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Volvo V70 und Volvo 240
V70 ist Silber, 240 ist Gold

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Ich oute mich. Ich bin dumm, weil ich beim Autokauf allein der Vernunft gefolgt bin. So habe ich weniger das getan, was ich wollte, sondern das, wovon ich dachte, es wäre ein guter Kompromiss. Jetzt habe ich einen Volvo V 70 statt des 240. Und denke anders.

Volvo V70
Foto: Hardy Mutschler

Volvo V70 oder Volvo 240? Das ist hier die Frage, die beschäftigt. Doch von Anfang an...Die Ampel ist rot, ich muss halten. Hinten quietscht es leise, und von vorn kommt so ein Klackklack. Das war lange nicht zu hören gewesen, aber nun funktioniert das Radio nicht mehr, und seitdem frage ich mich, was das für Geräusche sind, die der Wagen da macht.

Der für 10.000 Euro vor vier Jahren gekaufte Volvo V70 bekommt keine TÜV-Plakette

Das heißt, ich fragte mich, um korrekt zu sein, denn seit einer Stunde weiß ich es ja. Ich weiß, dass das Klacken von einer maroden Vorderachse rührt, das Quietschen seine Ursache in einer hinteren Bremsanlage hat, mit der etwas nicht stimmt, etwas, das zur Folge hat, dass der Volvo V70 nicht so gut bremst, wie der Mann, der die Hauptuntersuchung durchführte, das für nötig gehalten hätte, um eine neue Plakette aufs Nummernschild zu kleben. So hat er nicht geklebt, er hat gesprochen. "Dann bringen sie das so schnell wie möglich in Ordnung", hat er gesagt, "und kommen anschließend einfach zur Wiedervorstellung."

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Das ist die eine Sache. Die andere ist, dass es in der Beziehung zu diesem Fahrzeug nicht erst, aber seit der TÜV-Nummer erst recht, lauter Klackklack macht als aus den vorderen Radhäusern. "Wir brauchen eine Handvoll Narren", lese ich auf einem riesigen Plakat das Zitat von George Bernard Shaw, "seht, wohin uns die Vernünftigen gebracht haben." In einen Volvo V 70, denke ich, einen, mit dem mich kaum mehr verbindet als der Name im Fahrzeugschein und der Ärger darüber, diesen anstelle eines älteren, günstigeren und schöneren Volvos gekauft zu haben. Wieso?

Wieso, grün, klackklack, war ich bloß so unvernünftig, der Vernunft zu folgen? Sie hat mich, vier Jahre ist das her, auf den Hof eines Gebrauchtwagenhändlers geführt. Dort habe ich für den Volvo V70 fast 10.000 Euro auf den Tisch gelegt. Der Verkäufer lächelte ein Lächeln, das mich einer guten Entscheidung versichern sollte. Aber es war die Entscheidung eines vermeintlich Vernünftigen, der nur Schiss hatte vor allzu Verrücktem oder dem, was er dafür hielt. Ein Volvo 240er Kombi zum Beispiel. Der wäre für den Hund, für den ja der Wagen angeschafft wurde, perfekt gewesen: großer Hund, großes Auto. Und: verrückter Hund, verrücktes Auto.

Traum- oder Albtraumzustand?

"Traumzustand" hatte im Inserat zum Volvo V 70 gestanden, und über die Bedeutung dieses Begriffs habe ich seitdem viel nachgedacht. Heißt es tatsächlich, der Wagen sei in einem Zustand, den man sich besser nicht erträumen könnte? Was weiß der Gebrauchtwagenhändler von meinen Träumen? Oder heißt es, der Zustand, von dem man glaubt, der Wagen sei in einem solchen, ist nichts weiter als ein Traum? Dann wäre der Traumzustand in Wahrheit ein Albtraumzustand. Heißt Traumzustand vielleicht auch, man bekommt Zustände, wenn man das Fahrzeug nicht im Traum, sondern ganz profan auf der Straße bewegt?

Das erste Mal hatte der Mann vom TÜV-Süd das Gesicht verzogen, als er am linken Vorderreifen meines Volvo hantierte, dann guckte er auf der anderen Seite stehend ebenfalls, als müsse er sich sehr konzentrieren, um nicht zu pupen. Er notierte, mit demselben Gesichtsausdruck noch, etwas auf seinen Zettel, würgte den Motor - des unrunden Leerlaufs wegen - ab, als er zum Bremsenprüfstand vorzog, und entstieg hernach dem Kombi kopfschüttelnd.

Das passiert mir selbst oft genug, dass ich dem Fahrzeug kopfschüttelnd entsteige. Bald nach dem Kauf, als der Volvo bergab im Regen geparkt hatte. Gibt es einen dummen Spruch wie: Das Wasser ist wie die Weisheit, es findet immer einen Weg? Keine Ahnung, wenn ja, dann stimmt er jedenfalls. Das Wasser hatte einen Weg in den Beifahrerfußraum gefunden, wo es hin und her schwappte, wann immer Tempo oder Richtung der Fahrt sich änderten. Um Pfützen im Fußraum zum Schwappen zu bringen, reicht sowohl die Brems- als auch die Motorkraft des Volvo V 70.

Der Volvo V70 frisst - Bremsen und Sprit

Um diese und kaum mehr Leistung bereitzustellen, frisst und säuft der Volvo V70. Er frisst Bremsen, und er säuft Sprit. Den Sprit säuft er stets auf dieselbe Weise, die Bremsen frisst er mal so, mal so. Indem er die Scheiben verzieht, die Beläge aus dem Sattel rutschen lässt oder, das ist wenigstens mit einigem Spektakel verbunden, indem die Zangen so festgehen, dass es stinkend aus dem Radhaus raucht. Diverse Mechaniker haben mit diversen Werkzeugen diverse Teile, und zwar nur unter anderem an der Bremsanlage, ausgetauscht. Doch diverse neue Macken hat das nicht bannen können. Und mehrere Menschen haben mehrere hundert Liter Wasser aus Kannen, Schläuchen und Hochdruckreinigern auf die Karosserie meines Volvo niedergehen lassen. Doch den Weg, den das Regenwasser findet, haben sie nicht gefunden.

Das ist kein Drama, sicher. Aber das ist auch nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass mir neulich jemand - und der gab zu, zuvor ebenfalls einen Volvo V 70 erlitten zu haben -, verriet: "Weißt du, was ich machen würde bei Wasser im Fußraum? Ich würde ein Loch unten reinschlagen, und das Wasser könnte ablaufen." Zweierlei: Er spricht im Konjunktiv, was erstens bedeutet: Da ist kein Wasser in seinem Auto. Zweitens: Er hat einen Volvo 240, genau so einen, wie ihn meine Frau immer mit dem Finger bezeigt, wenn er vorbeirollt und sie das Hüpfen beginnt und "guck, da, guck, da" sagt. Dem Volvo V 70 rammt man natürlich nicht so mir nichts dir nichts Ablauflöcher ins Bodenblech. Und man bezeigt ihn auch nicht begeistert hüpfend und voller Sympathie.

Der letzte Volvo-Kombi ohne unvorteilhaft ausgestellte Hüften ist kein altes Auto, das ich dem Gnadenbrot entgegenreiten wollte wie ein greises Pferd, das einen langsam, aber treu ergeben trägt und erträgt. Langsam ist der Volvo V 70 auch, aber nicht er trägt mich, ich ertrage ihn. Dafür kann er nicht immer etwas. Es liegt mehr an den Vorstellungen, die ich mir gemacht habe. Vor allem die, mit dem Volvo V 70 auf der sicheren Seite zu sein. Immerhin, ich finde ihn nicht hässlich, meine Frau auch nicht. Darum konnten wir uns auf ihn einigen. Doch ein älterer Volvo wäre uns lieber gewesen.

Die Risiken des Youngtimerkaufs schweben wie ein Damoklesschwert über mir

Eigentlich. Aber dann kam die Vernunft. Mit der Laufleistungsleier und damit, dass man in so einem Auto nicht drin stecke, dass irgendwann der Ärger losgehe. Über 100.000 auf dem Tacho? Immer ein Risiko. Wie oft habe ich schon vor Angeboten für einen Volvo 240er, gern auch einen 940er, gehangen, und stets krampfte es spontan in der Körpermitte, wenn da Kilometerzahlen jenseits von 150 oder gar 200.000 auftauchten. Oder Händlernamen, die irgendwie nach Abou oder Khalid aussahen. Immer ein Risiko.

Und Wimpelchen, Wimpelchen, die über dem Auto wehen, damit sie Dumme anlocken, wie im Märchen die Pfefferkuchen der Kinderfresserhexen unvorsichtige Kinderlein anlocken. Au weia, Finger weg. Und dann keine Klimaanlage. Ist auch ein Risiko. Weil dem Hund dann doch zu heiß wird hinten drin. Und langsam, so ein Youngtimer ist langsam, auch ein Risiko: Man kommt auf der Autobahn nicht mit, ist ständig der Depp und im Weg. Und die Beulen und der Rost und.

Und? Wäre in der Hexennacht ein Trottel über den Volvo 240 gestiefelt, hätte das ein Schulterzucken zur Folge haben können. Delle im Dach, was soll‘s. So aber gab es Vorstellungen von Baseballschlägern und gebrochenen Beinen. Die Beulen im Volvo V 70-Dach sind davon natürlich nicht weggegangen. Und eine Vision des korrekten Radio-Codes hatte ich ebenfalls nicht. Auf dem Radio steht eine Seriennummer, die nicht der auf der Codekarte entspricht - das Gerät mit den vielen Knöpfen schweigt nun anklagend beredt. Das mit dem Radio wäre nicht rausgekommen, hätte man nicht die Lichtmaschine tauschen müssen. Und hätte der Volvo V 70 keine Klimaautomatik, wüssten wir bis heute nicht, wie so eine Anlage müffeln kann, obschon mehrmals neu befüllt und befiltert.

Die kleinen Eigenheiten machen ein Auto aus, nicht die Mängelfreiheit

Wir wären gereist wie früher: mit Fenster auf und ohne trockengelegte Schleimhäute. Und, ja, langsamer. Aber auch: gelassener. Ein Volvo 240er ist ein altes Auto. Da muss man gar nicht mitkommen und nicht mitkommen wollen auf der linken Spur. Man fährt, man bewegt sich. Man hetzt nicht von A nach B, sondern setzt sich hinters Steuer und wartet, bis man da ist. Aber das Warten ist angenehm und unterhaltsamer als die Hetze im schnelleren und doch stets zu langsamen Auto.

Ich vermute das nicht, ich weiß es. Der Bekannte hat mich mit seinem Volvo 240 zur Werkstatt fahren lassen. Wo mein Volvo V 70 der Verkehrssicherheit entgegen repariert worden ist. Er hat jetzt, das sagt der Mann vom TÜV-Süd, als er die Plakette klebt, keine erkennbaren Mängel mehr. Doch das stimmt nicht.

Es ist ein Mangel, dass der Schaltstock beim Warten an der Ampel nicht so drollig in der Hand wackelt. Es ist ein Mangel, dass vom Motor kein angestrengtes Getöse kommt beim Gas geben, vom Fahrwerk kein heimeliges Nicken beim Bremsen. Es ist ein Mangel, dass ich am Steuer sitzend weniger lächle. Und es ist ein Mangel, dass es das Auto ist, zu dem der Kopf geraten hat und nicht der Wegbegleiter, den das Herz viel lieber hat haben wollen.

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Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten