer möglich. In der Theorie sind alle siegfähig. Auch in der Praxis? BMW hat sich nicht im Glanz des Vorjahressieges ausgeruht. Im Winter wurde am M3 GT mächtig gearbeitet: neue Aerodynamik, verbesserte Reifen, Feintuning am Motor, Wippenschaltung und intensive Setup-Arbeit – kein Stein im M3-Mosaik blieb unangetastet. Die ALMS-Siege in Sebring und Long Beach sowie der Doppelsieg beim ersten VLN-Lauf am Nürburgring dokumentieren den Aufschwung. BMW tritt mit jener ACO-Homologation in den Ring, die nun weltweite Gültigkeit besitzt – und damit mit einem fundamental anderen Auto als noch 2010. Der einzige augenfällige Unterschied zu den US-Rennen besteht darin, dass die M3 am Ring mit einem Renn-ABS ausgestattet sind.

Während das Schnitzer-BMW-Team im vergangenen Jahr Defizite beim Speed beklagte, aber trotzdem gewann, müssen sich Audi, Porsche & Co. heuer auf einen bärenstarken Gegner einstellen: Zwar hatte das neue Aero-Paket Einbußen beim Topspeed zur Folge, doch konnte BMW in allen anderen Performance-Bereichen zulegen. Die Kurvenspeeds sind höher, der mechanische Grip ist besser. Mit dem höheren Abtrieb kann Reifenpartner Dunlop generell auf weichere Mischungen setzen. Und das Fahrwerk-Setup ist mittlerweile so perfekt aussortiert, dass Themen wie Temperaturanfälligkeit oder Verschleiß der Reifen keine Rolle mehr spielen. Massiv haben die Bayern beim Thema Reichweite zugelegt: Mit Verbräuchen von unter elf Litern pro Runde schockten sie die VLN-Konkurrenz. Damit ist BMW auf Neun-Runden-Stints abonniert – und kratzt womöglich sogar an der Zehn-Runden-Schallmauer. Wobei dies auch davon abhängt, mit welcher Gewicht-Tank-Kombination BMW antreten wird: Zur Wahl stehen 1300 Kilo, 30,5 mm große Restriktoren und 110-Liter-Tank gegen 1250 Kilo, 29,5 mm große Restriktoren und 100-Liter-Tank.

Da sich der M3 mittlerweile in seiner dritten Saison befindet, sollte die mechanische Zuverlässigkeit sichergestellt sein. Das Schnitzer-Team hat seine Langstreckenkompetenz wieder aufpoliert und profitiert vom Einsatzmix aus Le-Mans-Rennen und VLN-Läufen. Schließlich kann BMW am Nürburgring auf erprobte Fahrer setzen: Mit Jörg und Dirk Müller, Dirk Werner, Pedro Lamy, den ehemaligen TW-WM-Piloten Andy Priaulx und Augusto Farfus sowie den Ring-Cracks Uwe Alzen und Dirk Adorf herrscht kein Mangel an fahrerischer Kompetenz.

Aus technischer Sicht bleibt festzuhalten, dass der M3 ein reinrassiges GT2-Auto ist, während die Konkurrenz auf seriennahe GT3  vertraut. Der Unterschied ist nicht zu unterschätzen, denn ein GT2-Auto ist in allen Belangen mehr Rennauto als die GT3-Wagen, deren Fundament eine engere Verwandtschaft zum Serienprodukt aufweist. Und BMW hat noch einen Vorteil: Sie taten sich beim Pokern im Vorfeld leichter, weil vom GT2-M3 keine Kundenwagen im Umlauf sind, während die GT3-Konkurrenz bei allem was sie tut auch immer ihre Kunden berücksichtigen muss. BMW hat die volle Kontrolle über alles, was sie auf der Rennstrecke zeigen. Die VLN-Rundenzeiten von knapp über 8.20 Minuten sind als Anhaltspunkt für das 24h-Rennen getrost zu vergessen. Realistisch sind Zeiten im Bereich von 8.05 Minuten. Fazit: BMW hat vorbehaltlich der letzten Einstufungswelle gute Chancen, den Glückstreffer von 2010 in einen sportlichen Volltreffer umzumünzen. Der große Joker der Bayern ist der Verbrauch.

BMW und Porsche mit zwei Waffen

Porsche wird es eine Ehre sein, den BMW-Durchmarsch in der Eifel zu verhindern. Mit dem Manthey-Topauto aus der Langstreckenmeisterschaft sowie dem 911 GT3 R Hybrid hat die Sportabteilung aus Weissach wie BMW zwei Eisen im Feuer. 2010 verschreckte das Team von Olaf Manthey die Gegner mit einer aggressiven Startstrategie, was Kritiker zu der These verleitete, die Schwaben hätten im Vorfeld überproportional stark geblufft. Doch Porsche musste damit rechnen, dass die Gegner neun Runden fahren würden, während sie selbst nur maximal acht Runden mit einer Tankfüllung schafften. Um diesen Nachteil zu kompensieren, muss man im Schnitt fünf Sekunden pro Runde schneller fahren. In diesem Jahr ist der Porsche 911 eine bekannte Größe im GT3-Kampfgemenge. Zwar schrumpften die Restriktoren für den Vier-Liter-Boxermotor mittlerweile auf einen Durchmesser von 47 Millimeter, was die Leistung auf zirka 500 PS limitiert. Dazu hat der Technikausschuss Anfang Mai die Restriktoren aller Top-autos flächendeckend um weitere drei Prozent reduziert, was nochmals 15 PS kosten wird. Porsche muss außerdem einen um vier Millimeter höheren Heckflügel-Gurney verwenden.

Da 2011 keine technischen Neuerungen anstanden, konnten Porsche und Manthey ihr Paket nur feinschleifen: Die überarbeitete ABS-Ausbaustufe erhöht die Bremstraktion und sorgt für weniger Scheibenverschleiß, die Detailarbeit am Fahrwerk sollte Reifennutzung und Reifenverschleiß verbessern. Im Wald steht das Manthey-Team immer noch beim Thema Reichweite: Nachdem die Veranstalter den legendären Reichweitenvorteil der Porsche vor drei Jahren kappten, sind die Elfer nun unverdient im Hintertreffen. In den letzten beiden Jahren schafften die 911 GT3 R maximal acht Runden – während die Konkurrenz von BMW und Audi auch Neun-Runden-Stints auspacken konnten. Daher überlegt man bei Manthey immer noch, in die 1300-Kilo-Klasse zu wechseln, was automatisch eine Erhöhung des Tankvolumens auf 110 Liter erlaubt. Damit könnte Porsche wahrscheinlich ebenfalls neun Runden schaffen.

Die Stärken des Porsche sind allgemein bekannt – gute Traktion bei Mischbedingungen und Trockenheit dank Heckmotorkonzept. Die kleine Stirnfläche sorgt für gute Topspeedwerte. Dazu hat man durch die Kooperation mit dem Manthey-Team und seinen vielen VLN-Einsätzen die beste Datengrundlage. Bei der Zuverlässigkeit hatten die Schwaben im letzten Jahr gepatzt: Die Porsche 911 GT3 R erwiesen sich als fragil. Schäden im Bereich Kupplung und Getriebe sorgten ebenso für lange Gesichter wie kokelnde Auspuffanlagen. Hinzu kam der Motorschaden beim führenden Hybrid-Wagen. Es ist davon auszugehen, dass die Sportabteilung die Scharte auswetzen wird und alles daran gesetzt hat, das Thema Zuverlässigkeit abzuhaken.

Fahrer, Team und Reifen sind Top

Drei wichtige Faktoren sprechen für das Manthey-Team: Fahrer, Team und Reifen. Das bewährte Trio Marc Lieb, Romain Dumas und Timo Bernhard wird von Lucas Luhr ergänzt, der den weiterhin nicht einsatzbereiten Marcel Tiemann ersetzt. Da ist an Ring-Schläue alles versammelt, was für einen Sieg gebraucht wird. Auf Teamseite sticht die Mannschaft von Olaf Manthey fraglos aus dem Teilnehmerfeld heraus: Die Infrastruktur des Mehr-Wagen-Teams ist optimal auf die Bedürfnisse am Nürburgrings zugeschnitten, kein anderes Team kennt alle Paragrafen der Ring-Bibel so gut wie die Truppe aus Meuspath. Schließlich blickt man auf eine vertrauensvolle Partnerschaft mit Michelin zurück, die garantieren sollte, dass die Reifen perfekt mit dem 911 harmonieren. Natürlich bekommt das werksunterstützte Team die Entwicklungsreifen der Güteklasse 1A.

Unter das Vorzelt von Manthey schlüpft auch das Werksteam aus Weissach, das den Porsche 911 GT3 R Hybrid betreut. 2010 wäre fast die Sensation gelungen, als der Hybrid neun Stunden führte, bevor er kurz vor Rennende mit Motorschaden ausfiel. Über den Winter wurde in Weissach viel getüftelt: Das Gewicht konnte auf 1300 Kilo abgesenkt werden, was aber auch zwangsläufig bedeutet, dass sich das Tank-volumen von 120 auf 110 Liter reduzierte. Dem Verbrennungsmotor, der seine Ansaugluft 2010 noch ungedrosselt einsaugen durfte, wurden allerdings die Pferde ausgespannt: Weil die Extra-Leistung aus der Bremsrekuperation, die über ein Schwungrad mechanisch gespeichert wird, mit 32 PS pro Runde verrechnet wird, darf der Vier-Liter-Boxer nur noch 465 leisten. 465 plus 32 macht 497 PS – also unter dem Strich so viel Power wie der Standrad-911 GT3 R.

Über den Winter wurde die zur Verfügung stehende Leistung des Hybridsystems auf 200 PS erhöht. Die Abgabe erfolgt nun quasi vollautomatisch über einen Momenten-Manager, der die Zusatzleistung elektronisch steuert und einspeist. Der Fahrer hat aber nach wie vor die Möglichkeit, den Extra-Boost per Knopfdruck abzurufen, beispielsweise bei Überholvorgängen. Der Hybrid kann seine Extrapower auch zum Steigern der Verbrauchseffizienz nutzen: Zehn Runden sind ein Muss. Schafft er sogar elf Runden? Dann macht es nichts, wenn die Rundenzeiten des Hybrid langsamer ausfallen als die der anderen Topwagen – denn abgerechnet wird zum Schluss. Mit Jörg Bergmeister, Patrick Long, Richard Lietz und Marco Holzer sind kundige Kutscher mit der Handhabung des komplexen Hybrid-Wagens beauftragt.

Schließlich haben Manthey und Porsche noch ein drittes Ass aus dem Ärmel gezaubert: In der Nennliste steht ein 911 GT3 RSR – sprich ein GT2-Auto. Wenn die These zutreffend ist, dass ein GT2-Auto bei verschärften Restriktionen womöglich die bessere Wahl ist, weil man zum Beispiel auf der Aero-Seite mehr Stellschrauben hat, um zu reagieren, macht die Nennung durchaus Sinn. Neben dem Thema Aerodynamik spielt vor allem der Faktor Motor eine große Rolle: GT2-Motoren sind reinrassige Renntriebwerke und als hocheffiziente Restriktormotoren konzipiert. Wenn die Luftmengenbegrenzer immer weiter schrumpfen, sind die GT2-Motoren besser geeignet als die GT3-Triebwerke, die mit serienmäßiger Ansauganlage und Drosselklappe äußerst widerwillig auf das Beschneiden der Luftmenge reagieren und in Lethargie zu verfallen drohen. Fazit: Porsche hat das Potenzial, um Audi und Mercedes zu schlagen. Die große Frage lautet: Reicht es auch für BMW? Da könnte das GT2-Ass stechen.

Audi greift mit vier Fahrzeugen nach dem Titel

Ebenfalls in der GT3-Klasse tritt Audi mit dem R8 LMS an. Die Ingolstädter haben einen großen Startvorteil: Ihre Flotte umfasst vier Autos, während Porsche und BMW nur drei beziehungsweise zwei Eisen im Feuer haben. Mit Phoenix steht ein Team unter Vertrag, das am Nürburgring beheimatet ist und am ehesten auf dem Level von Manthey operieren kann. Gleichzeitig facht der markeninterne Wettbewerb zwischen Abt und Phoenix die Motivation an. Seit dem Wechsel von Dunlop auf Michelin kurz vor dem 24h-Rennen 2010 ist die Partnerschaft auf dem Reifensektor mittlerweile enger zusammengewachsen – ein wichtiger Unterschied zum Vorjahr, der tendenziell für eine Verbesserung der Audi-Performance sprechen müsste.

Auf der Fahrzeugseite hat sich im Verborgenen einiges getan. Audi tritt nun mit 1300 statt 1350 Kilo an, was eine Tankreduzierung von 120 auf 110 Liter zur Folge hatte. Mit einem aktuellen Leergewicht von 1310 Kilo liegt der Audi nahe an der Zielmarge. Damit zeichnet sich übrigens ein interessanter Trend ab: 2011 fahren mit BMW, Porsche und Audi wohl fast alle Topwagen mit 1300 Kilo und 110 Liter Tankvolumen – nur der Mercedes tritt in der Sumo-Klasse bis 1350 Kilo an. Audi gilt nach vor als Kandidat für Neun-Runden-Stints, doch es gibt zwei Möglichkeiten, einen Reichweitenvorteil auszuspielen: Entweder man schafft das neue Stichmaß von 9 Runden oder man fährt nur acht Runden und spart sich bis zu 15 Sekunden bei jedem Boxenstopp – wie bei Audi im vergangenen Jahr.

Ein Dauerthema bei Audi ist die Langstreckenfestigkeit. Seit Beginn der R8-Entwicklung gab es immer wieder Kummer, maßgeblich ausgelöst durch den Einsatz der serienmäßigen Motor-ECU, was zur Folge hatte, dass die Kommunikation mit der Zusatzsoftware für Traktionskontrolle, Wippenschaltung und vor allem Renn-ABS oftmals einen Hauch zu lange dauerte. Das wiederum sorgte am anderen Ende des Autos für Getriebesalat, besonders wenn die Hinterräder im Regelbereich des ABS arbeiteten und der Pilot gleichzeitig herunterschalten wollte. Diese komplexe Gemengelage konnte teilweise dadurch behoben werden, dass Renn-ABS, Traktionskontrolle und Display-Funktionen nun von Bosch stammen – wie das Seriensteuergerät. Gleichzeitig wurde das wuchtige Serien-Schwungrad durch eine leichtere Variante ersetzt. Alle Maßnahmen zusammen sollten für eine bessere Dauerhaltbarkeit sorgen und wurden bei zwei 30-Stunden-Dauertests in Paul Ricard validiert.

Der für den R8 homologierte Langstrecken-Baustand kurierte außerdem Verschleiß- und Standfestigkeitsprobleme im Bereich der Bremsanlage, die jetzt obendrein vom niedrigeren Basisgewicht profitieren sollte. In der Summe sind also die Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit gegeben. Dazu handelt es sich beim Ring-Einsatz 2011 erstmals ganz offiziell um einen Werkseinsatz mit Michelin-Entwicklungsreifen – ein Umstand, der die Rahmenbedingungen nachhaltig geschärft haben dürfte.

Ein Problem freilich bleibt: Über eine Runde war der Audi R8 schon im letzten Jahr eine Wucht. Die Piloten loben die Kurvenlust ihres R8 fast überschwänglich, besonders in den schnellen Ecken. Allein die Rennresultate am Nürburgring fallen nach wie vor nicht überzeugend aus. Ein Grund scheint darin zu liegen, dass der V10-Motor zunehmend verschnupft auf reduzierte Restriktorgrößen reagiert, was im dichten Verkehr der Nordschleife mit flauem Ansprechverhalten im mittleren Drehzahlbereich bestraft wird. Die Adaption für weniger Spitzenleistung führt bei dem großvolumigen, aber seriennahen V10-Motor offenbar nicht automatisch zu einer fülligeren Drehmomentkurve im mittleren Drehzahlbereich – eine mögliche Erklärung für die schwachen Rennresultate am Nürburgring.

An der Klasse der Fahrerpaarungen herrschte bereits im Vorjahr nie ein konkreter Zweifel: Heuer sind die Kombinationen Marc Basseng, Mike Rockenfeller und Marcel Fässler (Phoenix) sowie Marco Werner, Timo Scheider und Mattias Eckström beispielsweise erstklassig. Die Fahrerriege umfasst mit Frank Stippler, Marc Hennerici, Luca Ludwig oder Christopher Mies weitere Ring-Profis. Fazit: Im dritten Anlauf sollte Audi eine tragende Rolle im Ring-Drama spielen.

Wie schlägt sich der Silberpfeil am Ring?

Das schwarze Pferd im Ring-Almanach 2011 ist Mercedes-Benz. Der SLS AMG GT3 tauchte bereits 2010 sporadisch am Nürburgring auf, doch erst seit 2011 ist er homologiert und von der FIA eingestuft. Der majestätische Flügeltürer des Teams von Peter Mamerow konnte den zweiten VLN-Lauf recht überlegen gewinnen, auch weil die Gegner unverhohlen um eine Niederlage bettelten. Das Potenzial des Autos ist groß: Mit einer erfrischend unbekümmerten Qualifikationszeit von 8.13 Minuten durchbrach Chris Mamerow das politisch korrekte Verhaltensmuster am Nürburgring.

Vater und Teamchef Peter legte verbal nach: „Wir sind Kunden von Mercedes-Benz, und wir fahren hier, um zu gewinnen.“ Er hat auch Dinge gesagt wie: „Es ist schon komisch, wenn Fahrzeuge, die weiterentwickelt werden, am Ende langsamer sind als zuvor.“ Dem Kunden Peter Mamerow ist es herrlich egal, wie die Einstufung läuft. Er macht eigentlich genau das Richtige, indem er der Arbeit der Technikkommission vertraut und zeigt, was sein Auto kann. Fakt ist zudem, dass es im Mercedes-Lager keine künstliche Orchestrierung wie bei den anderen Herstellern gibt, denn offiziell geht es hier ja um Kunden-engagements. Diese Taktik könnte, bezogen auf das 24h-Rennen, natürlich zum Bumerang werden: Wer darauf vertraut, dass seine Kundenteams die Werksabordnungen der Gegner schlagen, dem sei an dieser Stelle recht viel Glück gewünscht.

Im Fahrerlager wird kolportiert, das Mamerow-Team genieße eine herausgehobene Position im Feld der SLS-Kunden – was auch absolut Sinn machen würde, denn nur Mamerow setzt auf Michelin und Profifahrer. Beim 24h-Rennen werden Chris Mamerow, Armin Hahne und Pierre Kaffer den weißen SLS AMG GT3 vorantreiben. Noch offen ist, ob AMG seine Testfahrer Thomas Jäger und Bernd Schneider an den Ring kommandieren wird. Ungewissheit auch beim Thema Reifen: Angeblich muss Mamerow mit Michelin-Kundenreifen vorliebnehmen.

In der Nennliste stehen übrigens sechs Flügeltürer. Das Mamerow-Team ist die Speerspitze, doch die Frage muss erlaubt sein, ob die Truppe aus Castrop-Rauxel über die notwendige Infrastruktur verfügt, um Manthey, Phoenix, Abt oder das Schnitzer-Team herauszufordern? Das Auto sollte fraglos das Zeug dazu haben. Motor und Antriebsstrang gelten unter den Kundenteams als kugelsicher. Das Auslieferungsgewicht von 1340 Kilogramm ist eine schwere Bürde, unter der Reifen und Bremsen über die Ultradistanz heftig keuchen könnten. Der Grundcharakter des SLS ist offensichtlich: viel Abtrieb, große Stirnfläche und viel Drehmoment dank Hubraum. Bei den Topspeeds liegt der SLS eher nicht vorn. Und es ist fraglich, ob die Mercedes bei scharfer Gangart Neun-Runden-Stints erreichen können. Ebenso fraglich ist, ob die forsche Gangart von Mamerow bei den VLN-Rennen Konsequenzen für die Einstufung hat. Für Ring-Insider steht das Fazit dennoch fest: Mercedes stellt womöglich den besten GT3-Vertreter. Aber reicht das auch, um BMW unter Druck zu setzen?

Favoriten mit Rundenzeiten unter 6.50 Minuten

Der enge Favoritenkreis umfasst zehn Autos von vier Herstellern. Wenn es nach den Veranstaltern geht, werden sie alle ungefähr gleich schnell sein – und damit auch die gleiche Chance auf den Sieg haben. Allerdings konnte der Veranstalter bei den Einstufungen bis nach dem vierten Saisonrennen der VLN Ende Mai noch Feinjustierungen vornehmen. Rundenzeiten von privaten Tests auf der knapp 21 Kilometer langen Nürburgring-Nordschleife deuten übrigens an, wo das aktuelle Performance-Fenster liegt: Sowohl Audi als auch Mercedes und Porsche sollen Rundenzeiten von unter 6.50 Minuten erzielt haben.

Übertragen auf die VLN-Streckenvariante reden wir daher von realistischen Rundenzeiten im Bereich von unter 8.10 Minuten. Ein weiterer Puzzlestein bei den Einstufungen ist der viel diskutierte Topspeed, beispielsweise auf der Döttinger Höhe. Der Veranstalter will die Höchstgeschwindigkeiten deutlich reduzieren und hatte bereits Erfolg. Offiziell gilt alles über 290 km/h als absolutes No-Go. Durch Feinjustierungen sanken die Geschwindigkeiten mittlerweile auf zirka 280 km/h für Porsche. Audi liegt knapp dahinter, BMW und Mercedes folgen mit Respektabstand. Die Einbremsungen haben übrigens primär Sicherheitsgründe – denn ein um 10 Stundenkilometer höherer Topspeed auf der Döttinger Höhe bringt gerade mal mickrige acht Zehntelsekunden bei der Rundenzeit.

Eine taktische Variante ist bei der Prognose fürs 24h-Rennen noch von Interesse: Vergangenes Jahr verloren das Manthey-Team sowie die beiden Audi-Werksmannschaften fünf Autos durch Unfälle im Verkehr. Wie beeinflussen diese Vorkommnisse die taktische Marschroute der Werksteams 2011? Wird man die Strategien nach dem Muster Hase und Igel splitten – einer bläst ganz vorn mit, der andere verlegt sich auf eine konservativere Fahrweise? Oder trampeln die Profis mit den blauen Lampen in den Windschutzscheiben abermals gnadenlos durchs 24h-Feld, das in diesem Jahr mit über 200 Rennwagen wieder an der absoluten Kapazitätsgrenze liegen wird?

Genau bei diesem Szenario wäre der erweiterte Favoritenkreis von Bedeutung. Neben den zehn Topautos von Audi, Porsche, BMW und Mercedes findet sich eine stramme Liste an Geheimfavoriten: Das Farnbacher-Ferrari-Team, das 2010 mit einem zweiten Platz zu glänzen vermochte, sattelt 2011 auf den neuen GT2-Rennwagen 458 um. Noch gibt es die üblichen Anpassungsprobleme bei Setup und Aerodynamik, doch der Hankook bereifte 458 sieht nicht nur toll aus, sondern hat auch viel Potenzial. Die Meinung scheint Amato Ferrari nicht zu teilen: Der Teamchef von AF Corse setzt das GT2-Vorgängermodell F430 GT Wide-Body am Ring ein – mit Michelin-Reifen und guten Piloten (Giancarlo Fisichella, Gianmaria Bruni, Toni Vilander). Schließlich sollte man den P4/5 des Ntechnology-Teams nicht außer Acht lassen: Der vom Milliardär James Glickenhaus finanzierte Hingucker vereint GT2-Technik und Pininfarina-Designkunst auf dramatische Weise.

Der Veranstalter ADAC Nordrhein erwartet bis zu 30 Starter allein in der GT3-Klasse SP9 – und fast alle diese Teams können eine Rolle im Kampf um Top-Ten-Plätze spielen, sofern sie fahrerisch gleichmäßig besetzt sind. Da wären die unzähligen Porsche-Teams wie die Frikadelli-Mannschaft von Klaus Abbelen, der Falken-911 oder natürlich das Manthey-Team selbst, das neben dem Topauto mit der Startnummer 11 auch den Haribo-GT3 R mit Christian Menzel und Richard Westbrook einsetzt. Auch der neue BMW Z4 GT3 gehört in die Klasse Überraschungskandidat: Schubert Motorsport wird zwei gut besetzte Z4 starten, Dörr bringt einen weiteren Renn-Turnschuh.

Dazu lagen Anfang Mai in den großen Hubraumklassen SP7, SP8, SP9 und E1-XP schon 80 Nennungen vor – allesamt Rennwagen im Bereich von 400-PS-Plus. Dazu gehören grazile Exoten wie Aston Martin mit ihren Vantage V8 und V12 oder die drei von Volkswagen Motorsport an den Start gebrachten GTI, mit denen das 35-jährige Golf-Jubiläum würdig und spektakulär begangen werden soll. Der Golf hat so viel Überbreite, dass er übrigens nicht in der Klasse SP4T, sondern bei den hubraumstärkeren Wagen der SP8T antreten wird.

Einige glauben doch in der Tat, der 440 PS starke Breitbau-Golf würde beim 24h-Rennen um den Gesamtsieg mitkariolen. Zwar spricht der starre Allradantrieb bei wechselhaften Witterungsbedingungen in der Tat für die Golf-Meute, doch der Benzinverbrauch des 2,5-Liter-Fünfzylinder-Turbos mit 440 PS setzt der Reichweite Grenzen. Ein VW-Mitarbeiter konterte die wild ins Kraut schießenden Gerüchte mit der amüsanten Feststellung: „Mit 800 PS würden wir ganz sicher um den Gesamtsieg mitfahren.“

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