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Tempo 300-Historie
Ab 32 km/h ist es nicht mehr möglich zu atmen

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Die magische Zahl 300 auf dem Tacho sorgt selbst heute für eine gewisse Ergriffenheit – schließlich warnten noch im 19. Jahrhundert die Ärzte, dass das Atmen ab 32 km/h unmöglich sei. Und es sollte lange dauern, bis die 300 endlich überschritten waren.

1000hp-Sunbeam
Foto: Archiv

Dass die Behauptung des englischen Arztes Dr. Johnson Unsinn ist, bewiesen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts Bahnreisende, die bei halsbrecherischen 80 bis 90 km/h ihren Kopf für längere Zeit aus dem Abteilfenster hielten – und diesen zwar rußgeschwärzt, aber bei bester Gesundheit wieder einzogen.

Der Blitzen-Benz erreicht vor 100 Jahren 202,692 km/h
 
Dennoch, das Interesse für die höchstmögliche Geschwindigkeit eines Menschen war geweckt, und spätestens mit der Erfindung des Automobils und dessen stürmischer Entwicklung gab es kein Halten mehr.
 
Als erster Inhaber des Geschwindigkeit-Weltrekords trug sich am 18. Dezember 1898 Graf Gaston de Chasseloup-Laubat in die Liste ein, der junge Franzose erreichte auf einem Jeantaud-Elektrowagen 63,158 km/h. Bereits vier Wochen später wurde er von Camille Jenatzy um gut drei Stundenkilometer übertroffen, ebenfalls auf einem Elektrowagen der Pariser Firma Compagnie Internationale des Transports Automobiles. Anschließend setzten der Belgier und der Franzose ständig neue Bestmarken, bis Jenatzy mit der zigarrenförmigen La Jamais Contente (die nie Zufriedene) am 19. April 1899 die 100 km/h-Marke knackte.
 
Zehn Jahre später fiel die 200 km/h-Barriere: In Brooklands setzte der Franzose Victor Héméry auf dem Mannheimer Blitzen-Benz mit 21,5-Liter-Vierzylinder und 200 PS am 8. November 1909 die neue Bestmarke von 202,692 km/h. Die magischen 300 km/h aber (beziehungsweise für die Briten und Amerikaner die 200 Meilen, sprich 320 km/h) erwiesen sich dagegen lange Zeit als ziemlich harte Nuss.
 
327,973 km/h am Strand von Daytona
 
Die Grenzüberschreitung gelang erst am 28. März 1927, und der Fahrer Henry O‘Neal de Hane Segrave benötigte dafür die Kraft von zwei Matabele-Flugzeugtriebwerken: Unter der stromlinienförmigen Hülle des leicht optimistisch 1000 hp-Sunbeam genannten Rekordwagens arbeiteten zwei V12-Motoren mit je 22,4 Liter Hubraum und 400 PS bei 2.000 Umdrehungen.
 
Der Brite saß dazwischen und hatte vermutlich einen leichten Kloß im Hals – sein Konkurrent Parry Thomas hatte sich wenige Tage zuvor mit dem Higham-Thomas-Special, genannt Babs, am Strand im walisischen Pendine mehrfach überschlagen und war tot, die Überreste des Wagens wurden im Sand vergraben und erst 40 Jahre später gehoben. Am Strand von Daytona hingegen lief alles gut. Segrave erreichte 327,973 km/h, fuhr allerdings einige Streckenmarkierungen über den Haufen und steuerte den Wagen wegen mangelhafter Bremsen in die Brandung.
 
Parallel zu den reinen Weltrekordfahrzeugen wurden auch die Rennwagen immer schneller, weiteren Schub erhielt die Entwicklung durch die 750 kg-Formel ab der Grand Prix-Saison 1934. Die Auto Union eröffnete den Rekordreigen mit einem Test des neuen P-Wagens im Januar 1934 auf der Autostrada zwischen Mailand und Varese, wo Hans Stuck 252 km/h erreichte – noch keine Bestmarke, aber ein Ausblick auf das, was kommen sollte. Im März gelangen Stuck auf der Avus mehrere internationale Rekorde (beispielsweise 200 Kilometer mit einem Schnitt von 217,02 km/h), dann hatte die Rennerei Vorrang.
 
Rosemeyer erreicht 430 km/h – und verunglückt dabei tödlich
 
Am 28. Oktober 1934 aber jagte Rudolf Caracciola einen Mercedes-Benz W 25 bei Gyon zwischen Budapest und Apatfalva auf 317,46 km/h. In der Folge trieben sich die beiden deutschen Teams zu immer neuen Höchstleistungen, bis schließlich Bernd Rosemeyer am 28. Januar 1938 im Auto Union mit rund 430 km/h tödlich verunglückte – wenige Monate zuvor hatte er auf der Avus den Rundenrekord auf 276,32 km/h angehoben.
 
Das nötigt noch heute Respekt ab – auf der derzeit schnellsten Formel 1-Strecke in Monza erreichen die Piloten bei trockener Piste Durchschnittsgeschwindigkeiten von gut 250 km/h. Ähnlich außerirdisch wie die Silberpfeile der Dreißiger muss den Stuttgarter Bürgern 1955 auch das Mercedes 300 SLR Coupé erschienen sein, mit dem Rudolf Uhlenhaut, der Leiter der Versuchsabteilung, häufig unterwegs war. Der Tacho reichte erstmals bis 300, und das war auch notwendig: Die Schweizer Automobil Revue attestierte dem silbernen Coupé mit dem 300 PS starken, vom Formel 1 abgeleiteten Rennmotor 1956 eine Höchstgeschwindigkeit von 290 km/h.
 
Bis die 300er-Marke mit einem Serienwagen tatsächlich überschritten wurde, sollten weitere knapp drei Jahrzehnte ins Land der unbegrenzten Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen ziehen: In auto motor und sport Heft 7/1985 reportierte Klaus Westrup nüchtern und erstaunlich leise, der Ferrari 288 GTO sei mit exakt 303 km/h gemessen worden. „Damals lief gerade wieder eine Tempolimit-Diskussion. Da erschien es uns unklug, eine große Szene daraus zu machen“, erinnert sich Westrup.
 
Heute läuft jeder Ferrari über 300
 
- ebenso jeder Lamborghini, dazu viele 911er, AMG-Mercedes, et cetera. Was sich nicht geändert hat: Immer noch wird die Rennpiste oder gar Autobahn verdammt schmal, wenn man mit 83,3 Metern pro Sekunde dahinfliegt. Da kann man schon mal das Luftholen vergessen.

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