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Steuerzahler-Schwarzbuch 2012
So wird unser Geld verschwendet

Der Bund der Steuerzahler prangert erneut gnadenlos krasse Fehlentscheidungen und die grassierende Verschwendungssucht von Politik und Verwaltung an.

Insel Poel, Brücke
Foto: BdSt

Für Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahler-Bundes, ist die Sicht der Bürger klar: "Wer Steuern zahlt, will Sparsamkeit", sagt er. Seit nunmehr 40 Jahren kämpft seine Organisation gegen mangelndes Kostenbewusstsein in der Politik und bei der öffentlichen Hand. Doch das aktuelle Schwarzbuch schildert in mehreren Kapiteln wiederum fast 100 Fälle und Projekte, bei denen unsachgemäßer Umgang mit Steuergeld im Spiel ist. Und das Kapitel "Verschwendung droht" ist so prominent vertreten wie nie zuvor. Holznagel warnt aber auch vor Bagatellisierungen, wenn es um vergleichsweise kleine Summen geht, die in den Sand gesetzt werden – etwa 10.000 Euro für verkehrsberuhigende Straßenmöblierung, die dann, wie im bayerischen Stephanskirchen, auf dem städtischen Bauhof landet. "Jeder Euro Steuergeld muss zunächst von uns verdient werden, bevor wir ihn zur treuhänderischen Verwendung in die Kassen des Staates geben", so der Verbands-Funktionär. "Egal" oder "nicht so schlimm" dürfe es in Sachen Verschwendung nicht geben.

Von Fahrrädern und Parkdecks, die niemand braucht

Im hessischen Seligenstadt herrscht keinerlei Parkplatznot. Trotzdem ließ die Stadt am Rande des alten Kerns ein Parkdeck mit 150 Plätzen bauen. Dort herrscht gähnende Leere – schließlich gibt es in der Altstadt auch noch kostenlose Stellplätze. Die Nachfrage soll mit Ramsch-Preisen von einem Euro Tagessatz angekurbelt werden. Bleibt die Frage, wie sich die Baukosten von 690.000 Euro, der 285.000 Euro teure Grundstückserwerb und der Abriss des dort befindlichen Gebäudes für 27.000 Euro sowie die laufenden Unterhaltskosten von 17.500 Euro pro Jahr amortisieren sollen.

Auch bei der weiteren Finanzierung des Kasseler Fahrradverleihsystems Konrad droht Verschwendung, denn das geschätzte Defizit beläuft sich auf 160.000 Euro pro Jahr. Dabei haben Bund und Stadt bereits 1,67 Millionen Euro in die 50 Verleihstationen mit 500 Rädern gebuttert. Angesichts der Kasseler Topografie fahren viele Nutzer damit, wenn überhaupt, nur bergab. Zwei Mitarbeiter von DB Rent, die das System im Auftrag der Stadt betreibt, sind täglich acht Stunden im Einsatz, um die leeren Stationen am Bergpark wieder aufzufüllen.

Zweifel an der Sinnhaftigkeit beschleichen den steuerzahlenden Bürger ebenfalls angesichts der millionenteuren Brücke über die A 7 im Neuwirtshauser Forst: Sie soll Luchs und Rotwild das gefahrlose Überqueren der Autobahn ermöglichlichen. Diese haben vermutlich schon längst einen Weg gefunden, seit ein Wildschutzzaun die Autobahn säumt, denn nur 100 Meter von dem Neubau entfernt führt eine kleine, vier Meter breite Brücke als Verlängerung eines Waldwegs über die A 7.

Anschluss gesucht und Kunst statt Sanierung

Seit 2005 hat man sich auf der Ostsee-Insel Poel mit dem Neubau einer neuen Fuß- und Radwegbrücke durch den Schilfgürtel des Kirchsees befasst. Ein Ingenieurbüro wurde 2010 schließlich mit der Durchführung beauftragt. Doch das Ganze hatte Schönheitsfehler: Die Auftragnehmer vergaßen schlicht und einfach, den Anschluss auf beiden Seiten mit auszuschreiben. Außerdem stellte sich heraus, dass selbst das günstigste Angebot – ohne Anbindung – über dem festgelegten Kostenrahmen von 170.000 Euro lag. So stand die Brücke dann fast ein Jahr nutzlos und von der Außenwelt abgeschnitten zwischen Niendorf und Kirchdorf, bis deren Anschluss endlich realisiert wurde. Gesamtkosten des Projekts 185.000 Euro.

Die spinnen, die Berliner: Laut Verwaltungsvorschrift sind je nach Größenordnung eines Bauvorhabens rund ein bis zwei Prozent im Haushaltsansatz für Kunst einzuplanen – ungeachtetet der Tatsache, dass solche Fisimatenten zu 100 Prozent von neuen Schulden finanziert werden müssen und die Stadt gleichzeitig nicht ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommt, wie ein Beispiel aus dem Außenbezirk Pankow belegt. Dort wurden vier Stelen mit dem klangvollen Namen Polychromie architekturale installiert.

Parallel dazu hatte sich Berlin vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zu verantworten, weil eine betagte Dame auf einem der maroden Gehwege gestürzt war und sich schwere Verletzungen zugezogen hatte. Die Stadt wollte sich mit Hinweis auf die seit Jahren klamme Lage herausreden, doch das ließen die BGH-Richter nicht durchgehen und verdonnerten sie wegen Amtspflichtverletzung zu Schadenersatz und Schmerzensgeld. Wenn für Kunst in Pankow 135.000 Euro ausgegeben werden, dann bleibt für Gehwegsanierung natürlich nichts übrig.

Welcher Unfug erfolgreich verhindert wurde

Kräftiger Gegenwind kann zuweilen Verschwendung im Keim ersticken. So hatte der Bund der Steuerzahler bereits 2011 die Planung eines überflüssigen Kreisverkehrs im nordrhein-westfälischen Eschweiler kritisiert. Leisten konnte sich das hochverschuldete Städtchen ohnehin nur einen Minikreisel, der mindestens 156.000 Euro gekostet hätte. Das Projekt wurde im Frühjahr 2012 von der Stadtverwaltung gekippt. Auch aus der geplanten Umgehungsstraße in Dreiborn am Rande des Nationalparks Eifel, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, wurde auf Druck der Kostenwächter nichts. Gestiegenes Verkehrsaufkommen ließ sich nicht belegen – somit war die Ortsumgehung überflüssig. Das überzeugte auch die nordrhein-westfälische Landesregierung: Sie strich das Projekt von der Prioritätenliste für Straßenbauvorhaben.

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