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Bahnhöfe in Stuttgart
Überraschend hohe Feinstaubkonzentration

Hohe Feinstaubkonzentrationen an unerwarteten Orten: Auf Stuttgarter Bahnhöfen wird der erlaubte Höchstwert deutlich überschritten. Auch anderorts überraschten die Prüfer unerwartet hohe Messwerte, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet.

TGV im Bahnhof
Foto: Deutsche Bahn AG

Stuttgart belegt regelmäßig Spitzenplätze bei den Stauhauptstädten Europas und löst häufig, vorwiegend in der dunklen Jahreszeit, Feinstaubalarm aus. Während des Alarms sind die Bürger angehalten, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, um so den Beitrag des privaten Autoverkehrs an der Feinstaubbelastung zu reduzieren. Feinstaub entsteht unter anderem beim Verbrennen organischer Substanzen, aber auch durch Reifen- und Bremsenabrieb. Als Feinstaub gelten Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von ein bis 15 Mikrometer, noch kleinere Partikel gelten als „Ultrafeinstaub“. Aktuell gilt: Je kleiner ein Partikel ist, desto gefährlicher ist er für die Gesundheit des Menschen, da sich die menschliche Lunge nicht vor derartig kleinen Staubkörnchen schützen kann. Die Prüfgesellschaft Dekra hat jetzt in Stuttgart hohe Feinstaubkonzentrationen an überraschenden Orten gefunden, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet.

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Auch zum Stickoxidausstoß gibt es eine überraschende Erkenntnis. Im Gegensatz zu Feinstaub geht die Stickoxid-Belastung in Städten zu einem großen Teil als verbrennungsbedingter Schadstoffausstoß auf Dieselmotoren zurück. Hier hilft moderne Technik: Automobilzulieferer Bosch hat kürzlich vermeldet, mit sofort verfügbarer Technologie die für das Jahr 2020 angekündigten Stickoxid-Grenzwerte um das Zehnfache zu unterbieten. Dieselmotoren, die die Abgasnorm Euro 6d temp erfüllen, gelten aktuell als sauber und könnten von möglichen Fahrverboten ausgenommen sein.

Feinstaubschwerpunkt unterirdischer Bahnhof

Die Dekra-Experten maßen unter anderem im unterirdischen Stuttgarter Bahnhof Charlottenplatz eine Feinstaubbelastung von 100 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³). Das ist das Doppelte des erlaubten Tagesgrenzwertes. Auf der U-Bahnfahrt zum Neckartor lag die Feinstaubkonzentration dann nur noch bei 25 µg/m³, im Zielbahnhof schnellte der Wert hingegen auf 120 µg/m³ hoch. Die überirdisch gelegene Durchgangsstraße am Neckartor war in den letzten Jahren zum Sinnbild für feinstaubverpestete Luft geworden – dort messen die Geräte aktuell allerdings nur noch laut Gesetz unbedenkliche 25 µg/m³. Ein Grund für die hohe Feinstaubbelastung in unterirdischen Bahnhöfen könnte sein, dass sich auf dem Boden der durch Bremsenabrieb reichlich produzierte Feinstaub ablegt. Diesen Staub wirbeln einfahrende Züge auf. Ob dies wirklich der Grund für die unsaubere Luft ist, lässt sich nur durch eine wissenschaftliche Analyse der Partikel klären. Eine hohe Feinstaubbelastung fanden die Prüfer jedenfalls auch im unterirdisch gelegenen S-Bahnhof Stadtmitte (100 µg/m³) und in der von Gleisen und Straßen ein paar Meter entfernt liegenden Vorhalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs (75 µg/m³) vor.

Messgeräte registrieren Raucher

Laut Stuttgarter Zeitung erlebten die Prüfer bei Ihren Messungen weitere Überraschungen: Als ein Raucher an den Messgeräten vorbeiläuft, steigt die Feinstaubkonzentration von 20 auf 150 µg/m³ und somit auf einen neuen Höchstwert. Daraufhin messen die Prüfer auch im geräumigen Raucher-Raum an ihrem Firmensitz: Mit 260 µg/m³ übersteigt der dort gemessene Wert die erlaubte Konzentration um über das Fünffache. Auch Staubsaugen erhöht den Feinstaubwert – im Test auf 70 µg/m³. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Konzentration auf 50 µg/m³ sank. Selbst Fahrräder sind eine Feinstaubquelle: Ihr Bremsenabrieb sorgt für zwei bis vier Milligramm Feinstaub pro Kilometer – zehnmal so viel, wie aus der Abgasanlage eines modernen Dieselmotors strömt. Allerdings erzeugen Autos aktuell ohnehin einen großen Teil ihres Feinstaubs durch Reifen- und ebenfalls Bremsenabrieb.

Stickoxidquelle Kerze

Dieselmotoren stehen auch wegen ihres Stickoxid-Ausstoßes in der Kritik. Aber es gibt noch eine weitere überraschend kräftige Stickoxidquelle: Kerzen. Laut Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), entsteht durch die Dieselfahrzeuge am Stuttgarter Neckartor eine Feinstaubkonzentration von 40 µg/m³, zitiert die Stuttgarter Zeitung. Um die gleiche Konzentration in einer kleinen Wohnung zu erzielen, müssten vier Adventskerzen nur einige Minuten brennen. Wären alle Autos mit höchstens zwei Jahre alten Dieseln ausgerüstet, müsste nur eine Kerze wenige Sekunden brennen, um die gleiche Stickoxidbelastung zu erzielen.

Neckartor nicht mehr Nummer 1

Das Umweltbundesamt stellte 2017 an über 50 Messstationen Grenzwert-Überschreitungen fest: Seit 2010 gilt für Stickoxid ein Grenzwert von 40 µg/m3, den laut Umweltbundesamt fast die Hälfte der Messstationen im Jahresmittel 2017 überschritten hat. Zwei Drittel der Stationen lagen über 45 µg/m3.

Stuttgart hat seinen Stickoxid-Spitzenplatz 2017 abgegeben: Mit 78 µg/m3 wurde an der Landshuter Allee in München die höchste Stickoxidbelastung gemessen. Die Messstelle am Stuttgarter Neckartor registrierte im Jahresmittel 73 µg/m3, das sind 7 weniger als 2016. In München sank die Belastung um 2 µg/m3. Dieser Wert liegt im Jahresmittel – laut Umweltbundesamt sind die gesunkenen Meßwerte ein Indiz dafür, „dass die durch die Dieseldebatte angestoßenen Maßnahmen in den Städten anfangen zu wirken.“

Als Gründe für den Rückgang nennt das Umweltbundesamt Maßnahmen wie Tempolimits, Straßenverengungen oder saubere Motoren. Wie sich die einzelnen Maßnahmen auswirkten, ließe sich jedoch nicht genau bestimmen, so das Umweltbundesamt in einer Pressemitteilung zum Thema.

Weniger Feinstaub

Auch die Feinstaub-Belastung ist 2017 gesunken: „2017 gehörte mit den beiden Vorjahren zu den am geringsten mit Feinstaub belasteten Jahren“, schreibt das Umweltbundesamt. Einzig am Stuttgarter Neckartor seit mit 45 Tagen der Grenzwert häufiger überschritten worden, als vorgesehen: Die 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft dürfen höchstens an 35 Tagen überschritten werden. Allerdings merkt das Umweltbundesamt an, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Grenzwert von 5 Tagen empfiehlt. Betrachtet man diesen Grenzwert, lagen 2017 in Deutschland 87 Prozent der Messstationen über dem Grenzwert.

Gerichte verhandeln Fahrverbote

In zahlreichen größeren Städten in Deutschland drohen wegen der Überschreitung von Grenzwerten für Feinstaub und Stickoxide Fahrverbote. Die Deutsche Umwelthilfe hat mehrere Städte auf Einhaltung der Grenzwerte verklagt. Am 22. Februar wird das Bundesverwaltungsgericht Leipzig über Diesel-Fahrverbote entscheiden. Auch von der EU droht Ärger: EU-Umwelt-Kommissar Karmenu Vella hat acht Ländern eine Klage in Aussicht gestellt, sollten sie die Grenzwerte nicht einhalten – darunter auch Deutschland.

Entwicklung der NO2-Jahresmittelwerte
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In der Bildergalerie finden Sie die Messstellen mit den auffälligsten Werten.

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