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Deutsche Behörden beanstanden Tesla-Autopilot
Erhebliche Verkehrsgefährdung beim autonom Fahren

Tesla dürfe nicht mehr mit dem Begriff „Autopilot“ werben, fordert das Kraftfahrt-Bundesamt. Vorige Woche kam die Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) in einem Gutachten zum Schluss, dass der Autopilot von Tesla eine „erhebliche Verkehrsgefährdung“ darstelle. Das System habe in mindestens zwei Situationen ohne Vorwarnung versagt, so die Experten. In Auftrag gegeben hatte das Gutachten das Bundesverkehrsministerium.

Tesla Model S Facelift
Foto: Tesla

Das Kraftfahrt-Bundesamt fordert Tesla auf, nicht mehr mit dem Begriff Autopilot zu werben. Die Behörde, die dem Bundesverkehrsministerium untersteht, schrieb laut „Bild am Sonntag“ an den Hersteller: «Um Missverständnissen und falschen Kundenerwartungen vorzubeugen, fordern wir den irreführenden Begriff Autopilot bei der Bewerbung des Systems nicht mehr zu nutzen.»

Ob die Forderung von KBA und Bundesverkehrsministerium Konsequenzen hat und Tesla in Deutschland künftig auf den Begriff „Autopilot“ verzichtet? Dazu äußerten sich auf Nachfrage weder das Ministerium noch Tesla.

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BaSt-Gutachten listet Mängel auf

Sachverständige der BaSt hätten das Fahrverhalten eines Model S über mehrere tausend Kilometer analysiert, berichtete in der vergangenen Woche „Der Spiegel“. Dabei sei es zwei Mal zu dramatischen Szenen gekommen. In einer Autobahnbaustelle sei das Elektroauto stur den weißen Linien gefolgt, obwohl mit gelben Hilfslinien die Fahrspur verlegt worden sei. Ein anderes Mal sei das Model S stur einem vorausfahrenden Auto gefolgt, weil auf der Fahrbahn noch keine Linien markiert worden waren.

Das System hätte den Fahrer nach Anischt der Gutachter warnen müssen, was es nicht tat. Zieht nun der Vorausfahrende auf die andere Spur, folgt ihm der Tesla. Das Fatale daran: Die Sensoren am Heck reichen nur 40 Meter weit – zu wenig, um ein schnell sich von hinten näherndes Auto zu erkennen. In einer solchen Situation sei es einem BaSt-Prüfer nur mit Mühe gelungen, das vom Computer gesteuerte Auto zu übersteuern. Laut „Der Spiegel“ bescheinigten die Gutachter dem Notbremsassistenten, der Auffahrunfälle verhindern soll, „eine unzureichernde Performance.“ Außerdem ließe sich das System innerorts aktivieren – obwohl es nur für Überlandstraßen ausgelegt sei.

Autopilot mit sparsamer Sensorik

Was Tesla Autopilot nennt, hat nicht viel mehr Sensoren als etwa ein Spurhalte- und Abstandsassistent. Ein Model S verfügt über Kamera und Radar an der Front, eine zusätzliche kleine Kamera vorn und eine hinten, sowie sechs Ultraschall-Sensoren an Front und Heck. Das sind nicht mehr Sensoren wie sie für bekannte Assistenzsysteme nötig sind. Doch laut Tesla soll das System viel mehr können: „Die digitale Verbundsteuerung von Motor, Bremsen und Lenkung hält das Fahrzeug in der vorgesehenen Spur und hilft gleichzeitig, Front- und Seitenkollisionen zu vermeiden.“ Im Video ist gut zu sehen, wie das System die Spur hält. Der Test vom vergangenen Herbst zeigt aber auch die Grenzen des Tesla-Systems auf.

Tesla: Fahrer muss aufmerksam sein

Tesla reagierte mit einem ausführlichen Statement auf die Kritik. Der Begriff Autopilot werde seit Jahrzehnten in der Luftfahrt verwendet und bezeichne ein System, das den Piloten entlaste. Der müsse jedoch weiterhin aufmerksam sein und den Autopiloten überwachen, erklärte Tesla. Entsprechend müsse der Fahrer eines Tesla beim Aktivieren des Autopiloten eine Meldung bestätigen, die ihn auffordert, die Hände am Lenkrad zu lassen und jederzeit die Kontrolle zu übernehmen. Ein Sensor registriert, ob der Fahrer die Hände am Lenkrad hat. Lässt er das Lenkrad zu häufig oder zu lange los, erscheinen akustische und optische Warnungen. Ignoriert der Fahrer diese Warnungen, steigt der Autopilot aus. Eine Grafik zeige ständig an, welche Fahrspur-Markierung und welches Fahrzeug der Autopilot erkannt habe.

Den Notbremsassistenten bezeichnet Tesla als „Stand der Technik“. Die Assistenzsysteme werden außerdem ständig verbessert. Dafür werden Daten aus der Tesla-Flotte ausgewertet und „Over the air“-Updates zur Verfügung gestellt.

Mobileye: Kamera mit klaren Grenzen

Was Tesla auch nach den Unfällen in den USA auf seiner Website Autopilot nennt, hat mit autonomem Fahren wenig zu tun. Ausgerechnet ein wichtiger Lieferant geht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auf Distanz zum Tesla-Versprechen: Die israelische Firma Mobileye stellt klar, dass die Kameras ein System mit klaren Grenzen seien. Eine Situation mit einem kreuzenden Fahrzeug, wie sie zu dem tödlichen Unfall mit einem Model S geführt hat, könnten Mobileye-Systeme erst ab 2018 erkennen – also in etwa zwei Jahren.

Obwohl der Unfall in den USA passierte, droht Tesla auch in der EU Ärger: Technikexperten der Kommission diskutieren, ob die Typzulassung überhaupt für den Autopiloten gilt. Tesla hat für das Model S eine Typrüfung aus den Niederlanden. Diese gilt für die einzelnen Systeme wie die Kameras, den Radar und die Ultraschallsensoren, aber nicht für das Gesamtsystem, das Tesla Autopilot nennt.

Tesla Model X 2016
Wolfgang Groeger-Meier
Bei mindestens einem Unfall mit dem Model X soll der Autopilot eingeschaltet gewesen sein.

Während die Kamera für die Spurführung wichtig ist und beim Erkennen von Objekten hilft, erfasst der Radar den Abstand zu Objekten. Beide Systeme haben ihre Grenzen: Die Kamera hat bei Gegenlicht Probleme, Objekte vom Hintergrund zu unterscheiden. Genau das soll bei dem tödlichen Unfall in den USA eine Rolle gespielt haben: Der Kontrast zwischen der hellen Plane eines kreuzenden Lkw und dem Himmel war zu gering, um die Gefahr zu erkennen. Ein Radar ist zwar prima, um Abstände zu erfassen, hat jedoch Schwierigkeiten mit stehenden Objekten.

Assistenzsysteme mit Schwächen

Ein Sonderfall sind die Ultraschall-Sensoren: Diese kennen viele Autofahrer als Teil einer Einparkhilfe: Die Sensoren messen den Abstand zu Objekten. Ihre Reichweite beträgt aber nur nur wenige Meter. Jeder, der mit Parkpiepsern schon einmal etwas zügiger eingeparkt hat, kennt andere Grenzen. Wenn es piepst, kann es schon zu spät sein. Tesla verwendet die Sensoren als bisher einziger Hersteller für den Spurwechsel. Andernorts wird dafür ein weit leistungsfähigerer Radar eingesetzt, manche Hersteller verwenden auch zwei bis drei unterschiedlich ausgerichtete Radar-Elemente am Heck.

Elon Musk
In Erklärungsnot: Tesla-Chef Elon Musk.

Trotz des höheren Aufwandes, den etwa Audi, BMW oder Mercedes für ihre Fahrerassistenzsysteme treiben, sind die deutschen Hersteller noch sehr vorsichtig mit autonomen Fahrfunktionen. Bisher muss der Fahrer immer die Kontrolle behalten – und die Hände am Lenkrad. Einige Tesla-Fahrer hingegen stellten, womöglich animiert von Musks Autonomie-Versprechen, Videos ins Netz, in denen der Fahrer mit seinen Passagieren Karten spielt oder auf andere Art vom Verkehr abgelenkt ist.

Elon Musk in Erklärungsnot

Elon Musk ist seit den Unfällen in Erklärungsnot. Er versuchte zu erklären, dass der „Autopilot“ zwar als „Beta-Version“ bezeichnet würde, jedoch keine Beta-Version sei. Man habe das Wort Beta lediglich verwendet, damit die Nutzer besser aufpassen, so Musk. Doch auch von der eine Milliarde Kilometer, die das System laut Tesla benötige, um zuverlässig zu funktionieren, fehlt noch der allergrößte Teil: 200 Millionen Kilometer seien bisher zurückgelegt worden.

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