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Technikvorstand Ziebart Jaguar/Land Rover
"Wir entwickeln viele neue Technologien"

Gespräch mit Dr. Wolfgang Ziebart, Technikvorstand bei Jaguar Land Rover, über die Leichtbaumaterialien Aluminium und Carbon, alternative Antriebe und vernetzte Elektronik für das unfallvermeidende Auto der Zukunft.

Dr. Wolfgang Ziebart, Motor
Foto: Jaguar
Herr Dr. Ziebart, die wichtigen Zukunftstechnologien erfordern immense Investitionen. Befindet sich Jaguar Land Rover da als relativ kleiner Hersteller in einem Wettbewerbsnachteil gegenüber den großen Konzernen?

Ziebart: Nein, denn ganz so klein sind wir nicht. Wir haben im letzten Jahr weltweit rund 430.000 Autos verkauft und beschäftigen mehr als 7.000 Ingenieure. Und die finanziellen Mittel sind da. Ich bin nun ein gutes Jahr in diesem Unternehmen und kann mich an kein Vorhaben erinnern, für das keine Mittel da gewesen wären, wenn wir es für sinnvoll halten. Vieles läuft bei Jaguar Land Rover auch etwas schneller und unbürokratischer, weil wir eben nicht ganz so groß sind wie manche andere. Wahrscheinlich brauchen wir auch weniger Leute für die gleiche Aufgabe. Die finanziellen Mittel sind meine geringste Sorge.

Unsere Highlights
Eine komfortable Situation. Das Unternehmen präsentiert nun im XE eine neue Aluminiumarchitektur, deren Entwicklung nicht billig war. Ist diese Architektur so weit skalierbar, dass sie auch in einem Fahrzeug unterhalb des C-Segmentes Sinn macht?

Ziebart: Zunächst mal übertragen wir dieses Know-how mit dem XE schon in eine Fahrzeugklasse, wo kaum ein Mitbewerber etwas mit Aluminium macht. Die Aluminiumarchitektur ist in diesem Segment völlig neu und bisher einmalig. Grundsätzlich ist es so, dass die Technik Geld kostet: Das Material kostet Geld, und vor allem das Fügen kostet Geld. Es ist erheblich teurer als Punktschweißen. Das können Sie überhaupt nur in einem Premiumfahrzeug andenken. Wir hoffen, unsere Kunden honorieren das. Wir werden dadurch beim Kraftstoffverbrauch extrem wettbewerbsfähig sein, um es mal mit britischem Understatement zu formulieren. Dazu trägt neben dem neuen, besonders effizienten Motor eben auch der Leichtbau bei. Sicher gibt es Kunden, denen ist das Material egal. Andere wiederum schätzen aber die Vorteile dieser Bauweise. Denn sie haben ja nicht nur Verbrauchsvorteile, sondern auch einen Gewinn an Fahrdynamik. Wenn die Karosserie leicht ist, dann fährt sich das Auto auch agiler. Leichtbau ist für uns nicht nur ein Verbrauchsthema.

Ihr Wettbewerber BMW steigt massiv ins Thema CFK ein. Ist das für Sie auch eine Option, wenn Sie über Leichtbau nachdenken?

Ziebart: Nein, das ist kein Thema für uns. Wir sind mit unserer Alutechnologie auf einem so hohen Niveau angelangt, dass die Fertigung einzelner Teile in Carbon keinen zusätzlichen Vorteil brächte. Nur die Kosten wären noch höher.

Sie bringen mit dem Range Rover Diesel-Hybrid den ersten Hybrid der Unternehmensgeschichte in den Markt. Wie geht es weiter? Enden wir in absehbarer Zeit im elektrischen Fahren oder haben Diesel und Benziner noch so viel Potenzial, dass sie uns noch Jahrzehnte tragen?

Ziebart: Die kommenden Verbrauchsvorschriften können von einem Fahrzeug im Range-Rover-Format mit konventionellem Antrieb nicht erreicht werden. Sie müssen elektrifizieren. Dann können Sie allerdings – je nachdem, wie hoch Sie die elektrische Reichweite ansetzen – mit dem nominellen Verbrauch so weit runterkommen, dass das Auto als batteriegetriebenes Fahrzeug gewertet wird. Aber die konventionellen Antriebe haben noch viel Potenzial. In den letzten Jahren hat die Dynamik in puncto Verbrauchssenkung ständig zugenommen. Das Heben der Potenziale wird vielleicht immer teurer, aber an Kreativität mangelt es den Motoreningenieuren nicht. Trotzdem wird die Elektrifizierung in Zukunft einen ganz wesentlichen Beitrag leisten. In den großen Premiummodellen wird der Anteil der Plug-in-Hybride hoch sein.

Und rein batteriegetriebene Fahrzeuge?

Ziebart: Hierfür gibt es im Grunde nur zwei große Märkte. Das ist zum einen der innerstädtische Transport von Gütern und Personen, der ist weniger unser Thema. Zum anderen ist das der Markt der Zweit- und Drittfahrzeuge für eine wohlhabende Bevölkerung. Wenn Sie ins Silicon Valley oder nach San Francisco fahren, sehen Sie einen Range Rover vor der Garage stehen. Und daneben steht ein Tesla. Wir schauen uns sehr genau an, welche Autos unsere Range-Rover-Kunden sonst noch gern mögen.

Wenn wir über den Hybrid noch so viel Potenzial haben, brauchen wir überhaupt noch die Brennstoffzelle?

Ziebart: Ich sehe nicht, dass die Technologie der Brennstoffzelle in den nächsten zehn Jahren im Auto sinnvoll zur Anwendung kommen kann. Aber wir reden ja eigentlich über Wasserstoff als Energiespeicher. Letztlich ist der Ausgangspunkt immer elektrische Energie. Die können Sie entweder in Wasserstoff verwandeln und damit dann über eine Brennstoffzelle einen Elektromotor antreiben. Oder Sie geben den Wasserstoff direkt in den Verbrennungsmotor. Der zweite Weg ist, die elektrische Energie zum Laden einer Batterie zu nutzen. Well-to-Wheel ist der Wasserstoff schlicht katastrophal im Vergleich zum direkten Laden einer Batterie, er hat sehr hohe Verluste. Wenn man Wasserstoff nutzen möchte, ist aus meiner Sicht der Verbrennungsmotor viel, viel sinnvoller als die Brennstoffzelle. Deren Wirkungsgrad in Kombination mit einem Elektromotor liegt mit gut 35 Prozent nicht viel höher als der eines mit Wasserstoff betriebenen Verbrennungsmotors.

Zu Ihrem heimlichen Lieblingsthema, der Konnektivität.

Ziebart (lacht): Ist das so offensichtlich? Ich versuche ja immer, diesen Eindruck zu verwischen …

Die Rechenleistung wird sich vom Auto ins Telefon verlagern oder in die Cloud. Das Fahrzeug ist immer online. Welche Vorzüge hat das außer dem Umstand, dass ich immer die gewohnte Bedienoberfläche meines Mobiltelefons nutze, wie Sie es nun mit InControl Apps einführen?

Ziebart: Wenn Sie sich anschauen, wie wir Smartphone, Laptop und Tablet heute nutzen, und das ein wenig in die Zukunft weiterdenken, sehen Sie eine Landschaft, in der Ihre Daten und Programme sich nicht mehr auf den individuellen Geräten befinden, sondern in der Cloud. Die verschiedenen Geräte sind nur unterschiedliche Wege zu diesen Daten und Applikationen. Das Auto wird einer von mehreren Zugängen zu Ihren Daten und Applikationen sein – natürlich mit autospezifischen Applikationen wie etwa Parkplatzsuche oder Navigation.

Von dieser Vernetzung profitiert auch die Arbeit am selbst fahrenden Auto?

Ziebart: Ja. Denn Daten über den Verkehrsraum vor und neben dem Auto können auf eine ganz andere Weise ins Auto gelangen als heute. Dieses autonome Fahren sehen wir nicht als Wegrationalisierung des Fahrers, der allerdings 99 Prozent aller Unfälle verursacht. Unfallvermeidung ist unsere Zielrichtung, nicht das Google-Auto ohne Lenkrad. Das unfallvermeidende Auto kommt nach und nach in vielen kleinen Schritten.

Wachsende Konnektivität und Vernetzung sind auch eine Herausforderung für die Bedienbarkeit von Autos. Was kommt da bei Jaguar und Land Rover?

Ziebart: Wir entwickeln viele neue Technologien zur Entlastung des Fahrers in kniffligen oder extrem dynamischen Situationen. Sehr realitätsnahe Bilddarstellungen und Infografiken in hoher Auflösung ermöglichen einen "virtuellen" und weitreichenderen Blick auf die vor dem Fahrzeug liegende Straße oder Rennstrecke. Unter dem Schlagwort "augmented reality" nutzt der "Jaguar Virtual Windscreen" die gesamte Windschutzscheibe als Display. Die Augen des Fahrers müssen so nie von der Fahrbahn abschweifen, denn alle relevanten Informationen zur Navigation und aktuellen Geschwindigkeit sowie zu möglichen Gefahrenpunkten werden in höchster Qualität direkt in sein Blickfeld projiziert. Auch die Gestensteuerung, die wir bereits im XF angefangen haben zu nutzen, reduziert die Zahl physischer Schalter und Hebel und damit die Komplexität von Mensch-/Maschine-Schnittstellen. Neue 3-D-Instrumente könnten bald auch den konventionellen Innen- und Rückspiegel ersetzen.

Sehr viele neue Technologien also im Auto der Zukunft. Wenn es darüber hinaus noch gut aussieht und gut fährt: umso besser.

Ziebart (lachend): Ja, aber keine Bange. Gehen Sie mal fest davon aus, dass wir alles tun werden, dass das bei Jaguar und Land Rover so sein wird.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten