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VLN-Langsstreckenmeisterschafts-Projekt 2010: Ford Focus RS
Bilanz vom 24h-Rennen: Der Night-Faktor

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Beim 24h-Rennen brechen in der Nacht bei vielen Teams die ersten technisch oder unfallbedingten Unbillen herein. Dass sie Teil des härtesten Rennens der Welt auf der härtesten Rennstrecke der Welt sind, mussten 2010 auch die Studenten der FH Köln erfahren.

Ford Focus RS, VLN-Langstreckenmeisterschaft-Projekt 2010 Aufmacher
Foto: SB-Medien

Normalerweise beginnen Erlebnisberichte dieser Art mit einem: "Es hat alles so gut angefangen, aber dann ...". Bei der Premiere des vom Team FH Köln Motorsport eingesetzten und vom Werk tatkräftig unterstützten Ford Focus RS im Rahmen des diesjährigen 24-Stunden-Rennens am Nürburgring war es genau anders herum. Es hatte alles so gar nicht gut angefangen, endete dann schlussendlich aber doch noch im Freudentaumel.

Nicht ob des brillanten Ergebnisses: Platz 110 im Gesamtklassement und der sechste Rang in der Klasse der turbobefeuerten Special-Fahrzeuge mit bis zu 2,6 Liter Hubraum geben hierzu kaum Anlass. Wohl aber ob der Tatsache, dass jeder Einzelne im Team an diesem langen Rennwochenende über sich selbst hinausgewachsen ist und als Teil eines guten Ganzen das Seine zu der erfolgreichen Zielankunft am Nachmittag des 16. Mai beigetragen hat. Aber immer hübsch der Reihe nach.

Unsere Highlights

Das Stück, das zwischenzeitlich zum Drama zu mutieren droht, beginnt mit der Premieren im allgemeinen und solchen beim 24h-Rennen im speziellen eigenen Euphorie: Es ist geschafft. Das Auto ist fertig, steht wie bei den mit zwei Klassensiegen und einem dritten Platz höchst erfolgreichen ersten drei VLN-Läufen da wie aus dem Ei gepellt. Unter dem frisch manikürten, soll heißen: frisch beklebten Äußeren ist dennoch kaum etwas beim Alten geblieben. 24 Stunden sind lang, sehr lang. Also - so die durchaus legitime Schlussfolgerung - sollte die Technik so frisch wie möglich sein. Von den im Rahmen eines Testtages sorgfältig eingefahrenen und mit zusätzlicher Kühlung versehenen Antriebswellen und dem abgespeckten Serien-Kabelbaum einmal abgesehen, ist unterm Blech des RS kein Stein auf dem anderen geblieben: neues Getriebe, neue Drexler-Sperre, neuer Motor. Alles bestens also, sollte man meinen. Doch das Skript sieht etwas Anderes vor.

Freies Training, Donnerstag 13. Mai 2010:

Das Auto muss laufen vor dem eigentlichen Marathon - so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Schließlich ist ein finaler Komponententest nach derart gründlichen Umbaumaßnahmen unumgänglich. Mehr, so beschließt das bereits hinlänglich 24h-erfahrene Studententeam, soll dem weißen Renner vor dem ersten Qualifying am Abend nicht zugemutet werden. Die Strecke ist ohnehin patschnass, die Temperaturen mit gerade einmal fünf Grad Celsius denkbar niedrig. Das bedingt in Kombination ein vergleichsweise hohes Risiko für ungewollte Ausrutscher, zumal die Hinterreifen des starken Fronttrieblers bei derartigen Bedingungen kaum auf Betriebstemperatur zu bringen sind. Unter diesen Umständen lautet die Marschrichtung wie folgt: Zwei Runden rollen, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist und dabei den noch jungfräulichen Motor langsam an die bevorstehenden Aufgaben gewöhnen. Anschließend bringt die österreichische Studentin Daniela Schmid das gute Stück flugs wieder unter Dach und Fach. Die Zeltplane fällt, die Lage ist entspannt.

Donnerstag, 13. Mai 2010, 1. Zeittraining:

Für die vierköpfige Fahrercrew und den Focus RS steht die erste Bewährungsprobe an. Am Wetter hat sich nichts geändert: Das Thermometer hat inzwischen winterliche drei Grad Celsius erreicht, der Nieselregen fällt. Die Bedingungen sind schlicht zum Fürchten. Stefan Schlesack, dem 50-jährigen Nordschleifen-Routinier des Teams, kommt die unter diesen Umständen zweifelhafte Ehre der ersten Zeitrunden zu. Zwei Pflichtrunden je Fahrer müssen sein - sagt das Reglement. Die Zeit selbst? Egal. Beim 24-Stunden-Rennen kommt der Startposition eine eher untergeordnete Rolle zu. Außerdem prophezeien die Wetterfrösche für das zweite Zeittraining am Freitagmittag Besserung. Also - nur nicht hudeln. Die Ansage an 24h-Rookie und Rallye-WM-Pilot Jari-Matti Latvala ist klar: Rundenzeiten spielen keine Rolle.

Donnerstag, 13. Mai 2010, 21.30 Uhr:

Es wird dunkel. Und es ist immer noch kalt und nass. Zu kalt und zu nass für die Reifen des Audi R8 mit der Startnummer 100. Der Pilot bremst zu spät und trifft die rechte Flanke des Focus RS, der am Ende der Start-/Ziel-Geraden soeben in Richtung Schikane eingelenkt hat, voll. Das Team verfolgt die Kollision am Bildschirm mit Entsetzen. Erst als Latvala aus dem Cockpit vermeldet, dass sich das Auto völlig normal anfühle und er deshalb seine zweite Pflichtrunde zu Ende fahren werde, ist Durchatmen angesagt. So schlimm wie gedacht kann die Sache wohl nicht gewesen sein. Ein Irrtum, wie sich bei der späteren Begutachtung des Schadens in der Box herausstellt. Zwar sind beide Achsen wie durch ein Wunder unversehrt, aber die Schnauze des Audi hat an der rechten Seite des Ford doch nachhaltig Eindruck hinterlassen. Das Team berät, zieht einen technischen Kommissar hinzu. Jener stuft den Karosserieschaden zwar als gravierend ein, erteilt aufgrund der unbeschädigten Sicherheitszelle jedoch die Starterlaubnis für das Rennen. Und nun? Sofort reparieren oder besser doch nur notdürftig die nicht mehr sauber schließende Beifahrertür zurechtdengeln und weitere Pflichtrunden absolvieren? Man entschließt sich zu letzterem. Der Rest versinkt im Nebel. Sicht ist keine mehr, die Ausfahrt vom GP-Kurs auf die Nordschleife kaum zu finden. Was sie dort überhaupt will, wenn sie den Weg dorthin nicht findet, fragt sich die sport auto-Testchefin lieber erst gar nicht. Gegen Ende der Runde wird das Training an der Antoniusbuche abgebrochen. So endet des 24-Stunden-Dramas erster Akt.

Freitag, 14. Mai 2010 mittags, 2. Zeittraining:

Nur eine Pflichtrunde noch. Eine gab‘s ja gestern schon. Die Zeit ist immer noch egal - später soll es abtrocknen. Dann ist sowieso wieder alles anders. Das Auto ist nun bunt statt weiß. Die Studenten haben über Nacht einem in ihrer Kölner Werkstatt stehenden froschgrünen Unfallauto das hintere Seitenteil geraubt und dieses zum Glätten der Bananenform und zum Verstärken der Struktur an den Rennwagen geschweißt. Für das abschließende Lackieren blieb keine Zeit. Das ist später nachzuholen. Doch alle Äußerlichkeiten sind Lappalien gegen das, was nun ansteht: Kaum hat die Redakteurin das Bergwerk passiert, ist die Luft schon wieder raus. Dabei sind die Streckenverhältnisse heute deutlich besser. Man ist bereits auf Semislicks unterwegs. Sei‘s drum: Der RS hat keine Puste mehr. Zurück in der Box diagnostiziert FH-Elektronik-Guru Sebastian Henn einen um die Hälfte reduzierten Ladedruck. Das OBD behauptet, die Fahrerin habe gleichzeitig Gas gegeben und gebremst, woraufhin die auf Serienstand verbliebene Sicherungselektronik Schlimmeres verhindern wollte. So geht‘s ja nicht ... Die Pilotin schwört, nichts dergleichen getan zu haben, die Memotec-Datenaufzeichnung gibt ihr Recht. Nach und nach werden alle möglicherweise Fehler auslösenden Teile gewechselt. Schlussendlich wird der Bremslichtschalter als Sünder ausgemacht. Inzwischen ist auch die Strecke trocken, was Stefan Schlesack eine ordentlich flotte Runde gestattet. Startplatz drei in der Klasse, die Konkurrenten direkt vor der Nase. So weit, so gut.

Samstag, 15. Mai 2010, 15.00 Uhr:

Das Rennen nimmt Fahrt auf, der Focus RS auch. Am Steuer sitzt Daniela Schmid, das Küken im Team. Und - er läuft, der Wagen. Als elektronische Eigenmächtigkeiten auch bei Stefan Schlesack ausbleiben und das Team auf Platz eins in der Klasse und Gesamtrang 65 liegt, steigt die Stimmung: Der Bremslichtschalter - also doch. Dann der Rückschlag im dritten Stint: Erst ein neuerlicher Ladedruckverlust, dann reißt der Keilriemen der Lichtmaschine. Ersteres ist schnell, letzteres binnen rund 18 Minuten behoben. Und nun die Hiobsbotschaft: Latvala vermeldet Leistungsverlust. Das Boxenteam tippt wieder auf die Elektronik. Doch es kommt schlimmer: Herumfliegende Fremdkörper haben die Abdeckung des Zahnriementriebs zerstört, sind ins Gehäuse eingedrungen und haben denselben zum Überspringen gebracht - Exitus. Ein neuer Motor muss her. Es ist der alte aus den vorhergehenden VLN-Läufen. Die Studenten tauschen das Aggregat bei Party-Stimmung im Zelt. Wenn‘s keine Gründe zum Feiern gibt, muss man halt welche schaffen. Als das Auto wieder startklar ist, fehlen dem Team weitere 4,19 Stunden. Auf den Ergebnismonitoren ist mit Gesamtrang 164 der Tiefpunkt erreicht. Von nun an geht‘s bergauf. Nicht steil, dafür war die Standzeit zu lang, aber immerhin. 155, 153, 149 - die Crew fühlt sich an den Film "das Boot" erinnert. Nach 24 Stunden und einem weiteren außerplanmäßigen Boxenaufenthalt aufgrund eines lädierten Druckschlauchs passiert der von Jari-Matti Latvala pilotierte Ford des Teams FH Köln Motorsport als Erster die Ziellinie. Nicht im Gesamtklassement selbstredend - das notiert schlussendlich Platz 110 für den Studenten-Focus - wohl aber gefühlt. Sowohl für den finnischen Rallye-Piloten, der einem Journalisten später augenzwinkernd zu Protokoll gab: "Einen kurzen Moment lang habe ich geglaubt, ich hätte das Rennen nun doch noch gewonnen", als auch für das Einsatzteam. Zwar wurde nach dem von zahllosen Ford-Flaggen untermalten Foto-Finish mit Wasser statt Sekt geduscht, in einem war sich das Team jedoch einig: "Unser erstes Ziel, das Ankommen, haben wir vom Stand weg erreicht. Für den Rest bleibt nun immer noch die VLN." Um weitere Elektronik-Kinken auszuschließen, wurde im Ford Powertrain-Entwicklungszentrum im britischen Dunton inzwischen ein modifiziertes Steuergerät erstellt. Es basiert auf der Kalibrierung des limitierten Sondermodells RS 500 und soll mehr Leistung offerieren. Gleichzeitig wurden in Dunton die für den Straßengebrauch notwendigen Sicherheitsfunktionen deaktiviert. Der fixen Idee, die Fahrer würden Bremse und Gaspedal gleichzeitig benutzen, sollte das System nun also nicht mehr aufsitzen.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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