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VLN/24h-Projekt Audi TT RS 2012
Bilanz der Klasse(n)-Fahrt

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Unter der Woche büffeln sie, an den Wochenenden verwandeln sie sich in ein Profi-Rennteam in der VLN Langstreckenmeisterschaft Nürburgring. Die 14 Studenten der FH Köln Motorsport zeigten den Großen mit dem Audi TT RS und kleinem Budget, wie Motorsport auch gehen kann …

Audi TT RS FH Köln, Boxengasse, von oben
Foto: BR-Foto

Die Luft im Hörsaal ist stickig. Nach einer halben Stunde schmerzt der Hintern von den sperrigen Holzklappstühlen. Erste Köpfe fallen ermüdet auf die Schreibtischleiste. So sieht der Alltag an deutschen Hochschulen aus. Wer selbst studiert hat, kennt die Symptome der berüchtigten Vorlesungeritis-Krankheit.

VLN-Saison am Nürburgring als Impfung

Es gibt eine Ausnahme - die FH Köln Motorsport. Statt stickiger Hörsaal-Luft lässt die kalte Eifelbrise die Wangen der Studenten erröten. Der Hintern schmerzt höchstens von der Hatz durch die Box, zum Zelt und zum Kommandostand. Die Köpfe können gar nicht ermüdet auf die Boxenmauer fallen - zu laut sind die Autos, die auf der Start- und Zielgeraden dahinfegen. Die jungen Fahrzeugtechnik-Studenten der Fachhochschule Köln, die sich im Verein FH Köln Motorsport engagieren, sind immun gegen die Vorlesungeritis. Die Impfung: eine komplette Saison in der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf der Nürburgring-Nordschleife. Wen ein Jahr Nordschleifen-Klima nicht abhärtet, der ist nicht mehr zu retten.

Unsere Highlights


2012 ging das Projekt rund um Professor Frank Hermann in sein siebtes Jahr. In der Ehe gilt es als das verflixte siebte Jahr. Das traf in gewisser Weise auch auf die Liaison des FH Köln Motorsport Teams mit dem Audi TT RS zu. Mit dem reinrassigen Sportgerät mussten sich die Studenten und die drei Lenkrad-Akrobaten Anja Wassertheurer, Daniela Schmid und Adam Osieka, die zuweilen Unterstützung von sport auto-Chefredakteur Horst von Saurma bekamen, auch neuen Herausforderungen stellen.

2012 wurde auf Audi TT RS gesetzt

Der Ford Focus RS wurde aus der FH-eigenen Werkstatt geschoben und musste für den Neuen Platz machen: Reihenfünfzylinder-Turbo, 377 PS, 530 Nm, Frontantrieb, ein sequenzielles Sechsganggetriebe mit Wippenschaltung und Karbon so weit das Auge reicht.

Nach neun VLN-Dates machen die beiden Damen des Teams dem Audi TT RS eine Liebeserklärung: „Das genialste Auto, das ich je gefahren bin“, meint Daniela Schmid. Anja Wassertheurer kann dem nur zustimmen: „Das Auto ist fahrdynamisch ein beeindruckendes Stück Ingenieurskunst. Abtrieb ohne Ende, fulminantes Traktionsvermögen, beeindruckender Motor mit Druck in allen Lebenslagen. Insgesamt Hightech vom Feinsten.“

Vom Aufbau bis zum Renneinsatz

Im Gegensatz zum Vorgänger Ford Focus RS hatten die Studenten mit dem Audi TT RS zum ersten Mal ein speziell für die Nordschleife entwickeltes Auto als Lehrstück. Wo da der Lerneffekt bleibt? Dafür sorgte gleich zu Beginn des Projekts die Audi Kundensportabteilung in Heilbronn-Biberach, die die Nachwuchs-Ingenieure in die Pflicht nahm, den Fronttriebler mitaufzubauen. Damit nicht genug, denn das Doppelleben als Student und Renningenieur fordert auch seinen Tribut. Nebenbei galt es Lehrbücher und Vorlesungsskripte zu wälzen, schließlich standen kurz vor Saisonbeginn ebenso die abschließenden Semesterprüfungen an.
 
Mit einem Tourenwagen auf diesem technischen Niveau waren auch während der Saison die Anforderungen an das Team FH Köln Motorsport höher denn je. „Allein die Datenaufzeichnung und -analyse sowie die daraus resultierende Abstimmung erfordert bei einem solchen Fahrzeug eine viel professionellere Herangehensweise als bei einem seriennahen Rennauto“, resümiert Teammanager François van Endert.

Lediglich GT3-Fahrzeuge waren schneller

Schließlich bietet der Audi TT RS deutlich mehr Einstellungsmöglichkeiten als die vom Team bisher eingesetzten Autos. Zudem musste er zu Beginn der Saison erst einmal an sein neues Schuhwerk gewöhnt werden. Setzte die FH Köln doch als einziges Team auf die Kombination aus Dunlop-Reifen und gewichtsoptimierten BBS Alu-Felgen. Am Ende der Saison jubelte das Team über zwei Klassensiege in der fahrerisch stark besetzten SP4T und einen sensationellen 14. Gesamtrang beim achten Lauf. Ende August kamen lediglich GT3-Fahrzeuge verschiedener Spezifikation und der Cup Porsche von Uwe Alzen schneller über die Runden als der an diesem Wochenende rein weiblich besetzte Studenten-TT.

„Das Fahrerteam war mit dem Auto immer auf einem konstant hohen Niveau unterwegs“, lobt Professor Hermann die Arbeit der Mannschaft. „Meine Jungs und Mädels haben sich überraschend schnell in die Rolle Profi-Rennteams eingefuchst.“

Audi TT RS hatte zwei Gesichter

Zu den Stärken eines solchen Teams gehört es aber auch, mit Schwierigkeiten umgehen zu können und sie erfolgreich zu meistern. Nicht nur die Studenten führten ein Doppelleben, sondern auch der Audi TT RS hatte zwei Gesichter. Mal gab er sich als erstklassiges und überzeugendes Rennfahrzeug, mal war er die Diva. Kein Wunder, dass er in Anlehnung an Elizabeth Taylor bald den Spitznamen Liz verliehen bekam.
 
Beim ersten Lauf traten Probleme mit der Spritversorgung auf. Aus sportlicher Sicht ein Ärgernis. Für die angehenden Ingenieure war es eine willkommene Knobelaufgabe. Wo lag der Fehler? Der Lohn für den Erfindergeist folgte beim zweiten Lauf mit dem Klassensieg. „Es gab zu Beginn zwar ein paar Kinderkrankheiten“, meint Professor Hermann. „Aber die Zusammenarbeit mit Audi war immer tadellos.“
 
Beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring wollten die Youngster schließlich die Früchte für die Entwicklungsarbeit ernten. Doch am frühen Sonntagmorgen zerstörte ein Getriebedefekt jäh jegliche Hoffnungen auf eine Top-Platzierung. Dabei hatte man mit Platz 42 im Zeittraining ein dickes Ausrufezeichen gesetzt und das für die Top-40-Fahrzeuge vergebene blaue Blinklicht nur knapp verpasst. Nach einem weiteren technischen Defekt und einem Unfall in den folgenden VLN-Rennen gab der 15. Gesamtplatz im sechsten Lauf wieder Anlass zur Freude.
 
Die Achterbahnfahrt der Gefühle sollte so weitergehen. Auf einen neuerlichen Defekt folgte mit dem 14. Gesamtplatz und dem Klassensieg im achten Rennen der Saisonhöhepunkt. Hier machten eine ausgeklügelte Strategie und die Sprit sparende Fahrweise von Daniela Schmid und Anja Wassertheurer den Unterschied. Schade, dass der Audi TT RS nach einem weiteren Technik-Tiefschlag im vorletzten Rennen sein wahres Können beim Finale nicht mehr zeigen konnte. Dieses Mal zeigte sich die Nordschleife als frostige Diva und machte mit ihren Eisflächen ein Rennen unmöglich.

Top 10 zum Greifen nah

Das Team FH Köln Motorsport geht dennoch mit einem positiven Gefühl aus dieser Saison. „Das Grundkonzept ein leistungsstarkes, Vorderrad getriebenes Fahrzeug zu positionieren, war gut“, meint Professor Hermann. „Der Audi TT RS war eine tolle Ergänzung im Feld, und ich finde den Mut von Audi klasse, in diese Leistungskategorie einzusteigen.“ Auch Teammanager François van Endert sieht das Jahr rückblickend überwiegend positiv. „Einerseits waren wir eine Hausnummer, andererseits hatten wir einige technische Probleme“, fasst er zusammen. „Nur ein Regenrennen hat uns gefehlt. Trotzdem waren die Top 10 mehrfach zum Greifen nah. Das motiviert ungemein.”
 
Kopfzerbrechen bereitete lediglich das schnöde Geld. Jenes trieb dem Team häufiger die Schweißperlen auf die Stirn als die Angst vor den Gegnern. Im Gegensatz zu manchem Werksteam im VLN-Fahrerlager werkelten die Studenten nur mit dem Nötigsten - wie zum Beispiel einem Zelt ohne Seitenwände. Wer schon mal im eisigen Eifel-Wind gefröstelt hat, weiß, was das bedeutet. Für mehr Komfort reichte das Budget heuer nicht. Auch beim Transport des Autos von der FH-Werkstatt zum Nürburgring war das Team auf die Unterstützung eines DAF-Händlers angewiesen, der regelmäßig ein Fahrzeug zur Verfügung stellte.
 
„Für die begrenzten Möglichkeiten haben die Jungs und Mädels der FH das beste herausgeholt“, lobt Anja Wassertheurer. „Die Verpflegung war klasse, die Organisation sensationell. Das Team-Management hat eine super Arbeit geleistet.“ Ohne die über mehrere Jahre treuen Partner wie Drexler Motorsport (Getriebe und Sperre), BBS (Räder), Dunlop (Reifen), KW (Fahrwerk), Mokom (Funk, vormals Xkom) und die Audi Kundensportabteilung wäre das allerdings nicht möglich gewesen. Wie es in Zukunft weitergeht? Teammanager van Endert sagt nur so viel: „Wir haben noch eine Rechnung offen.“

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten