Mauer: Meine Aufgabe hat vor allem einen strategischen Aspekt. Ich berichte direkt an Matthias Müller, berate ihn, entwickele markenübergreifende Strategien und Visionen. Er erlaubt uns da große Freiheiten, vertraut seinen Leuten, was die Zusammenarbeit sehr angenehm macht. Ansonsten koordiniere, lenke und inspiriere ich, lasse dabei aber den Designverantwortlichen der einzelnen Marken – wie etwa Klaus Bischoff bei VW oder Marc Lichte bei Audi – ihre Freiheit. Ich muss denen ja nicht groß reinreden, die machen schließlich einen hervorragenden Job.
Mauer: Die Differenzierung wird sich auf vielen Ebenen abspielen. Zum Beispiel so: Der virtuelle Fahrer in einem Porsche ist der Walter Röhrl, in einem Bentley der Butler. Hier liegt eine Chance für unseren Mehrmarkenkonzern. Das Wohnzimmer auf Rädern muss ja nicht unbedingt von Porsche kommen.
Wir können das ganz fein orchestrieren, die eine Marke bewusst stärker Richtung Sharing oder autonomes Fahren ausrichten, die andere weniger. In China bemisst sich der Status eines Autos an der Größe. Was wiederum kleinen Modellen die Chance eröffnet, zu einem individuellen Luxusgut zu werden. Unter dem Motto: Ich kann es mir leisten, ein kleines Auto zu fahren.
Mauer: Natürlich verlieren wir Differenzierungspotenzial. Wir stehen vor der Herausforderung, die Werte einer Marke, die von bestimmten Technologien geprägt werden, mit neuen Technologien fortzuschreiben. Andererseits bin ich aber auch überzeugt davon, dass es einen Gegentrend geben wird.
Mauer: Sehen Sie sich nur mal Segelboote an. Segeln ist eigentlich eine der antiquiertesten Arten, sich fortzubewegen. Dennoch gilt es als sehr exklusiv. Das trifft auch auf Vinyl-Schallplatten zu, die sogar wieder beliebter werden, als attraktiver Gegenentwurf zum Streaming. Sportliches Autofahren wird daher nicht verschwinden, sondern sogar an Bedeutung gewinnen.
Mauer: Das weiß ich nicht, zumal wir ja auch noch Lamborghini im Konzern haben. Muss denn von einer der beiden Marken künftig das Wohnzimmer auf vier Rädern kommen?
Mauer: Wie gesagt, ich persönlich bin überzeugt, dass uns neben dem autonomen Fahren die Option zum Selbstfahren erhalten bleiben wird, dann sogar mit besonders spaßbringenden Autos. Wieder eine große Chance für uns. Außerdem: Bei Luxusmarken gibt es autonomes Fahren doch jetzt schon: per Chauffeur. Anderswo macht das dann eben die Elektronik.
Mauer: Beim aktuellen Porsche Panamera sind wir da schon ziemlich weit gegangen. Denn wenn ich in der alten Welt verharre, biete ich halt auch nur ein altes Produkt. Das habe ich in meiner Zeit in Japan gelernt – und auch verstanden, warum dort neue Modelle oft keinen Bezug zum Vorgänger haben. Ich denke, die Kunst besteht darin, neu zu sein und die Verbindung zu dem, wofür die Marke steht, nicht zu verlieren.
Mauer: Na ja, so einfach ist das nicht. Design-Kriterien waren früher stark vom Exterieur getrieben, mittlerweile immer stärker vom Interieur. Dabei gilt es, Markenidentität und Produktidentität sauber voneinander zu trennen.
Mauer: Beispielsweise wird das Erlebnis für den Nutzer eines Fahrzeugs ein Teil der Markenidentität bleiben. So gibt es zwar nur eine einzige ergonomisch korrekte Position für einen Monitor in der Instrumententafel. Würde diese aber überall angewendet werden, sähen alle Cockpits fast identisch aus. Für Porsche ist zum Beispiel eine sehr niedrige Oberkante der Instrumententafel ein prägendes Stilelement, aber auch funktional wichtig für sportliches Fahren. Daher muss der Monitor tiefer integriert werden, als es ergonomisch hundertprozentig korrekt wäre.
Mauer: Sie ist weniger ein Thema des Designs. Das würde die Markenidentität konterkarieren. Als entscheidendes Merkmal für die Konzernidentität haben wir daher den unbewussten Qualitätseindruck definiert, der sich über Fugen- und Spaltmaße sowie die Oberflächenhaptik transportieren lässt. Die hohe Perfektion darin ist Teil unserer Konzernidentität.
Mauer: Kernthemen sind Shared und Owned Mobility, das Leben in der Stadt, die Entscheidung zwischen Teilen und Besitzen. Mit unserem neuen Konzept wollen wir bei diesen Themen erst mal 20 Jahre nach vorn schauen und dann langsam zurück in die Gegenwart gehen. Es soll ein Symbol sein für den Aufbruch im Konzern, wir wollen zeigen: Volkswagen bewegt sich, die Fakultäten im Konzern arbeiten zusammen, ohne den Anspruch, dass die Zukunft zwingend so aussehen wird. Konkrete Frage bei unserem Konzept: Wie weit gehe ich, um es wohnlich zu machen, wie erhalte ich die Balance zwischen Wohnlichkeit und Flexibilität?
Hier gab es keine klassische Trennung zwischen Exterieur und Interieur. Kreativer Spielraum zur Differenzierung bleibt aber weiterhin erhalten. Zum Beispiel bei der Frage: Lohnt es sich, der einzige Nutzer zu sein, buche ich exklusiv oder mit anderen? Übrigens könnte sich das natürlich auf den Preis für die jeweilige Dienstleistung auswirken. Das Teilen ginge natürlich auch innerhalb der Familie, also zwischen Partnern und Kindern. Wir müssen die Wünsche und Anforderungen von Kunden abfragen und eingrenzen. Unsere Sorge: Es könnte eine Kiste auf Rädern dabei herauskommen. Aber wie Sie sehen: Beim Design ist uns noch immer etwas eingefallen.
Mauer: Ja, durchaus. Wie gesagt, wir reden ja nicht von einem Fahrzeug, das der Endkunde zwangsläufig besitzen muss. Und wenn er doch selbst fahren möchte, werden wir auch künftig aus dem Konzern heraus passende Angebote machen können.
Michael Mauer - Vita
- Geboren 1962
- 1982-1986 Design Studium an der FH Pforzheim
- 1986-2000 Diverse Positionen bei Mercedes
- 2000-2005 Executive Director Design bei Saab
- seit 2005 Leiter Design der Porsche AG
- seit 2015 Leiter Design Volkswagen-Konzern